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Steiniger Reformweg

Panagiotis Kouparanis11. Juni 2012

Die Neuwahlen in Griechenland könnten das Linksbündnis Syriza an die Macht bringen. Die Wirtschaft schreckt das nicht - wichtig ist ihr vor allem, dass endlich eine neue Regierung mit einem klaren Kurs antritt.

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Zwei Ringer verzieren die Bodenplatte einer Statue, die im Archäologischen Museum von Athen steht (Foto dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Physiotherapeut Dimitris Aftosmidis arbeitet 80 Stunden pro Woche - aber er kommt finanziell nicht mehr über die Runden. Der Chef einer Praxis mit mehreren Angestellten in Thessaloniki hat seit Anfang des Jahres kein Honorar von der staatlichen Sozialversicherung mehr erhalten. Jetzt drohen er und seine Kollegen damit, keine versicherungspflichtigen Patienten mehr anzunehmen. Die Apotheker haben es vorgemacht: Sie geben Medikamente nur noch gegen Barzahlung ab.

Schuld an dieser Situation, so glaubt Dimitris Aftosmidis, sind die ständigen Kürzungen im Staatshaushalt. Auf die hätten wiederum die Kreditgeber EU und IWF bestanden. Und jetzt würden die sich auch noch in die Wahlen in Griechenland einmischen. Es fehle nur noch, "dass die uns empfehlen, welche Person wir wählen sollen". Wenn dieser Druck anhalte, dann sei es gut möglich, dass sich die griechischen Wähler am 17. Juni erneut - wie bei der jüngsten Parlamentswahl -, als die "bösen Buben Europas erweisen", die nicht tun, was die europäischen Führer wünschen.

Kundgebung griechischer Physiotherapeuten in Thessaloniki (Foto: Panagiotis Kouparanis/DW)
Protestkundgebung griechischer Physiotherapeuten in ThessalonikiBild: DW

Syriza ist kein Schreckgespenst

Ganz anders sieht das Kyriakos Harakidis. Der Unternehmer und Bürgermeister der nordgriechischen Stadt Drama wünscht sich eine Regierung, die die Abmachungen mit den Kreditgebern einhält und insbesondere die Strukturreformen umsetzt. Harakidis kam ins Amt als Kandidat einer Liste, die die sozialdemokratische Pasok und die gemäßigte kleine Linkspartei Dimar unterstützt haben.

Bereitet ihm ein Sieg des Linksbündnisses Syriza bei den Parlamentswahlen Kopfschmerzen? Nein, antwortet Harakidis. Dennoch gäbe es ihm zu denken, dass man von Vertretern dieser Partei jeden Tag unterschiedliche Meinungen höre. Er verlange von Syriza eine einheitliche Haltung, konkrete Vorschläge und vor allem die Bereitschaft, mit den Kreditgebern zusammenzuarbeiten. "Wenn es diese Kooperation nicht gibt", warnt Harakidis, "dann bleiben wir ganz allein - nicht auf einem See, sondern mitten in einem Ozean."

Kyriakos Harakidis, Unternehmer und Bürgermeister der nordgriechischen Stadt Drama (Foto: Panagiotis Kouparanis/DW)
Kyriakos Harakidis, Bürgermeister der Stadt DramaBild: DW

Angst vor einem Wahlsieg von Syriza haben griechische Unternehmer offenbar nicht. Zwar hat Parteichef Alexis Tsipras angekündigt, die Kreditverträge zu annullieren, wenn er an die Macht kommt. Aber das scheint niemand allzu ernst zu nehmen. Gängige Meinung ist jedoch: Verhandelt werden müsse über bestimmte Verpflichtungen, die Wirtschaftswachstum in Griechenland verhindern.

Zu einer Partnerschaft gehören zwei

Federico Lazaridis ist einer der bekanntesten Unternehmer des Landes; seine Weine haben es bis in den Weinkeller des Weißen Hauses in Washington geschafft. Er erinnert daran, dass es für einen Tango zwei braucht: Es könne unter Partnern in der EU nicht angehen, "dass der eine sagt, ich werde das, was wir vereinbart haben, nicht umsetzen, und dass der andere darauf besteht: Du wirst all das tun, was wir vereinbart haben." Vernünftig wäre es, wenn man sich erneut auf die Prioritäten und den Zeitplan der Umsetzung verständigt. Zumal beide Parteien dasselbe Ziel hätten: einen moderneren und funktionalen griechischen Staat.

Federico Lazaridis, nordgriechischer Weingutbesitzer (Foto: Panagiotis Kouparanis/DW)
Federico Lazaridis, Weingutbesitzer aus dem NordenBild: DW

Obwohl Federico Lazaridis rund ein Drittel seiner Weinproduktion exportiert, spürt er den wirtschaftlichen Einbruch in Griechenland. Ganz anders Stamatis Kouroudis aus der nordostgriechischen Stadt Komotini. Wirtschaftlich geht es ihm gut, weil seine Baumwollfasern nicht auf den griechischen Markt gehen, sondern ins Ausland.

"Griechen noch nicht von Reformen überzeugt"

Dennoch macht sich Kouroudis Sorgen über die aktuelle politische Situation. Denn die griechischen Bürger wären noch nicht überzeugt, dass umfassende Reformen notwendig seien - einfach deshalb, weil man sich bislang noch gar nicht über die Wirtschaftsprobleme des Landes verständigt habe, geschweige denn darüber, wie man sie lösen wolle. "Deshalb", so Kouroudis, "bin ich überhaupt nicht optimistisch - egal, welche Regierung gebildet wird."

Stamatis Kouroudis, Textilunternehmer aus der nordostgriechischen Stadt Komotini (Foto: Panagiotis Kouparanis/DW)
Stamatis Kouroudis, Textilunternehmer aus KomotiniBild: DW

Jede künftige Staatsgewalt könne Reformen nur gegen große Widerstände in der griechischen Bevölkerung durchsetzen. "Die große Frage ist: Wie wird die Regierung mit dieser Gegenwehr umgehen, wie wird sie sie überwinden und die Menschen davon überzeugen, dass die Veränderungen notwendig sind?" Denn, darüber macht sich der Unternehmer keine Illusionen, überzeugende Antworten auf die Krise wird jede Regierung geben müssen - und schmerzliche, unpopuläre Schnitte werden auch dazu gehören. Welche politische Partei dann am Ende die Wahlen gewinnt und die Regierung stellt, das sei dabei fast zweitrangig.