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"Untersuchungen können dauern"

27. Juli 2011

Mindestens 39 Menschen sind bei einem Zusammenprall zweier Züge in China gestorben. Nach der Ursache wird nun fieberhaft gesucht. DW-WORLD.DE hat mit Bahnexperte Jochen Trinckauf über das Zugunglück in China gesprochen.

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Jochen Trinckauf ist Professor an der TU Dresden für Verkehrssicherungstechnik
Jochen Trinckauf ist Professor an der TU Dresden für VerkehrssicherungstechnikBild: TU Dresden

DW-WORLD.DE

: Laut Angaben des chinesischen Bahnministeriums ist die Kollision zweier Hochgeschwindigkeitszüge in der Nähe von Wenzhou im Süd-Osten Chinas durch einen Blitzeinschlag verursacht worden.

Jochen Trinckauf

: Ein Blitzschlag ist ein Naturereignis. Es kann natürlich vorkommen, dass ein Zug nach einem Blitzschlag auf der Strecke stehen bleibt. Ein Blitz kann in die Oberleitung eingeschlagen und so einen Schaden verursachen. Es würde jeder Eisenbahn der Welt passieren, dass der Zug dann stehen bleibt. Es gibt auch andere Naturereignisse – beispielsweise im Winter, wenn die Oberleitungen vereisen und reißen können oder ein Sturm und so weiter.

Ist es dann aber nachvollziehbar, dass der zweite Zug auf den Vorderen aufgefahren ist?

Wenn also ein Zug stehen bleibt, was auch noch andere Gründe haben kann, ist dieser normalerweise durch die Sicherungssysteme geschützt. Das gehört zu jeder Eisenbahnstrecke. Das Grundprinzip bei der Eisenbahn ist, dass die Züge mit Raumabstand fahren. Das bedeutet, dass hinter jedem fahrenden Zug immer ein Abstand freigehalten werden muss, damit der nachfolgende Zug rechtzeitig abbremsen kann. Das Abbremsen wird grundsätzlich durch die aufgestellten Signale erzwungen. Oder bei modernen Systemen durch Informationsübertragung an die Lokomotive selbst, sodass der Zugführer sieht, dass er bremsen muss.

Wie sieht das Verfahren zur Sicherheitsprüfung für Hochgeschwindigkeitszüge in Deutschland aus?

Zu der Entwicklung eines Hochgeschwindigkeitszuges gehört die ganze technische Konstruktion und die Erprobung von solchen Zügen. Es gibt Normen und Verfahren, nach denen insbesondere die Sicherheit geprüft wird. Und sie gelten für Deutschland und ganz Europa. Dabei werden sowohl die Züge als auch die stationären Anlagen geprüft, in denen die Sicherheit entwickelt und nachgewiesen wird. Zu diesen Dingen gehören auch Erprobungsphasen, bevor das System behördlich zugelassen wird.

Wie wird ein Bahnunfall in Deutschland untersucht?

Bei einem Eisenbahnunfall müssen immer zwei Komponente berücksichtigt werden. Zum einen sind es die Fahrzeuge, also die Züge selbst. Zum anderen gibt es die Bahnanlagen wie Gleise, Oberleitung für den Strom oder auch die Signalanlagen und Steuerung. Das sind alles Teile, wo sich Fehler einschleichen können. Manchmal kommen auch verschiedene Dinge zusammen. Das wird gründlich erforscht. Man stellt defekte Teile sicher und untersucht die Ursachen. Wenn man die Beweise gesichert hat, dann beginnt man mit den Aufräumarbeiten und mit der Wiederherstellung der Befahrbarkeit der Eisenbahnstrecke. Die Untersuchungen selbst können dann noch sehr lange dauern, bis die eigentlichen Unfallursachen gefunden werden.

Wie lange hat die Untersuchung nach dem verheerenden ICE-Unfall in Eschede (Niedersachsen) 1998 gedauert, bei dem 101 Menschen ums Leben gekommen waren?

Da war es relativ frühzeitig klar gewesen, dass es im Fall Eschede an einem Rad gelegen hat. Aber es hatte zwei Jahre gedauert, bis die Experten herausfanden, warum das Rad defekt gewesen war.

Professor Jochen Trinckauf ist Leiter des Instituts für Verkehrssicherungstechnik an der TU Dresden. Der gelernte Verkehrsingenieur ist Experte im Bereich Eisenbahnsicherungstechnik.

Das Interview führte Miao Tiao
Redaktion: Chi Viet Giang