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Unverkäuflich und doch verkauft

Michael Brückner18. Dezember 2002

Beim Raub von Kunstwerken geht es um viel Geld. Versierte Diebe können ihre Beute weiterverkaufen, weil die internationale Gesetzeslage undurchsichtig ist.

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Kommt selten vor: Sicherstellung geklauter BilderBild: AP

Die Täter kamen mit einer Leiter von hinten auf das Dach des Van-Gogh-Museums in Amsterdam, holten innerhalb von Minuten ihre Beute aus dem gut bewachten Haus und seilten sich vorne mit den Bildern wieder ab. Eine Nachbarin alarmierte die Polizei, als sie auf dem Museumsdach morgens um viertel vor acht einen Mann mit einem Gemälde unter dem Arm erblickte. Zwei Bilder von Vincent van Gogh sind seitdem verschwunden.

Die beiden Frühwerke, "Stürmische See bei Scheveningen" und "Gläubige vor der reformieren Kirche in Nuenen" aus den 1880er Jahren, gelten eigentlich als unverkäuflich. Doch trotzdem müssen sich die Diebe etwas von ihrer Beute erhoffen. In den Niederlanden wird nun spekuliert, ob Behörden und Versicherungen trotz offiziellem Verhandlungsverbot mit der Unterwelt nicht doch gelegentlich "Finderlohn" bezahlen würden, wenn gestohlene Kunstwerke plötzlich im Kofferraum eines Autos wieder auftauchten.

Naive Meisterdiebe

"Der verrückte Sammler, der so einen Diebstahl in Auftrag gibt, ist mir in meiner Arbeit noch nicht begegnet", sagt die Berliner Rechtsanwältin und Expertin für Kunstrecht, Astrid Müller-Katzenburg, im Interview mit DW-WORLD. "Die reine Geldgier ist doch wohl das häufigste Motiv. Highlights sind nicht zu verkaufen. Aber es gibt offensichtlich noch Täter, die das schlichtweg nicht wissen".

Die meisten gestohlenen Kunstwerke sind aber nicht weltberühmt: "Bei den enormen Renditen, die mit Kunst erzielt werden können, lohnt es sich auch lange zu warten." Mitunter über 30 Jahre lang. So lange dauert es zum Beispiel in Holland und neuerdings auch in Deutschland, bis die Verjährung eingetreten ist, und ein Käufer wieder rechtmäßig Eigentum an dem doch unrechtmäßig entwendeten Gegenstand erwerben kann.

Gesetzesbestimmungen sind unzureichend

In Deutschland wurden die Verjährungsfristen im Zuge der zum ersten Januar 2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsreform neu geregelt. An die Besonderheiten des extrem finanzstarken und geduldigen Kunstmarktes hat dabei offensichtlich keiner der Fachleute gedacht.

Selbst innerhalb der EU ist die Rechtslage völlig unterschiedlich. In Großbritannien ist der Erwerb von Eigentum an Diebesgut so gut wie ausgeschlossen, in Italien dagegen unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Astrid Müller-Katzenburg berichtet: "In England wurden wertvolle asiatische Skulpturen gestohlen und in Italien verkauft. Als sie bei Christie‘s in London versteigert wurden, hatte die Klage des früheren Eigentümers keine Chance, denn der Verkäufer konnte nachweisen, dass er die Skulpturen in gutem Glauben in Italien erworben hatte."

Der Milliardendieb und seine ignorante Mutter

Ein grotesker Fall von Kunstraub wurde Anfang 2002 in Frankreich aufgedeckt: Der elsässische Kellner Stéphane Breitwieser hatte sieben Jahre lang "aus Liebe zur Kunst" gestohlen, was er in europäischen Museen nur kriegen konnte. In der Wohnung seiner Mutter Mireille lagerten unter anderem Werke von Lucas Cranach, Antoine Watteau und Pieter Brueghel. Am Ende hatte seine Privatsammlung einen Wert von ungefähr 1,6 Milliarden Euro.

Als er endlich gefasst wurde, versuchte Mireille Breitwieser den von ihr ungeliebten "Krempel" zu vernichten. Sie ahnte angeblich nicht den wahren Wert, wollte nur schnell Beweise beiseite schaffen. Alte Meister zerschnipselte sie und warf sie in den Müllschlucker. Schwere Gegenstände, wie Silberkannen, antike Vasen oder goldene Becher warf sie kurzerhand in den Rhein-Rhone-Kanal in der Nähe ihres Wohnortes Muhlhouse im südlichen Elsass.