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GesellschaftDeutschland

Unwetter: Wie im Katastrophenfilm

15. Juli 2021

Es sah erst nach einem harmlosen Landregen aus und wurde zu einem der schwersten Unwetter seit Jahrzehnten. DW-Redakteur Christoph Hasselbach lebt in der betroffenen Region. Ein persönlicher Erfahrungsbericht.

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Deutschland l Unwetter in Nordrhein-Westfalen l Schäden in Bad Münstereifel
In der Stadt Bad Münstereifel in der Nähe des Wohnorts des DW-Redakteurs sieht man das Ausmaß der VerwüstungBild: B&S/dpa/picture alliance

Bis Mittwochabend hat es in unserem Eifeldorf fast 24 Stunden ununterbrochen geregnet. Heftig geregnet. Es ist wie ein Dauer-Gewitterregen, nur ohne Blitz und Donner.

Gegen 17.30 Uhr fahre ich mit dem Auto nach Bad Münstereifel zur Post. Von einem Hang strömt bereits viel Wasser über die Straße. Ich denke: Bin mal gespannt, wie das weitergeht.

Als ich eine halbe Stunde später zurückkehre, haben die Wassermassen an der Stelle schon so zugenommen, dass ich einen Augenblick zögere. Mit zwei Rädern auf dem Bürgersteig geht's noch. Aber sicher nicht mehr lange. Eine halbe Stunde später wäre ich wohl nicht mehr nach Hause gekommen.

Es regnet weiter Bindfäden, ununterbrochen

Wir passen zurzeit auf das Haus der Nachbarn auf, die im Urlaub sind. Am Morgen war im Keller noch alles in Ordnung. Gegen 19 Uhr sehen wir nochmal nach. Alles steht unter Wasser bis zur Oberkante der ersten Treppenstufe. Der Strom ist ausgefallen, auch eine Pumpe, die eigentlich anspringen sollte. Eine Tiefkühltruhe voller Vorräte muss geleert werden.

Wenig später sagt eine Nachbarin, auch ihr Keller laufe gerade voll. Dann noch ein Ehepaar. Wir teilen uns auf und schöpfen gemeinsam mehrere Keller aus, so gut es geht, stundenlang. Das ist Nachbarschaftshilfe!

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Versperrte Hauseingänge und überflutete Straßen in Bad MünstereifelBild: B&S/dpa/picture alliance

Es sieht aus, wie nach einem Luftangriff

Ein Nachbar kommt erst spät dazu, weil er einem Bekannten mit einer Souterrainwohnung geholfen hat, die natürlich völlig verwüstet ist. Er erzählt, dass der Rückweg in unser Dorf praktisch abgeschnitten ist. Er probierte sämtliche Zufahrtswege, nur ein einziger war noch so gerade passierbar. Ganze Täler stehen unter Wasser.

Erst am nächsten Tag zeigt sich das ganze Ausmaß der Überflutungen: In Bad Münstereifel sind die massiven Steinbrücken über die Erft weggeschwemmt. Geröllmassen haben sich durch die historische Innenstadt gewälzt, die jetzt aussieht wie nach einem Luftangriff. Es ist unbeschreiblich!

Telefon, Internet und Mobilfunknetz sind tot

Ein Bekannter, der einen Buchladen in einem schönen Fachwerkhaus betreibt, sagt auf unsere Frage, wie es stehe: "Es gibt keinen Laden mehr."

Telefon und Internet sind ausgefallen. Das Mobilfunknetz funktioniert auch nur mit Unterbrechungen. Einige Verwandte haben weder Strom noch Wasser. Ihr ganzes Dorf wird evakuiert, weil eine Talsperre zu brechen droht. Wir werden sie bei uns einquartieren.

Menschen sind von der Außenwelt abgeschnitten

Einem älteren Familienmitglied geht es ebenso. Aber er ist von der Außenwelt abgeschnitten, weil die Brücke zu seinem Wohngebiet weggespült wurde. Wir überlegen, wie wir ihn über Waldwege hierherbekommen. Einen Tag will er erst einmal ausharren, dann weitersehen.

Das letzte Hochwasser in Bad Münstereifel gab es 2006. Auch damals trat die Erft über die Ufer und überschwemmte die Altstadt. Was neu ist, ist das Ausmaß diesmal, sind die Schuttmassen, die zerstörten Brücken. Und dass ganze umliegende Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten sind. Die Schäden scheinen ungeheuer! Und die bange Frage bleibt, ob uns der Klimawandel in Zukunft mehr davon bringen wird.

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Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik