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Keine Katerstimmung

21. April 2010

Die amerikanische Handelskammer in Deutschland zeichnet in ihrer jüngsten Umfrage unter US-Investoren zum Standort Deutschland ein positives Bild. Von Katerstimmung nach der Krise ist da wenig zu spüren.

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Meister Propper Von Procter & Gamble (Bild: fiftyeight 3d)
Meister Propper von Procter & Gamble ist mit Deutschland sehr zufriedenBild: fiftyeight 3d

Otmar Debald ist Finanzvorstand von Procter & Gamble Deutschland. Ob Windeln, Waschpulver, Batterien oder Rasierklingen - mit 15.000 Mitarbeitern stellt die deutsche Tochter des amerikanischen Weltkonzerns auch hierzulande eine breite Palette von Konsumgütern her und ist die größte Niederlassung des Konzerns außerhalb der USA. Die Krise hat auch sein Unternehmen zu spüren bekommen, sagt Debald, aber weitaus weniger als erwartet. "Plötzlich höre ich aus der Chefetage in den USA, dass wir Vorbilder sind. Den Begriff hatte ich eine Zeit lang nicht gehört." Seit zwei Jahren hat sein Unternehmen die besten Zahlen in Westeuropa hingelegt - und das gilt auch für viele Kollegen in anderen amerikanischen Unternehmen. Die meisten deutschen Töchter amerikanischer Konzerne haben in der Krise bessere Zahlen abgeliefert als die Schwestergesellschaften in anderen Ländern.

Fred B. Irwin, Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland (Foto: dpa)
Wohnt lieber in Berlin als in Mumbay: Fred B. IrwinBild: dpa

Ein Grund mehr für US-Investoren, Deutschland im jüngsten AmCham Business-Barometer zum mit Abstand attraktivsten Standort in Europa zu küren. Mehr als 100 US-amerikanische Unternehmen mit mehr als 350.000 Mitarbeitern in Deutschland und einem Gesamtumsatz von rund 150 Milliarden Euro wurden von der Boston Consulting Group (BCG) und der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland (AmCham Germany) befragt. Danach konnte die Bundesrepublik ihren Vorsprung als Top-Investitionsstandort im Krisenjahr 2009 noch deutlich ausbauen. Für 2010 rechnen die Investoren sogar mit Wachstum bei den Investitionen, bei den Beschäftigten und beim Umsatz.

Deutsche Tugenden

Zu verdanken ist das nach Ansicht von AmCham-Präsident Fred Irwin auch den staatlichen Konjunkturprogrammen und dort vor allem der Kurzarbeit, die dafür gesorgt hat, dass sich die Deutschen während der Krise ihre Kauflaune nicht verderben ließen. "Kurzarbeit hat Deutschland gerettet, und das hat unsere Firmen gerettet, denn die Arbeitslosigkeit ist nicht so hoch gestiegen wie in den USA", so Irwin.

Arbeiter in einem Pausenraum (Foto: DW)
Fred Irwin: "Kurzarbeit hat Deutschland gerettet"Bild: DW-TV

Doch es sind nicht nur die Konsumenten, die den Standort Deutschland attraktiv machen. Seit sieben Jahren wird das AmCham Business Barometer erhoben und wie ein roter Faden zieht sich durch alle Umfragen die Wertschätzung deutscher Tugenden, wie Christian Veith, der Deutschland-Chef der Boston Consulting Group, formuliert. "Es sind auch Dinge, die in der Vergangenheit vielleicht als etwas langweilig wahrgenommen wurden: Zuverlässigkeit, Infrastruktur, es ist der Fleiß und das Engagement der Mitarbeiter, die Qualität der Bildung und der Ausbildung." Und Procter & Gamble Finanzvorstand Otmar Debald ergänzt: "Wenn wir für komplizierte technische Projekte irgendwo in der Welt Spezialisten suchen, dann heißt es häufig: gebt doch das Projekt nach Deutschland. Die sind zwar ein wenig teurer, aber dann wissen wir, dass es klappt."

Nicht ausruhen

Ein Wettbewerbsvorsprung, den Deutschland nach Ansicht der Amerikaner unbedingt ausbauen sollte. Die Nachfrage nach mehr qualifizierten Nachwuchskräften rangiert auf der Liste der wirtschaftspolitischen Forderungen unmittelbar hinter dem Punkt Wirtschaftswachstum auf Platz zwei. Die US-Investoren drängen darauf, dass sich Deutschland nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen dürfe und die Industrie- und Standortpolitik noch verbessern müsse. In den Konzernzentralen in den USA wird laufend abgewogen, welche Standorte weltweit die besten Geschäfte versprechen. Dabei haben die Rahmenbedingungen vor Ort großes Gewicht. Das hat beispielsweise dazu geführt, dass Osteuropa in den letzten zwei Jahren deutlich an Attraktivität verloren hat. " Manches, was man sich von Osteuropa an Vorteilen erwartet hat, hat sich nicht erfüllt", sagt der Deutschland-Chef der Boston Consulting Group, Christian Veith.

Hingegen wächst die Zahl der US-Unternehmen mit Standorten in Deutschland, die über eine Verlagerung aus Europa heraus nachdenken, in der aktuellen Umfrage sind es 17 Prozent. AmCham-Präsident Fred Irwin meint, dabei gehe es vor allem um eine Verlagerung nach China oder Indien. Allerdings, so meint er beruhigend, müsse sich dort noch viel ändern, damit es für amerikanische Unternehmen attraktiver werde als in Deutschland. "Wenn sie China Noten geben, dann schneidet es bei der Bildung ganz hervorragend ab, aber beim Thema Klima gibt es die schlechtesten Noten. Dieses Wachstum von zehn Prozent kann auf Dauer nicht bleiben", so Irwin. Auch Indien habe Spitzenleute, aber die Armut schrecke viele Investoren ab. Irwin: "Man muss alle Faktoren betrachten. Ich möchte lieber in Frankfurt am Main wohnen oder in Berlin als in Mumbai – ganz ehrlich."

Autor: Sabine Kinkartz
Redaktion: Rolf Wenkel