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eutsche Bank im Visier der US-Justiz

22. Februar 2012

Vor bald drei Jahren platzte die Immobilienblase in den USA. Seither läuft die Suche nach den Schuldigen. Auch die Deutsche Bank gerät immer mehr ins Fadenkreuz der Justiz.

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Ein leerstehendes Haus in Milwaukee, USA (Foto: Benjamin Hammer/Deutsche Welle)
Bild: DW/B.Hammer

Die Deutsche Bank war und ist neben den US-Banken einer der großen Akteure auf dem US-Immobilienmarkt. Rund eine Millionen Häuser verwaltet das größte deutsche Finanzinstitut in den USA treuhänderisch, bei vielen gab es bereits Zwangsvollstreckungen. In Folge der Immobilienkrise sind inzwischen ganze Stadtviertel durchzogen von leerstehenden Eigenheimen, die verwaisen und verfallen. Dagegen wehren sich Gemeinden und Betroffene und versuchen, die zuständigen Banken zu verklagen. "Pensionsfonds, Rentenfonds oder Gewerkschaften, die investiert haben, klagen an vielen Stellen", erklärt Lawrence White, Finanzprofessor an der New York University. Auch gegen die Deutsche Bank ermitteln landesweit mehrere Staatsanwaltschaften. "Diese Verfahren dauern unendlich lange. Selbst wenn keine neuen dazukommen werden, stehen die Lösungen aus den alten zwei, drei Jahre alten Fällen noch aus", meint White im Gespräch mit DW.

Im Blick der SEC

Zusätzlich hat nun die US-Börsenaufsicht SEC das größte deutsche Bankhaus verstärkt ins Visier genommen. Denn die Deutsche Bank soll wie so manch andere wissentlich Wertpapier-Pakete aus Schrott-Hypotheken geschnürt und an ahnungslose Investoren verkauft haben. Wegen eines ähnlichen Geschäfts musste die Investmentbank Goldman Sachs vor rund zwei Jahren 550 Millionen Dollar für Vergleichszahlung berappen. Goldman Sachs hatte ein Finanzprodukt namens Abacus kreiert, in dem Hypothekenpapiere gebündelt wurden, erklärt White. "Was die Investoren jedoch nicht wussten: Eine dritte Partei, der Hedge-Fonds Manager John Paulson, hatte diese Papiere mit ausgesucht, um dann dagegen zu wetten."

Ähnlich soll es Gerüchten zufolge auch die Deutsche Bank gemacht haben. Noch äußert sich die Börsenaufsicht dazu nicht offiziell. "Die SEC konnte 550 Millionen Dollar eintreiben wegen des Abacus-Deals. Dabei hatte die Deutsche Bank ein nahezu identisches Produkt mit dem Namen 'Start' aufgelegt", sagt Yves Smith. Sie ist Bankenexpertin beim Finanzberater Aurora Advisors in New York und Autorin den Finanz-Blogs "naked capitalism” – nackter Kapitalismus.

Zweifel an Neutralität des obersten SEC-Ermittlers

Für Smith ist völlig unverständlich, warum man damals nicht auch schon die Deutsche Bank verfolgt habe. Bei Goldman Sachs waren E-Mails aufgetaucht, die bewiesen, dass die Banker von der schlechten Qualität des Produktes wussten. Bei der Deutschen Bank war der inzwischen berüchtigte Händler Greg Lippman unter anderem für diese Investmentbanking-Produkte verantwortlich. "Lippmann galt in der Industrie als Plappermaul", sagt Smith im Gespräch mit DW. Die Chancen seien sehr hoch, dass es E-Mails oder Gespräche in Meetings gegeben hat, in denen er belastende Dinge gesagt hat. "Wenn sie Goldman Sachs gekriegt haben, kriegen sie auch die Deutsche Bank, wenn sie es wollen", so Smith.

Wieso man erst jetzt anfängt, auch bei der Deutschen Bank zu suchen, ist für Smith kein Rätsel. In der deutschen Presse liest man, die Bank sei geschickter vorgegangen als die US-Wettbewerber. Das sei Quatsch, meint Smith: "Das liegt einzig an Robert Khuzami." Die Deutsche Bank habe Glück, dass der oberste Ermittler bei der Börsenaufsicht heute, damals in den kritischen Jahren 2004 bis 2009 die Rechtsabteilung der Deutschen Bank geleitet habe. "Sonst wäre die Deutsche Bank wahrscheinlich als ausländische Bank mit als erstes dran gewesen", meint Smith.

Eine Vergleichssumme von rund 500 Millionen Dollar würde die Deutsche Bank ebenso wenig wie Goldman Sachs aus der Bahn werfen. Und zu höheren Strafen kommt es bei den Streitigkeiten mit der US-Börsenaufsicht meist nicht – die habe weder Mittel noch Ausdauer und sei nicht für solche gigantischen Fälle gegründet worden. "Die Fälle sind zu komplex", sagt Finanzprofessor Larry White. Es sei zu schwierig beispielsweise einer Jury die Zusammenhänge klar zu machen: "Zu erklären wie Hypothekenpapiere funktionieren, ist schon sehr zeitintensiv", sagt White. Und desto länger sich das Prozedere hinziehe, je größer sei das Risiko für die SEC, den Fall nicht zu gewinnen.

Andere Kläger

Auch die US-Regierung selbst hat im Frühjahr 2011 Zivilklage gegen die Deutsche Bank eingereicht. Die habe über ihre Tochter Mortgage IT falsche Angaben über die Qualität von Hypotheken gemacht und sei daraufhin sogar in ein staatliches Förderprogramm aufgenommen worden. Auch dieses Verfahren wird sich wahrscheinlich lange hinziehen.

Einige geprellte Investoren gehen selbst gegen die Deutsche Bank vor. Die Finanzgruppe Dexia erhob im Juli bereits Klage, im Oktober folgte die Fondsgesellschaft Loreley Financing, eine Zweckgesellschaft der deutschen Industriebank IKB. Auf einen Vergleich einigte man sich bereits mit einigen Genossenschaftsbanken.

Keine Angst vor Hedgefonds

Verheerend könnte es für den deutschen Bankenprimus aber werden, wenn die großen Hedgefonds, wie Blackrock oder die Man-Group die Banken – und damit auch die Deutsche Bank - verklagen. Die haben jedoch kaum Anreize, meint Finanzexpertin Yves Smith. Die Fonds-Manager würden nicht daran gemessen, wie viel sie gewonnen oder verloren haben, sondern daran, wie ihr Fonds relativ zum Markt gelaufen ist. "Wenn alle geschädigt sind, ist niemand geschädigt", sagt Smith.

Ausserdem müssten die Fondsgesellschaften ihre juristischen Schritte selbst zahlen und der Rest der Industrie würde stillhalten und von einer Klage profitieren. Yves Smith hat selbst lange Jahre in der Finanzindustrie gearbeitet. Sie macht keinen Hehl aus ihrer deutlichen Meinung: Die Machenschaften an der Wall Street seien schlimmer als die der Mafia. Alle Mitspieler hätten Angst vor den großen Banken, sagt Smith. Zu groß sei deren Macht, die Fonds und Investoren nicht mehr mit liquiden Mitteln zu versorgen.

Als Treuhänder "to Big to fail"

Nicht zuletzt profitiere gerade die Deutsche Bank davon, dass sie nicht als sogenannte ausführende Service-Agentur für die Eintreibung von Immobilienschulden oder die Zwangsvollstreckung verantwortlich war. Hier hat sich die Regierung vor wenigen Tagen mit den fünf größten Banken in dem Bereich - allen voran die Bank of America - auf einen Vergleich von insgesamt 25 Milliarden Dollar geeinigt. Die Deutsche Bank hingegen war hauptsächlich als Treuhänder tätig.

Zwar gebe es inzwischen die einhellige Meinung, dass auch die Treuhänder nicht alles richtig gemacht haben und man könne sie verklagen. "Das macht aber keiner", sagt Smith. Denn dann wären pro Treuhänder gleich eine enorme Menge an Hypothekenzertifikaten betroffen, die teilweise noch in den Bilanzen vor sich hin schlummern. Wenn die alle auf einmal ausfallen, konnte das noch einmal einen Tsunami wie die Pleite der Lehman-Bank auslösen, meint Smith. Die Treuhänder seien damit paradoxerweise "to big to fail".

Autor: Miriam Braun
Redaktion: Insa Wrede