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China im Visier

8. Januar 2012

Die US-Staatskasse ist leer - das trifft auch den US-Verteidigungshaushalt. Das Militär soll schlanker werden und sich in Zukunft stärker nach Ostasien ausrichten. Denn dort rüstet China seine Marine immer weiter auf.

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US-Kriegsschiff im Hafen von Busan (Foto:ap)
Von Busan (Südkorea) aus unternimmt dieses US-Kriegsschiff Patrouillenfahrten im Ostchinesischen MeerBild: AP
US-Präsident Obama verkündet die neue US-Militärstrategie (Foto:ap)
US-Präsident Obama verkündet die neue US-MilitärstrategieBild: dapd

Jahr für Jahr wenden die USA gewaltige Summen für ihr Militärbudget auf, doch damit soll angesichts maroder Staatskassen erst einmal Schluss sein. Umgerechnet rund 516 Milliarden Euro schwer soll der US-Verteidigungshalt in diesem Jahr werden, das ist zwar weniger als im vergangenen Jahr, aber immer noch weit mehr als der gesamte Haushalt der Bundesrepublik Deutschland (306 Milliarden Euro). Doch in den nächsten zehn Jahren soll der US-Verteidigungsetat nun umgerechnnet um weitere 350 Milliarden Euro schrumpfen. Die Zeit der langwierigen militärischen Interventionen sei vorbei, erklärte US-Präsident Obama am Donnerstag (5.1.2012) bei der Vorstellung dieser Zahlen in Washington. Zudem werde sich die US-Armee in Zukunft stärker auf den Asien-Pazifik-Raum konzentrieren. Angesichts der "wachsenden wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Bedeutung" dieser Region würden die USA "ihre militärische Präsenz dort verstärken", so US-Verteidigungsminister Leon Panetta.

"Keine Schwächung der Weltmacht USA"

SWP-Experte Oliver Thränert
Sicherheitsexperte Oliver Thränert der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik

Die kostspieligen Kriege im Irak und in Afghanistan haben Washington an den Rand der militärischen Belastbarkeit gebracht. Dennoch sind die jetzt bekannt gewordenen Sparpläne der US-Regierung kein Zeichen für eine Schwächung der US-amerikanischen Führungsposition. Das zumindest glaubt Oliver Thränert, Sicherheitsexperte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). "Die USA werden auch weiterhin für ihre Freunde und Verbündeten eintreten", ist Thränert im Interview mit DW-WORLD.DE überzeugt. Allerdings habe sich die sicherheitspolitische Lage seit Ende des Kalten Krieges dramatisch verändert. "Diejenigen Länder, die jetzt eher im Fokus stehen, unter den amerikanischen Schutz zu fallen, sind Länder des asiatisch-pazifischen Raumes", so Thränert. Die politische Entwicklung Nordkoreas sei gerade jetzt, zur Zeit des Machtwechsels von Kim Jong-Il zu Kim Jong-Un, kaum einzuschätzen. Beinahe noch mehr Sorgen bereitet den USA aber Nordkoreas nördlicher Nachbar China.


China im Visier

Philippinischer Militärstützpunkt auf einer der Spratley-Inseln im Südchinesischen Meer (Foto:dpa)
Klein, aber strategisch bedeutsam: die Spratley-Inseln im Südchinesischen MeerBild: picture-alliance/dpa

Denn auch wenn es in Washington niemand so recht aussprechen will, zielt die neue US-Militärstrategie vor allem auf China. Peking hat in den vergangenen Jahren vor allem seine Marine massiv aufgerüstet. China besitzt mittlerweile eine moderne U-Boot-Flotte, baut eigene Flugzeugträger und Tarnkappenbomber und soll Präzisionsraketen mit einer Reichweite von 1.700 Kilometern entwickelt haben. Viele dieser Raketen stationiert Peking an der Straße von Taiwan. Die Republik Taiwan ist zwar der engste Verbündeten der USA in der Region, wird aber von China noch immer als abtrünnige Provinz betrachtet. "In Washington", erklärt SWP-Experte Thränert, "ist die Sorge groß, dass China den Amerikanern zukünftig die Möglichkeit nimmt, mit ihren eigenen Flugzeugträgergruppen in die Straße von Taiwan einzufahren," um den Inselstaat zu verteidigen.

Doch Taiwan ist mittlerweile längst nicht mehr der einzige Brennpunkt in Ostasien. Zwischen China und Japan schwelt bereits seit Jahren ein Konflikt um große Öl- und Gasvorkommen im Ostchinesischen Meer. Weiter südlich streitet sich China gleich mit mehreren Nachbarstaaten um die Herrschaft über die kleine, aber strategisch bedeutsame Inselgruppe der Spratleys im Südchinesischen Meer. Auch hier werden große Rohstoffvorkommen vermutet. Neben China haben auch Taiwan, Vietnam, die Philippinen, Malaysia und das Sultanat Brunei Ansprüche auf die unbewohnte Inselgruppe angemeldet - und bis auf Brunei haben alle diese Staaten eigene Militärbasen dort eingerichtet.

"Feuerring" um Chinas Küste

Der US-Flugzeugträger "Kitty Hawk" beim Auslaufen aus dem Hafen von Singapur (Foto:ap)
Der US-Flugzeugträger "Kitty Hawk" beim Auslaufen aus dem Hafen von SingapurBild: AP

Die massiven militärischen Anstrengungen Chinas, zu denen nach Einschätzungen Washingtons auch immer mehr Cyber-Attacken gegen die US-Armee gehören, haben die USA schon seit Jahren dazu veranlasst, ihre Aktivitäten im Asien-Pazifik-Raum auszudehnen. Die USA besitzen rund 75.000 Streitkräfte in der Region, außerdem sind die strategischen Partner Washingtons in Asien in den vergangenen Jahren immer wieder mit milliardenschweren Waffenlieferungen versorgt worden. Zuletzt hatte Tokio Ende 2011 für 7 Milliarden US-Dollar amerikanische Kampfjets vom Typ F-35 gekauft. Mittlerweile hat Washington ein Netz aus eigenen Militärbasen und verbündeten Staaten geknüpft, das sich halbmondförmig um die chinesische Küste gelegt hat: Von Japan und Südkorea im Osten über Guam, Taiwan und die Philippinen bis nach Thailand reicht dieser "'Feuerring', den Washington im Konfliktfall auch durchaus zu aktivieren gewillt sei", so Martin Wagener, Leiter der Forschungsgruppe Asien an der Universität Trier.

Ein Konflikt, den keiner beim Namen nennt

Chinas Präsident Hu Jintao und US-Präsident Barack Obama (Foto:ap)
Pflegen einen freundlichen Umgang miteinander: Chinas Präsident Hu Jintao und US-Amtskollege Barack ObamaBild: AP

Dennoch: Im Endeffekt seien weder Washington noch Peking an einer militärischen Eskalation in Ostasien interessiert. "Das Beziehungsgeflecht zwischen den USA und China ist eines, das es so noch nicht gegeben hat", erklärt SWP-Experte Thränert. Denn bei aller militär- und sicherheitspolitischer Rivalität sind die beiden Staaten wirtschaftlich in hohem Maße voneinander abhängig. Zum einen besitzt China große Devisenreserven in US-Dollar, zum anderen ist Peking aber stark davon abhängig, seine Produkte auf dem amerikanischen Markt zu platzieren.

Offiziell hüllen sich daher sowohl Washington als auch Peking über die Pläne der Gegenseite in Schweigen. Washington fahre vielmehr eine Doppelstrategie, so Thränert: Die guten Beziehungen werden betont, gleichzeitig wappne sich Washington aber für den militärischen Konfliktfall. In Peking läuft das Spiel ganz ähnlich. Mit Sorge registrierte zwar die "Global Times", das Sprachrohr der chinesischen Regierung, die Verkündung der neuen US-Strategie. "Die USA müssen begreifen, dass sie den Aufstieg Chinas nicht stoppen können und dass es in ihrem größten Interesse ist, sich China gegenüber freundlich zu verhalten", schrieb das Blatt. Dennoch solle China "einen neuen Kalten Krieg vermeiden" und auf seine wirtschaftliche Stärke setzen. Und dass sich China dieser Stärke bewusst ist, daran lässt das Blatt keinen Zweifel: "Je mehr sich beide Staaten auf den wirtschaftlichen Wettbewerb konzentrieren, umso eher wird sich die Situation zugunsten Chinas entwickeln."

Autor: Thomas Latschan (mit dpa, rtr)
Redaktion: Miriam Klaussner