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US-Sonderweg zur Gerechtigkeit

Klaudia Prevezanos7. September 2002

Die Vereinigten Staaten wollen den Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkennen. Ihre Bedenken sind für Völkerrechtler nicht nachvollziehbar. Nun muss ein Kompromiss her.

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Soll für Gerechtigkeit sorgen: Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag

"Wir hoffen, dass der Internationale Strafgerichtshof künftige Kriegsverbrecher abschreckt und uns dem Tag näher bringt, an dem kein Herrscher, kein Staat, keine Junta und keine Armee der Welt mehr Menschenrechte ungestraft verletzen kann." Große Wünsche des UNO-Generalsekretärs Kofi Annan. Doch seit das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes (International Criminal Court - ICC) im Juli 2002 in Kraft trat, wird dessen Zuständigkeit von den Vereinigten Staaten in Frage gestellt.

Sie wollen den Den Haager Gerichtshof nicht anerkennen, weil sie fürchten, US-Bürger könnten Opfer politischer Verfahren werden. Statt dessen sind die USA zur Politik der kleinen Schritte übergegangen und führen mit zahlreichen Einzelstaaten Verhandlungen über bilaterale Abkommen. Sie sollen verhindern, dass die Vertragspartner Amerikaner an den ICC ausliefern.

Die Gespräche über die Abkommen führen die USA im Stillen, aber beharrlich. Bislang hat US-Präsident George W. Bush es auch seinem zweiten Mann, Außenminister Colin Powell, überlassen, sich zum ICC zu äußern. Die Taktik hatte schon einigen Erfolg. Mit Israel, Osttimor, Tadschikistan und Rumänien sind bereits Abkommen vereinbart worden. Auch Argentinien und Kolumbien wollen sich nun darauf einlassen. "Das Vorgehen der USA ist in diesem Falle klug", sagt auch Georg Nolte, Professor am Institut für Völkerrecht der Universität Göttingen, im Gespräch mit DW-WORLD. Denn: "Wenn die Vereinigten Staaten mit öffentlichem Druck auftreten würden, hätte das einen noch größeren Solidarisierungseffekt der anderen Staaten zur Folge."

US-Bedenken schwer verständlich

Die amerikanischen Bedenken gegen den Den Haager Gerichtshof sind für Völkerrechtler hingegen nur schwer nachvollziehbar. Denn der ICC wäre erst dann für Kriegsverbrechen eines Amerikaners zuständig, wenn US-Gerichte nicht Willens oder in der Lage sind, einen Prozess zu führen. Die Befürchtung hingegen, ein US-Bürger könnte in einem anderen Land ohne faires Verfahren angeklagt werden, ist zwar berechtigt, hat aber mit dem ICC nichts zutun. "Dass ein Land jemanden vor Gericht bringen kann, der im eigenen Staatsgebiet ein Verbrechen gegangen haben soll, war schon vor Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofes so", sagt Völkerrechtler Nolte. Dies lässt sich auch durch bilaterale Abkommen nicht verhindern. Und das, so Nolte, wissen die USA auch.

Dass ein Staat statt dessen US-Bürger nach Den Haag ausliefert, um den Gerichtshof für einen politischen Prozess zu nutzen, ist nach Meinung Noltes zwar möglich. Der Jurist hält das jedoch für reine Theorie: "Die an den ICC berufenen Richter sind notwendig international anerkannte Experten, weil sie von einer Mehrheit von Staaten gewählt werden. Die würden so etwas nicht mit sich machen lassen." Das eigentliche Problem der Vereinigten Staaten sei hingegen, dass jemand anderes als ein US-Gericht prüft, ob Amerikaner ein Kriegsverbrechen begangen haben sollen. "Das sind die USA nicht gewohnt", sagt Nolte im Gespräch mit DW-WORLD. Für die Europäer ist das hingegen nichts Neues: Hier sind schon lange Europäische Gerichtshöfe zuständig.

EU-Rechtsexperten suchen Kompromiss

Ob die Bush-Regierung mit ihren Verhandlungen hinter den Kulissen weiteren Erfolg haben wird, ist ungewiss. Länder, die der EU beitreten wollen, sind in einer ungemütlichen Lage. Die Europäische Union setzt sich stark für die Anerkennung des ICC ein und mit Brüssel will man es sich nicht verderben. Andererseits können es sich kleine Staaten auch nicht erlauben, die letzte verbliebene Supermacht zu verärgern. Beim EU-Außenministertreffen im dänischen Helsingör hat sogar der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi gesagt, seine Regierung neige dazu, das gewünschte Abkommen zu unterschreiben.

Am vergangenen Mittwoch (4. September 2002) kamen nun in Brüssel die Rechtsexperten der EU-Staaten zusammen, um über einen Kompromiss mit den USA zu beraten. Bis zum Außenministertreffen am 30. September sollen sie eine gemeinsame Position der Europäer zu den US-Sonderwünschen erarbeiten. "Entscheidend wird sein, dass es eine einheitliche Stellungnahme gibt", sagt Völkerrechtler Nolte dazu.

Die Position der Amerikaner würde sich hingegen noch stärken, wenn sie bis dahin weitere Abkommen treffen könnten. Immerhin gibt es noch andere Staaten, die den Strafgerichtshof ablehnen. Doch an Vereinbarungen mit China, Syrien oder dem Iran dürfte den USA nicht viel liegen.