1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

USA stehen vor riesigem Schuldenberg

21. Mai 2010

Griechenland vor dem Bankrott, Milliarden-Finanzspritzen, riesige Staatsverschuldung: Droht Europa eine Inflation? Die USA beobachten die Situation kritisch. Dabei ist auch dort die Haushaltslage alles andere als rosig.

https://p.dw.com/p/NTWj
Fallende Dollarscheine (Foto: ap)
Viel Geld: Die USA haben 13 Billionen US-Dollar SchuldenBild: ullstein bild - CARO/Hoffmann

Ben Bernanke, Chef der US-Notenbank, läutete wieder einmal die Alarmglocke. "Selbst wenn die Wirtschaftslage und der Finanzmarkt sich wieder normalisieren, scheint der Bundeshaushalt auf einem unhaltbaren Kurs zu sein", erklärte er bei einer Anhörung in Washington. "Wenn nicht weitere politische Maßnahmen ergriffen werden…"

US-Notenbankchef Ben Bernanke
US-Notenbankchef Ben BernankeBild: AP

Denn das amerikanische Haushaltsloch hat enorme Ausmaße, und vor allem: Es wächst ständig weiter. Auf fast 13 Billionen US-Dollar beläuft sich die öffentliche Staatsverschuldung derzeit. Das heißt, der Staat steht bei jedem US-Bürger, vom Baby bis zum Greis, mit mehr als 40.000 Dollar in der Kreide. Das Problem: Allein die Zinsen für diese Schulden sind mittlerweile so hoch, dass sie selbst durch ein gesundes Wirtschaftswachstum nicht wettzumachen sind. Der Staat wird in den nächsten Jahren immer tiefer in die roten Zahlen rutschen. Vorsorglich hat die US-Regierung die Schuldenobergrenze im Februar auf 14,3 Billionen Dollar angehoben.

Drohende Sparmaßnahmen

Als Ursachen für die steigenden Kosten identifizierte der Notenbank-Chef die steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen und eine immer älter werdende Bevölkerung. Unbequeme Entscheidungen stünden also an: "Der Kongress, die Regierung und die amerikanische Bevölkerung müssen entscheiden, ob und welche staatlichen Leistungen wie die Kranken- oder die Sozialversicherung sie modifizieren", sagte Bernanke. "Ob sie öffentliche Ausgaben in anderen Bereichen beschränken oder ob sie höhere Steuern zahlen wollen - oder eine Kombination von all dem."

Denn die jüngst von US-Präsident Obama in Kraft gesetzte Gesundheitsreform reicht bei weitem nicht aus, der steigenden Kosten im Gesundheitswesen Herr zu werden. Das Gesetz hat durch den mühsamen Weg durch den Kongress viel von seiner potentiellen Einsparkraft verloren. Und Obama selbst hatte wiederum versprochen, Familien mit einem Einkommen unter 250.000 Dollar keine Steuererhöhung zuzumuten.

Kommission soll Vorschläge machen

Robert Shapiro ist informeller Berater der Obama-Regierung (Foto: ap)
Robert Shapiro ist informeller Berater der Obama-RegierungBild: privat

Noch schreckt man also vor drastischen Maßnahmen zurück, auch wenn dadurch die Rechnung langfristig höher ausfällt. Immerhin: Der Präsident setzte eine Kommission ein, die Vorschläge für eine verantwortliche Steuerpolitik machen soll. Sie besteht aus 18 Mitgliedern beider Parteien und soll zum 1. Dezember Bericht erstatten.

Dass sie einen Plan erarbeitet, der gleich vom Kongress verabschiedet wird, sei aber nicht zu erwarten, sagt Robert Shapiro, informeller Wirtschaftsberater des Präsidenten. "Die Kommission hat die Ausgabe, eine öffentliche Diskussion in Gang zu setzen, und zwar in einem geschützten Raum: Sie ist überparteilich, weder dem Präsidenten noch dem Kongress zu geordnet. So kann sie viele Ideen zur Debatte stellen, ohne gleich von der gegnerischen Partei angegriffen zu werden."

Schulden: 50 Prozent des BIP

Shapiro sieht die Situation in den USA noch nicht so dramatisch. Um die Schulden müsse man sich kurzfristig keine Sorgen machen. "Unsere Schulden entsprechen etwa 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts", so der Wirtschaftsberater. "Selbst, wenn man die Schulden unserer eigenen Regierungsinstitutionen wie der Notenbank und die Sozialversicherungsfonds mit einbezieht, sind es erst 60 Prozent. Dem kann die US-Wirtschaft gut Rechnung tragen."

Es gebe eine allgemeine Zuversicht, dass die amerikanische Wirtschaft produktiver sei als die in Europa, Frankreich eventuell ausgenommen. Außerdem seien die USA der wichtigste Kapitalmarkt der Welt. "Immer, wenn es Probleme gibt mit dem Yen oder dem Euro, fließt Geld in die USA", so Shapiro. "Außerdem hat der Dollar einen Wert, den keine andere Währung hat: Er ist die Leitwährung. Auf den Dollar kann man sich immer verlassen." Vor allem jetzt, da der Euro schwächer werde.

Börse Wall Street (Foto: ap)
Die Folgen der Finanzkrise 2008 sind immer noch spürbar. Droht als nächstes eine Inflation?Bild: AP

Keine Angst vor Inflation

Und vor einer Inflation brauche sich niemand zu fürchten, sagt der ehemalige Wirtschaftsstaatssekretär der Clinton-Regierung. Die Geldmenge sei schon seit geraumer Zeit erhöht worden, ohne dass es zu einer Geldentwertung gekommen sei. Es gebe Faktoren, die dies verhindert hätten, vor allem die Globalisierung. Sie habe den Wettbewerb gesteigert. Dadurch seien weltweit hunderttausende neue Firmen entstanden, die durch den technologischen Fortschritt zu mehr Effizienz gezwungen wurden. "Dieser Wettbewerb hat der Inflation entgegen gewirkt, jedenfalls in den klassischen Märkten", sagt Shapiro. "Die Inflation wurde auf die Kapitalmärkte umgeleitet - und so bildeten sich übrigens auch die Blasen"

Auch die finanzpolitischen Maßnahmen, die Staaten wie Griechenland aber auch Italien, Spanien und Irland jetzt ergreifen müssen, würden einer Inflation entgegenwirken, ist er überzeugt.

Neue Finanzkrise nicht verkraftbar

Schild Wall Street (Foto: ap)
Noch eine Finanzkrise wie 2008 würden die Märkte weltweit nicht aushaltenBild: AP

Dennoch: Die Folgen der enormen Staatsausgaben, die zur Rettung der Finanzinstitute und zur Ankurbelung der Wirtschaft notwendig waren, sowie die hohen Sozialausgaben machen eine Änderung der staatlichen US-Ausgabenpolitik notwendig. Wenn eine Debatte darüber in diesem Jahr starte, so Shapiro, könnte sie im Präsidentschaftswahljahr 2012 eine wichtige Rolle spielen. Wenn dann ein nationaler Kompromiss über nötige Maßnahmen gefunden werde, könnten diese Maßnahmen 2013 umgesetzt werden. "Das ist immer noch rechtzeitig. Vorausgesetzt, es gibt nicht noch eine weitere Finanzkrise."

Denn noch einmal, so der Wirtschaftsexperte, könnten die Staaten den massiven Rettungsakt nicht finanzieren. Weitere Finanzinstitute würden bankrott gehen und die nächste Rezession wäre vorprogrammiert. Aber davon will in den USA derzeit niemand ausgehen. Fest steht aber, und das gibt auch Shapiro zu: Langfristig können sich auch die USA die hohen Schuldenberge nicht leisten.

Autorin: Christina Bergmann

Redaktion: Anna Kuhn-Osius