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Visa-Blockade in den USA geht nach hinten los

Sabrina Keßler New York
27. Juli 2020

Tausende deutsche Firmen in den USA bangen um ihr Geschäft. Weil US-Präsident Trump die Vergabe neuer Visa bis Jahresende blockiert, muss dringend benötigtes Fachpersonal draußen bleiben. Aber hilft es den Amerikanern?

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Symbolbild zu strengen Einreisekontrollen in die USA
Bild: picture alliance/dpa/blickwinkel/McPHOTO

Stefan Heffner hat sich das alles irgendwie anders vorgestellt. Eigentlich sollte er das Geschäft des deutschen Medizintechnikanbieters Richard Wolf in den USA vorantreiben. Vor eineinhalb Jahren zog er dafür extra nach Chicago. Dieses Jahr wollte Heffner endlich die Umsatzgrenze von 100 Millionen Dollar knacken. Doch das Corona-Virus hat ihm die Geschäfte verhagelt. Bis zu 60 Prozent ist der Umsatz des Mittelständlers, der sich auf endoskopische Geräte spezialisiert hat, zwischenzeitlich eingebrochen. "So viel können wir gar nicht aufholen", sagt der 39-Jährige.

Das Corona-Virus ist längst nicht Heffners einziges Problem. Wie viele andere deutsche Unternehmen auch kämpft seine Firma mit den neuen Visa-Beschränkungen der US-Regierung. Weil Millionen Amerikaner in der Krise ihren Job verloren haben, will US-Präsident Trump den heimischen Arbeitsmarkt vor Zuwanderern und Ausländern schützen. Bis Ende des Jahres werden deshalb keine sogenannten H1B- und L-Visa, die vor allem für Spezialisten gedacht sind, ausgestellt. 500.000 Jobs will Trump damit für amerikanische Arbeitnehmer sichern. Firmen wie Wolf allerdings, die auf ausländische Fachkräfte angewiesen sind, stellt das Visa-Vergabe-Verbot vor große Herausforderungen.

Zum Beispiel Mechatroniker

Vor allem deutsche Tochtergesellschaften kämpfen derzeit mit dem Mangel an Spezialwissen. 4800 von ihnen sind derzeit in den USA ansässig. Mit 770.000 geschaffenen Stellen gelten sie als drittgrößter ausländischer Arbeitgeber. Tausende Spezialisten, die Produktion und Betrieb unterstützen, werden zusätzlich jedes Jahr eingeflogen. Autokonzerne wie Volkswagen oder Daimler etwa brauchen die externen Fachkräfte allein schon deshalb, weil es Ausbildungsberufe wie den Mechatroniker in den USA gar nicht gibt.

BMW ist ein großer Arbeitgeber in den USA - hier das Werk in Spartanburg (South Carolina)
BMW ist ein großer Arbeitgeber in den USA - hier das Werk in Spartanburg (South Carolina) Bild: BMW AG

Für die Firma Groninger in Charlotte im Bundessaat North Carolina bedeutet Trumps Visa-Stopp, dass Projekte in ihrer Bearbeitung erschwert werden . "Viele Tätigkeiten sind so komplex, dass wir nicht ohne unsere deutschen Fachkräfte auskommen", sagte US-Chef Heiner Dornburg vor Kurzem bei einer Online-Konferenz der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Washington. Normalerweise baut das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Crailsheim Sondermaschinen für die Fertigungsanlagen großer US-Pharma- und Kosmetikhersteller. Für die Installationen vor Ort sind fast immer deutsche Spezialisten nötig.

"Das wird ein schwieriges Jahr"

Auch das Stahlunternehmen Bestar in Georgia und der Mechatronikkonzern Wittenstein in Illinois sind auf Techniker aus Deutschland angewiesen. Sie müssen nun monatelang ohne die Expertise aus Deutschland auskommen. Ähnlich geht es Stefan Heffner, den der Visa-Stopp zunehmend unter Druck setzt. Den Chef der Medizintechnik-Firma Wolf trifft die Corona-Krise gleich doppelt.

Auf der einen Seite, sagt Heffner, leide der Umsatz, weil minimalinvasive Geräte in den USA derzeit kaum nachgefragt würden. Zu Gunsten der Behandlung von Corona-Patienten würden planbare Eingriffe wie Gallenstein-Operationen dort nämlich seit Monaten verschoben. Auf der anderen Seite könne er die Produktion seiner Firma nicht wie geplant von Deutschland in die USA verlagern. "Für uns wird das definitiv ein schwieriges Jahr", sagt er.

Heffners Expansionsmission kommt damit vorerst zum Stillstand. Weil die Vereinigten Staaten der weltweit größte Markt für Medizintechnik sind, wollte sein Unternehmen einen Großteil der Fertigung von Baden-Württemberg nach Chicago verlegen. Extra dafür wurde in den Standort und die Mitarbeiter investiert. Weil allerdings kaum ein Anwärter derzeit eine US-Arbeitserlaubnis bewilligt bekommt, sieht der Manager für dieses Jahr schwarz. "Ich kann einfach keine Fachkräfte einfliegen, die uns hier unterstützen und trainieren", sagt Heffner.

Hilde Holland hört solche Geschichten inzwischen täglich. Seit 25 Jahren lebt und arbeitet die Anwältin, die auch im Vorstand der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer sitzt, in New York City. Noch nie war die Lage für Visa-Anwärter so schlecht wie jetzt, sagt sie. "Für Unternehmen ist das eine absolute Katastrophe."

"Reine Wahl-Propaganda"

Praktisch alle Visa-Anträge würden derzeit abgelehnt, selbst Notfall-Visa kaum bewilligt. Und längst seien es nicht mehr nur H1B- und L-Visa, die betroffen sind, weiß die Expertin. Weil de facto alle deutschen Konsulate geschlossen sind, sei nicht mal mehr der Antrag eines Investoren-Visums oder einer Greencard möglich. Ein durchschaubarer Schachzug von Präsident Trump, der politisch motiviert sei: "Das ist reine Wahl-Propaganda", sagt Holland.

Dass die Unternehmen stattdessen massenhaft US-Amerikaner einstellen, bezweifelt sie. "Das ist doch eine Milchmädchenrechnung", sagt die Anwältin, die glaubt, dass die Stellen im Zweifel eher unbesetzt blieben. Gerade hochrangige Führungspositionen, für die es Experten mit langjähriger Erfahrung beim Mutterkonzern in Deutschland brauche, würden nicht einfach mit einem Amerikaner besetzt. "Im Zweifel schalten die Unternehmen ihre Manager einfach per Video-Call dazu." 

Heffner hingegen würde ja Amerikaner einstellen, allerdings müsste dafür der Ausbau des Standorts in Chicago vorankommen. "Wir möchten ja hier produzieren und Arbeitsplätze schaffen und zwar nicht nur für uns, sondern auch für die umliegenden Unternehmen, die uns zuliefern", sagt der Manager. Weil der Produktionstransfer durch den Visa-Stopp allerdings nicht möglich sei, könnten auch keine neuen Stellen geschaffen werden. Einigen Mitarbeitern musste er Anfang Juli sogar kündigen, weil die Abteilung derzeit einfach keinen Gewinn abwerfe.

Mit Fortschritten in Sachen Visa-Vergabe rechnet Heffner erst im kommenden Jahr. Bis dahin muss er sich von seinen Umsatzzielen verabschieden. Wenigstens im Kampf gegen Corona kann er sich möglicherweise bald engagieren. Die minimalinvasiven Geräte von Richard Wolf könnten schon bald nicht mehr nur bei Gallensteinen- und Blinddarm-Operationen Einsatz finden, sondern auch in der Langzeittherapie von Corona-Patienten, die durch das Virus Schäden in der Lunge erlitten haben.