1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Usbekistan: Haftstrafen enden häufig tödlich

9. August 2007

Usbekische Menschenrechtler sind alarmiert: Immer häufiger verlassen Häftlinge das Gefängnis nur noch als Leiche – gestorben an chronischen Krankheiten oder den Folgen von Folterungen

https://p.dw.com/p/BSZ8
Auch Gläubige werden Opfer im Kampf gegen TerrorBild: AP

Die eigenen Verwandten haben ihn nicht mehr erkannt: das Gesicht entstellt, der Schädel zertrümmert – so erreichte der Leichnam des 39-jährigen Inomschon Jakubow seine Familie. Jakubow war in einer Haftanstalt im Süden des Landes gestorben. Nicht an der Tuberkulose, unter der er litt, sondern an den Folgen der Folter im Gefängnis – davon sind Angehörige und Menschenrechtler überzeugt. Zu 18 Jahren Haft war er 1998 verurteilt worden – wegen angeblicher Mitgliedschaft in der Partei Hizb-ut-Tahrir, die als Terrororganisation gilt.

Folter von Anfang an

Fälle wie diese alarmieren die Menschenrechtler in Usbekistan: Immer wieder verlassen Häftlinge das Gefängnis nur noch als Leiche – gestorben an chronischen Krankheiten oder an den Folgen der Folter. Die Misshandlung von Gefangenen im usbekischen Strafvollzug sei leider übliche Praxis und beginne häufig direkt nach der Verurteilung, sagt Talib Jakubow, Vorsitzende der Gesellschaft für Menschenrechte Usbekistans: „Die Verurteilten werden schon ganz am Anfang der Folter unterzogen. Sie müssen einen so genannten ‚lebendigen Korridor‘ aus Menschen mit Schlagstöcken passieren, wo sie geschlagen werden, auf den Kopf, egal wohin... Manch einer bricht schon dort zusammen, ohne die Vollzugsanstalt überhaupt erreicht zu haben. Es ist ein Gewaltregime. Diese Anstalten haben keine erzieherische Funktion. Ihr Ziel ist, die Menschen zu brechen, damit sie die Anstalten völlig verändert verlassen, furchtsam, ergeben.“

Massive Überbelegung

Wenn sie das Gefängnis überhaupt lebend verlassen. Die Überlebenschancen einer langen Haftstrafe sind nicht sehr groß. Viele Häftlinge leiden an ansteckenden Krankheiten wie Tuberkulose, werden jedoch nicht medizinisch behandelt. Päckchen von Verwandten mit Lebensmitteln oder anderen Geschenken erreichen die Gefangenen häufig nicht – sie werden von den Wärtern abgefangen und verkauft. Für Besuche erpressen sie von den Angehörigen Geld. Usbekische Gefängnisse sind gefürchtet wegen der unmenschlichen Haftbedingungen. So berichtet Menschenrechtler Talib Jakubow von einer Haftanstalt in Karschi, im Süden des Landes: „Dort herrschen schreckliche Bedingungen – eine massive Überbelegung um das Drei- bis Vierfache. Die Anstalt ist auf 1200 Häftlingen angelegt, aber die Zahl der Häftlinge liegt heute bei etwa 5000. Die Betten sind üblicherweise doppelstöckig, aber dort werden bereits vierstöckige aufgestellt.”

Schuldeingeständnis aus Verzweiflung

Immer mehr Usbeken landen in Gefängnissen – meist unter dem Vorwurf politischen oder religiösen Extremismus. Unter dem Vorwand des Anti-Terror-Kampfes gehen die Sicherheitskräfte streng gegen alle vor, die auch nur entfernt verdächtig sind. Lange Haftstrafen von mehr als 15 Jahren sind keine Seltenheit. Kann den Angeklagten keine Schuld nachgewiesen werden, erpressen die Sicherheitskräfte Geständnisse auch unter Folter – mit einem bestimmten Ziel, erklärt Menschenrechtler Jakubow: „Man möchte erreichen, dass die Häftlinge aus Verzweiflung ein Gnadengesuch an den Präsidenten richten. Für die Staatsmacht ist dies sehr wichtig. Diese Ersuchen, in denen angebliche Terroristen ein Geständnis ablegen, kann die Staatsmacht dann internationalen Organisationen vorlegen, obwohl es sich in Wirklichkeit nicht um Terroristen handelt.”

Internationale Menschenrechtsorganisationen blicken schon lange mit Sorge nach Usbekistan. Zwar ist das Land inzwischen zu einem so genannten “Menschenrechtsdialog” mit dem Westen bereit – doch Appelle und auch Sanktionen wie Einreiseverbote und ein Waffenembargo blieben bisher ergebnislos. Der usbekische Menschenrechtler Jakubow ist überzeugt: Die Zustände im Strafvollzug können nur von der höchsten politischen Ebene aus bekämpft werden. Der Folter ein Ende setzen könne nur das Staatsoberhaupt selbst, Präsident Islam Karimow.

Daria Bryantseva

DW-RADIO/Zentralasien, 3.8.2007, Fokus Ost-Südost