1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Usbekistan: Trauer um ermordeten Theaterregisseur

13. September 2007

In Taschkent ist der bekannte Theaterintendant Mark Weil ermordet worden. Mit seiner unabhängigen Theatertruppe "Ilkhom" war er häufig zu Gast bei Festivals in aller Welt. Ein Nachruf auf einen provokativen Künstler.

https://p.dw.com/p/BfXu
Mark WeilBild: Ilkhom

Mark Weil war kein politischer Dissident, aber ein künstlerischer mit Sicherheit. 1952 wurde er in Usbekistans Hauptstadt Taschkent geboren, und dort ist er aufgewachsen. 1976 gründete er hier das Theater "Ilkhom", das erste vom Staat absolut unabhängige Theater in der Sowjetunion. Die Entfernung zum Kreml erlaubte "Ilkhom" in Taschkent Stücke auf die Bühne zu bringen, die man in Moskau zu Breschnjews Zeiten nicht einmal erwähnen durfte. Und auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion blieb das Theater von Mark Weil provokativ, auch unter dem herrschenden totalitären Regime von Präsident Islam Karimow.

Tabuthemen aufgegriffen

"Mir gefällt es, wenn einige Leute sagen, das "Ilkhom" sei wie ein kleiner unabhängiger Staat. Im künstlerischen Sinne freilich, nicht im politischen. So ein kleiner Künstler - Vatikan!", erklärte Mark Weil im Interview mit DW-RADIO am Rande seines letzten Gastspiels in Deutschland. Bei den "Theaterformen" in Hannover im Sommer 2007 präsentierte er mit seinem kleinen Künstler-Vatikan das Stück "Weißer, weißer, schwarzer Storch". In dem Stück geht um die Liebe zwischen zwei Männern zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Usbekistan. In einer Koranschule verliebt sich ein Junge in seinen Mitschüler. Seine Eltern dulden diese Liebe nicht, arrangieren eine Zwangsheirat mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft, es kommt zur Tragödie.

Das Publikum in Hannover hat das Stück beeindruckt und begeistert aufgenommen. Aus usbekischer Sicht begingen der Regisseur Mark Weil und sein "Ilkhom"-Theater mit "Weißer, weißer, schwarzer Storch" dagegen einen doppelten Tabubruch: Denn in dem moslemisch geprägten Land an der Grenze zu Afghanistan ist Homosexualität nicht nur gesellschaftlich geächtet, sie ist auch bis heute gesetzlich verboten: Bis zu drei Jahren Haft sieht das Strafgesetzbuch für Männerliebe vor.

Unbequeme Persönlichkeit

Einige in Taschkent vermuten deshalb, dass das Aufgreifen dieses Liebesthemas dem Regisseur Mark Weil zum Verhängnis wurde. Andere glauben, die große Politik und Machtkämpfe seien im Spiel gewesen. Sicher ist: Eine so vielseitige, talentierte, unerschrockene und in intellektuellen Kreisen sehr geschätzte Persönlichkeit wie Mark Weil war für viele in Usbekistan einfach unbequem.

Ob der Mord an ihm aufgeklärt wird, ist mehr als fraglich. Denn wer braucht schon Wahrheit im international isolierten Usbekistan - einem Land, wo politische Gefangene gefoltert und friedliche Demonstranten erschossen werden? Mark Weil hat bis zuletzt trotz allem an seine Heimat geglaubt, vor allem an "seine Stadt" Taschkent. Er meinte: "Ob wir es wollen oder nicht, Taschkent bleibt eine der bedeutendsten Städte im postsowjetischen Raum! Und wenn Usbekistan sich weiter isolieren möchte, so will "Ilkhom" das bestimmt nicht…

Und so fuhr das "Ilkhom"-Theater regelmäßig zu Gastspielen - nach Deutschland, Japan, Israel, Österreich und in die USA. Mit dem britischen Theater "Blow up" zusammen wurde ein gemeinsames Stück erarbeitet - "Ludmila’s broken English" - das in London und in Taschkent gespielt wird.

Ausgerechnet am Abend vor Beginn der neuen Theatersaison wurde Mark Weil ermordet. Seine letzten Worte waren: "Ich werde die neue Spielzeit morgen eröffnen, egal was kommt…" Seine Schauspieler haben das für ihn in die Tat umgesetzt. Am vergangenen Freitag (7.9.) spielten sie wie geplant die "Orestie" von Aischylos. Am 12. September hat sich das Theater mit einer Trauerfeier von seinem Intendanten verabschiedet.

Daria Bryantseva
DW-RADIO/Zentralasien, 10.9.2007, Fokus Ost-Südost