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Kunst

Vagina-Museum in London eröffnet

Courtney Tenz woy
16. November 2019

Trotz Informationszeitalter sind viele hinsichtlich der weiblichen Geschlechtsorgane schlecht aufgeklärt. Das Vagina-Museum in London will dem entgegenwirken.

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Weiße Tasse mit schwarzer Aufschrift "Vagina Museum" und Illustrationen von Vaginas (Foto: Angus Young).
Bild: Angus Young

Es gibt wohl kaum einen anderen Köperteil, der derart oft missverstanden wird, wie die Vagina. Oder, genauer gesagt, die Vulva. Das mag vielleicht schon am Sprachgebrauch liegen. Laut der britischen Forschungsorganisation Eve Appeal gaben 65 Prozent der befragten Frauen an, dass sie ein Problem mit den Worten "Vulva", der sichtbare Teil, und "Vagina", die Verbindung zwischen dem sichtbaren Teil und den inneren Geschlechtsorganen, haben. 40 Prozent der Frauen im Alter von 16 bis 25 Jahren gaben an, über ihr Geschlechtsorgan nur kodiert zu sprechen, beispielsweise von "da unten".

Sicherlich machen es Euphemismen manchmal leichter, anatomisch komplexe Zusammenhänge zu umschreiben. In diesem Fall handelt es sich jedoch um eine Unfähigkeit, offen über den weiblichen Körper zu sprechen. Es geht nicht um Diskretion. Vielmehr besteht ein eklatantes Unwissen bezüglich des weiblichen Körpers - und damit über die Hälfte der Weltbevölkerung. Auf einer Abbildung konnte laut der Eve Appeal-Umfrage nur die Hälfte der unter 35-jährigen Frauen die Vagina korrekt identifizieren und beschriften.

Florence Schechter mit Brille hält eine gehäkelte Vulva in die Kamera. (Foto: Nicole Rixon 2019).
Florence Schechter hat das Vagina-Museum gegründet und ermutigt, offen über die Vagina und Vulva zu sprechenBild: Nicole Rixon 2019

Doch mittlerweile häufen sich die Wissenschafts- und Sexualpädagogen, die neue Wege gehen, um das Bewusstsein über Gynäkologie zu schärfen. Auf die bisher kulturell bedingte Zurückhaltung antworten sie auf eine lehrreiche und unterhaltsame Weise mit klaren Fakten.

Fehlinformationen aus Medien und Werbung

Zu den Pädagogen, die kein Blatt vor den Mund nehmen, gehört die weltweit bekannte Gynäkologin und New York Times-Kolumnistin Dr. Jen Gunter. Die mediengewandte Kanadierin veröffentlichte kürzlich in den USA, Kanada und Großbritannien die "Vagina-Bibel" ("The Vagina Bible: The Vulva and Vagina: Separating the Mythos from the Medicine"), die deutsche Übersetzung soll im Frühjahr 2020 folgen. Besonders auf Twitter machte sie sich als Aufklärerin - sowohl aus Sicht einer Frauenärztin, als auch mit ihren persönlichen Geburtserfahrungen - einen Namen.

Gunters Aufklärungsarbeit stellt ein Gegengewicht zu einem Mainstream dar, der den Frauenkörper in Zeiten unzureichender Sexualerziehung für junge Menschen ungenau oder falsch darstellt. Dazu gehören etwa Vermarktungen von Vagina-Dampfbädern oder die Verwendung von Jade-Eiern, wie es in dem Online-Shop "Goop" der Schauspielerin Gwyneth Paltrow angeboten wurde. Jen Gunter setzt diesen Mythen und Produkten genaue Informationen entgegen, weil sie glaubt, dass Frauen ansonsten keine Entscheidungen über ihren eigenen Körper treffen können.

Museum bricht mit Tabus

Auf diese Informationsarbeit baut jetzt auch das neu eröffnete Vagina-Museum in London auf, ansässig in einem ehemaligen Ziegel- und Mörtelgeschäft im Szeneviertel Camden Market. Mit der Eröffnungsausstellung "Muff Busters: Vagina-Mythen und wie man sie bekämpft", möchten die Ausstellungsmacher die Besucher dazu ermutigen, offen über den weiblichen Körper zu sprechen.

Museumsinnenansicht von Regalen mit Büchern und einem Kleiderständer mit T-Shirts des Vagina-Museums in London. (Foto: Angus Young).
Die ehemalige Ziegel- und Mörtelfabrik im Szeneviertel Camden Market wurde zum Vagina-Museum umgebautBild: Angus Young

Dabei geht es nicht um die Vagina oder die Vulva als Sujet der Kunst, auch wenn sie schon seit der Prähistorie dargestellt werden. Das berühmteste Werk, Gustav Courbets berüchtigte Nahansicht "Der Ursprung der Welt", wird wahrscheinlich nie in der roten Ziegelei hängen. Vielmehr soll der einzigartige Raum als Dialog-Forum rund um Frauenrechte dienen und zeigt hierfür eine Reihe von pädagogischen Erklärungsexponaten, die speziell für das Museum angefertigt wurden. Dank einer Crowd-Funding-Kampagne, die weltweit von mehr als 1000 Menschen unterstützt wurde, ist der Eintritt sogar kostenfrei.

Falsche Vorstellungen beseitigen 

Beispiele für das, was "da unten" ist, zeigt unter anderem ein Poster der Künstlerin Charlotte Wilcox. Sie illustrierte, wie vielfältig Vulven aussehen - eine künstlerische Antwort auf die Frage, was "normal" ist.

Zu der neuen Ausstellung gehört auch Aufklärung hinsichtlich weiblicher Hygiene. "Es gibt insbesondere in der Werbung den Mythos, dass Vaginas und Vulven durch die Verwendung maßgeschneiderter Reinigungsprodukte gereinigt werden müssten. Dabei ist die Vagina selbstreinigend", erklärte Florence Schechter, Direktorin des Vagina Museums, in einem Interview mit der Frauenzeitschrift "Elle". "Tätsächlich führen Seifen und Duftprodukte zu einem Ungleichgewicht der Vaginalbakterien und damit zu Infektionen. Sie richten also mehr Schaden als Nutzen an."

Illustration von 16 Vulven von Charlotte Wilcox. (Foto: Angus Young).
Viele Farben und Formen - Poster mit Vulven von Charlotte WilcoxBild: Angus Young

Florence Schechter arbeitet zu populärwissenschaftlichen Themen und organisierte zuvor bereits drei Wechselausstellungen. Diese Erfahrungen nutzte sie nun für die Museumsgründung. Dabei ist es eigentlich mehr als ein reines Vagina-Museum. Vielmehr stellen die Exponate auch Eierstöcke, Gebärmutterhalskrebs und Schwangerschaft vor. Vagina-Museum ist jedoch ein griffiger und weiterhin auch provokanter Titel. Und ein gelungenes Gegenstück zu dem bereits seit 1997 existierenden Penis-Museum in Reykjavik.