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Politik

Varoufakis will (ein bisschen) nach Brüssel

Max Zander
28. April 2019

Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis tritt bei den Europawahlen an. Mit dem Linksbündnis DiEM25 will er die alte Ordnung in Brüssel auf den Kopf stellen. Deutsche Wähler sollen ihm dabei helfen.

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Giannis Varoufakis in Lederjacke
Bild: picture-alliance/dpa/P. Saitas

Yanis Varoufakis ist zurück auf dem politischen Parkett. Auch wenn seine Bühne zunächst ein verwaister Platz vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt ist. Mit rund zwei Dutzend Mitstreitern hat er sich an einem sonnigen Apriltag hier versammelt. Sie machen Wahlkampf. Die Gruppe gehört zu Demokratie in Europa, einer deutschen Kleinpartei. Diese wiederum ist ein Ableger der pan-europäischen Bewegung Democracy in Europe Movement 2025, kurz DiEM25.

Varoufakis ist müde, sagt er. Bis zu den Europawahlen Ende Mai sind es noch mehr als vier Wochen. Seit drei Monaten ist er bereits auf Wahlkampftour. Am Vormittag kam er mit dem Zug aus dem Süden, aus Freiburg, einen Tag später wird er in Hamburg in Deutschlands Norden sein. Der 58-jährige Wirtschaftsprofessor gibt sich lässig in T-Shirt und Jeans. Wenn er über Europa spricht, wird er ernst. Er macht sich Sorgen um die Zukunft, um erstarkenden Rechtspopulismus und fehlende Solidarität. 

"Als überzeugter Europäer protestiere ich gegen das, was die europäischen Institutionen machen. Sie schaffen Unzufriedenheit, und die führt zu politischen Monstern wie Matteo Salvini und der Lega in Italien, der AfD in Deutschland oder der Goldenen Morgenröte in Griechenland." Wenn es so weiterginge, fürchtet Varoufakis, kämen bald Zustände in Europa wie in den 1930er Jahren. Um das zu verhindern, fordert DiEM25 einen radikalen Wandel. Dazu zählt die Partei ein Ende der Sparmaßnahmen, eine aktive Umweltpolitik und mehr Transparenz innerhalb der EU.

Griechenlands Finanzminister Varoufakis in Berlin
Selten einer Meinung: die beiden Finanzminister Wolfgang Schäuble und Yanis Varoufakis 2015 in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Varoufakis selbst war mal eine große Nummer in Europa. 2015 wurde er als Finanzminister Griechenlands ins Kabinett von Ministerpräsident Alexis Tsipras berufen. Zwar blieb er nur gut fünf Monate im Amt, aber er brachte es zu einer gewissen Prominenz: Zum einen mit seinem rebellischen und selbstbewussten Auftreten auf dem Höhepunkt der griechischen Schuldenkrise. Zum anderen, weil er in dieser Zeit immer wieder mit dem damaligen deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble aneinandergeriet, der sich für eine rigide Sparpolitik Griechenlands aussprach.

Politik über Landesgrenzen hinweg

Ausgerechnet in Deutschland setzt sich Yanis Varoufakis nun für ein neues Europa ein, eines, das laut ihm und seinen Mitstreitern demokratischer sein soll als bisher.

Europabewegung 2025 (DiEM25) | Daniela Platsc - Srecko Horvat
Daniela Platsch und Srecko Horvat treten für Demokratie in Europa anBild: picture-alliance/abaca/ANDBZ/T. Monasse

Nach Ansicht seiner Parteikollegin Daniela Platsch wird Demokratie in Europa nicht im Geringsten gelebt: "Demokratie heißt, ein Mensch, eine Stimme. Ein Bankchef in Frankfurt hat so viel Recht mitzusprechen, wie der Mitarbeiter, der sein Büro putzt." Für diese Gerechtigkeit will die 37-jährige Ökonomin auch in Brüssel kämpfen.

European Spring, Europäischer Frühling, nennt sich die pan-europäische Initiative DiEM25. Sie ist ein Zusammenschluss von Europäern über Landesgrenzen hinweg. In sieben Ländern treten Parteien mit einem einheitlichen Wahlprogramm an. Daniela Platsch, die auf Listenplatz zwei von Demokratie in Europa steht, hat neben der deutschen auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Auf Platz drei steht der Philosoph Srecko Horvat. Er ist Kroate. Für den griechischen Ableger MeRa25 führt ein Deutscher die Liste an, in Deutschland tritt Yanis Varoufakis an. Varoufakis sieht das als wichtiges Zeichen, dass es keine Konflikte zwischen dem Norden und Süden Europas gebe.

Allerdings dürfte einer der Hauptgründe für Varoufakis' Kandidatur in Deutschland sein, dass es hierzulande keine Sperrklausel gibt - anders als in seinem Heimatland. Dort ist der ehemalige Finanzminister nach der Schuldenkrise nicht besonders populär. Viele Griechen machen ihn für den Beinahe-Grexit 2015 verantwortlich. Damit gilt die dortige Drei-Prozent-Hürde für ihn als unüberwindbar.

Für eine nachhaltigere Wirtschaft

Innerhalb der Bewegung jedoch gilt Yanis Varoufakis als Hoffnungsträger. Am Abend präsentiert er seinem Publikum das Umweltprogramm, den "European Green New Deal". Mit dem sollen 500 Milliarden Euro jedes Jahr in Ökostrom, Infrastruktur und Innovationen investiert werden, um den Wandel zu einer grünen Wirtschaft voranzutreiben. Bezahlt werden soll das nicht von den EU-Mitgliedsländern, sondern durch Anleihen der Europäischen Investmentbank unterstützt von der EZB.

Griechenland Athen Wahlen Anhänger Syriza
Viele Griechen waren gegen die Sparvorgaben, die vor allem aus Deutschland kamen - Protest 2015 in AthenBild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Rund zweihundert Menschen lauschen Varoufakis in einem kleinen Saal in Frankfurt. Lukasz Droweicke ist einer von ihnen. Der 42-jährige Pole lebt seit einiger Zeit in Deutschland. "Ich glaube, wir haben gemeinsame Ziele, für die wir gemeinsame politische Lösungen suchen müssen", erklärt er. Er ist Mitglied der polnischen Partia Razem, die zur pan-europäischen Bewegung um Varoufakis gehört. Die könne, glaubt Lukasz Droweicke, von der Erfahrung und Popularität eines Yanis Varoufakis nur profitieren.

Rücktritt als Teil der Strategie

Dem Mann der Stunde wird an diesem Abend applaudiert. Die Zuhörer umringen Varoufakis, er macht Fotos mit seinen Fans, signiert Bücher.

In Brüssel wird man ihm sicherlich keinen so herzlichen Empfang bereiten. Aber Varoufakis sieht sich sowieso nicht im Parlament. Sollten die deutschen Wähler ihm ihre Stimme geben, wäre das für ihn ein symbolischer Akt, sagt er. Er werde nach wenigen Monaten als Abgeordneter zurücktreten. Er will vor allem Wahlkampf machen und für ein neues Europa werben, zunächst bei den Wahlen in Griechenland, danach in Frankreich und Italien. Nicht für einen Posten oder Geld, wie er betont. Sondern "weil dieses Europa sich am Abgrund befindet".