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Vassilev: "South Stream zu teuer für Russland"

Nikolai Tsekov/Alexander Andreev 2. Dezember 2014

Der russische Präsident Putin hat das Ende für das umstrittene Pipeline-Projekt South Stream verkündet. Der Grund sind die wirtschaftlichen Probleme Russlands, meint der bulgarische Energie-Experte Ilian Vassilev.

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Wirtschaftsexperte Ilian Vassilev (Foto: BGNES)
Bild: BGNES

DW: Russland hat seine Pläne für den Bau der Erdgasleitung South Stream zur Versorgung Südeuropas aufgegeben. Das Projekt sei durch die Blockadehaltung der EU sinnlos geworden, sagte der russische Präsident Wladimir Putin am Montag in Ankara. Insbesondere wurde Bulgarien als Blockierer an den Pranger gestellt und als Verlierer dargestellt. Es wird aber auch spekuliert, dass die Krise in der Ukraine sowie die gegenwärtigen wirtschaftlichen Probleme Russlands eine wichtige Rolle bei der Entscheidung spielten. Was sind für Sie die wahren Gründe für diesen überraschenden Baustopp?

Iliyan Vassilev: Der wahre Grund für den jetzigen Stopp ist die Wirtschaftslage Russlands und die fallenden Ölpreise. Wegen des Wertverlusts des Rubels ist es mittlerweile unmöglich ein so teureres Projekt wie South Stream zu finanzieren. Gleichzeitig hat Moskau Geld von China für gemeinsame Energieprojekte bekommen und will jetzt seine Investitionsbemühungen in den Projekten "Altai" und "Power of Siberia" konzentrieren. Wichtig sind auch die finanziellen Schwierigkeiten von Gazprom. Die Wahrheit über die tatsächliche Finanzlage Russlands kommt langsam ans Tageslicht - trotz aller geopolitischen Bemühungen des Kreml.

Nach dem Stopp von South Stream würde Bulgarien 400 Millionen Euro Einnahmen jährlich verlieren, behauptet der russische Präsident. Stimmt das?

Das ist sehr verwunderlich. Vor sechs Jahren hat Putin die Einnahmen Bulgariens auf zwei bis drei Milliarden Euro jährlich geschätzt. Es sind alles Phantasiezahlen, denn Gazprom hat Sofia gegenüber keine verbindlichen Zusagen gemacht - weder über Mengen, noch über Preise. Durch den Baustopp werden für Bulgarien keine Verluste entstehen, im Gegenteil. Bislang hat Bulgarien Gaslieferungen aus Russland über eine schon vorhandene Röhre bekommen, für die es nichts zahlen musste. Für die Röhre von South Stream allerdings hätte das Land massive Investitionen tätigen müssen. Bulgarien hat sogar schon einiges investiert.

Röhrenstücke für eine Pipeline werden aufeinander gestapelt (Foto: Petar Petrov/Impact Press Group)
Werden nicht mehr gebraucht: Röhren für die South Stream Pipeline in BulgarienBild: picture alliance/ZUMAPRESS.com

Die EU-Kommission hatte die geplante Leitung South Stream kritisiert, weil das Projekt aus Sicht Brüssels nicht mit EU-Recht vereinbar war und gegen das Dritte EU-Energiepaket verstößt. Nun beklagt Moskau die "europäische Blockadehaltung".

Moskau hat nie geplant, South Stream im Einklang mit den EU-Regeln zu bauen. Gerade deswegen hat Russland erst gar nicht beantragt, dass South Stream aus dem EU-Regelwerk ausgenommen wird. Für die Pipeline Opal, die Landstrecke von North Stream über Deutschland, hat Moskau aber beantragt, geltendes EU-Recht außer Kraft zu setzen. Vor diesem Hintergrund ist es offensichtlich, dass Russland South Stream nur als Druckmittel und nicht als wirtschaftlich sinnvolles Projekt versteht.

Nun wird spekuliert, dass Russland versuchen wird, Bulgarien zu umgehen und eine Pipeline über die Türkei und Griechenland bauen will. Sind solche Pläne realistisch?

Nein, das ist Nonsens. Es ist mehr als naiv zu glauben, dass Gazprom in Griechenland das Dritte EU-Energiepaket wird umgehen können. Darüber hinaus verfügt Griechenland über keine größeren Gasdepots, in denen die gelieferten Mengen aufbewahrt und weitergeleitet werden könnten. Auch die Finanzierung der Adria-Pipeline nach Italien hängt noch in der Luft. Die von Putin und Gazpromchef Alexej Miller genannten Gründe für den Baustopp sind nur vorgeschoben. Das Ziel ist, das abermalige Fiasko eines russischen Großprojekts gegenüber der Öffentlichkeit in Russland zu rechtfertigen. Tatsächlich lagen South Stream von Anfang an falsche wirtschaftliche und politische Kalkulationen zugrunde. Putin fällt es immer sehr schwer, politische Fehleinschätzungen einzugestehen. In solchen Fällen sucht er immer einen Ausweg in Phantasiealternativen, die ihn wieder als starken, weisen und unbesiegbaren Staatsmann aussehen lassen. Genau aus dieser Taktik heraus hat er gestern mit dem Finger auf Bulgarien als den Verlierer und auf Brüssel als den Hauptschuldigen gezeigt - und gleichzeitig die Türkei und Griechenland als Gewinner dargestellt. Der russische Präsident folgt einem alten Muster: Sein Motto ist "teile und herrsche". Er versucht einfach, einzelne Staaten gegeneinander auszuspielen.

Ilian Vassilev ist Energie- und Finanzexperte in Sofia. Von 2000 bis 2006 war er Botschafter Bulgariens in Russland.