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Vatikan und Synodaler Weg: Liebesgrüße aus Rom

21. Juli 2022

Der Vatikan schreibt der katholischen Kirche in Deutschland - und mahnt Laien wie Bischöfe. Ein in vielfacher Hinsicht bemerkenswerter Text.

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Der Petersdom in Rom
Der Petersdom in RomBild: Matteo Nardone/Pacific Press/picture alliance

Aufregung im Sommerloch: Der Vatikan hat sich in einer Erklärung zum Reformprozess des sogenannten Synodalen Weges in Deutschland geäußert. Der Kernsatz der in italienischer und deutscher Sprache veröffentlichten, nur zwölf Zeilen langen Erklärung lautet: "Der 'Synodale Weg' in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten."

Es kommt längst nicht jede Woche vor, dass der Vatikan über seine Kanäle in alle Welt einen Text veröffentlicht, der für einen kleinen Teil der Kirche - und nichts anderes sind die Katholiken in Deutschland aus römischer Sicht - konkrete Weisungen formuliert. Um so bemerkenswerter ist der Absender, beziehungsweise Nicht-Absender des Textes. Denn das ist allein der Vatikanische Presse-Stab. Unter dem Text findet sich kein Name, weder der eines Kurienerzbischofs oder -kardinals noch der von Papst Franziskus.

Es bleibt abzuwarten, wer der Urheber ist

Dass der Papst selbst der Autor oder auch nur der Absender des Schreibens ist, darf getrost bezweifelt werden. Denn in dem Text wird Franziskus zitiert, ein Schreiben des Papstes an die deutschen Katholiken aus dem Herbst 2019. Und - so viel ist gewiss - Franziskus schreibt, wenn er sich selbst zitiert, eher im "ich"-Stil, statt im jetzt verwendeten Duktus: "In diesem Sinne rief der Heilige Vater in seinem Schreiben an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland in Erinnerung (…)." Es bleibt abzuwarten, wer - oder welche Stelle im Vatikan - dem Papst nun das Wort führte.

Frankfurt Katholischer Reformdialog Synodaler Weg
Die jüngste Synodalversammlung im Februar wurde geleitet von Thomas Söding, Vize-Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK); dem Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz; Georg Bätzing; ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp und dem Bischof von Osnabrueck, Franz-Josef Bode (v.l.)Bild: Peter Juelich/epd

Der nun veröffentlichte Text beruht auf der Besorgnis, der Ende 2019 gestartete Synodale Weg in Deutschland könnte Dinge beschließen, die er nicht beschließen darf. Vor einer weltkirchlich abgestimmten Übereinkunft dürften in den Diözesen keine "neuen amtlichen Strukturen oder Lehren" eingeführt werden, die "eine Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft und eine Bedrohung der Einheit der Kirche darstellen würden".

Nur: Bereits die Satzung des Synodalen Weges - alles hat seine deutsche Gründlichkeit - schließt genau das aus, wie der Journalist Felix Neumann, Experte für kirchliche Regelungen und Verfahren bei katholisch.de, auf Twitter rasch betonte. Beschlüsse des Synodalen Weges, heißt es da, "entfalten von sich aus keine Rechtwirkung. Die Vollmacht der Bischofskonferenz und der einzelnen Diözesanbischöfe, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit Rechtsnormen zu erlassen und ihr Lehramt auszuüben, bleibt (…) unberührt."

So spricht aus den zwölf Zeilen schlussendlich ein Gegensatz: Reaktionäre Katholiken in Deutschland stellen den Synodalen Weg gern als Abfall von der katholischen Glaubenslehre dar, der schon jenseits der deutschen Grenzen kaum mehr auf Interesse stoße.

Dagegen spricht aus dem Text eher die Befürchtung, die Ernsthaftigkeit und auch quälende Grundsätzlichkeit der Debatten bei den Beratungen des Synodalen Weges könne Bischöfe und Laien in anderen Ländern mitziehen. Und Rom selbst soll nach dem Fahrplan des Papstes ja erst im Herbst 2023 bei einer weltweiten Synode in Rom über die sogenannte Synodalität und etwaige Reformschritte beraten.

Mehr Irritation als Empörung bei den Adressaten

In Deutschland sorgt der neue kurze Gruß aus Rom eher für Irritationen als für wirkliche Empörung. Die deutschen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) weisen das Vatikan-Papier in einer gemeinsamen Erklärung zurück: "Wir werden nicht müde zu betonen, dass die Kirche in Deutschland keinen 'deutschen Sonderweg' gehen wird." Das bringe auch die Satzung des Synodalen Weges zum Ausdruck.

"Dennoch sehen wir es als unsere Pflicht an, klar zu benennen, wo aus unserer Sicht Änderungen notwendig sind. Dabei spüren wir bereits jetzt, dass die von uns benannten Probleme und Fragen weltweit ähnlich sind", heißt es in dem Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, und der ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, im Gespräch mit protestierenden jungen Aktivisten der katholischen Kirche
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, im Gespräch mit protestierenden jungen Aktivisten der katholischen KircheBild: Peter Juelich/epd

"Man muss eigentlich nicht auf jede Postkarte, die ohne Absender aus dem Vatikan kommt, reagieren", sagte zuvor Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung der Deutschen Welle. Aber man spüre, dass die Arbeit und die Überlegungen des Synodalen Weges eben "international durchaus beachtet" würden. 

Und es zeige sich das "große Wahrnehmungsdefizit" des Vatikan für den Reformweg der deutschen Katholiken, so Weisner. Dafür verantwortlich sei auch der Botschafter des Papstes im Land der Reformation, der als Nuntius für die umfassende Kommunikation über den deutschen Katholizismus mit der Zentrale zu sorgen habe.

Auslöser aller notwendigen Debatten war der Missbrauchsskandal

Eigentlich passt die Veröffentlichung des Schreibens zum jetzigen Zeitpunkt, denn der Apparat der Kurie verfällt bis Mitte August in die sommerliche Ferienstarre. Anfang September dann steht in Frankfurt am Main die wohl vorletzte Vollversammlung des Synodalen Weges an. Bei dieser sollen schon Eckpunkte verankert werden, und es geht zudem um die notwendige Mehrheit für Reformschritte. Mitte März 2023 soll dann die Schlussrunde steigen.

Nur zur Erinnerung: Der Prozess des Synodalen Weges, den reaktionäre Kräfte in der Bischofskonferenz von Anfang an skeptisch sahen und ausbremsen wollten, ist dem vor zwölf Jahren publik gewordenen Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Deutschland geschuldet. Um dem entgegenzuwirken, drängt der "Weg" auf die Abschaffung klerikaler Machtstrukturen und will Frauen stärker einbinden.