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"Produktpiraterie ist kein Kavaliersdelikt"

Dirk Kaufmann
6. Mai 2020

Der deutschen Industrie, so eine aktuelle Studie, entstehen durch Produktpiraterie jährlich Schäden in Milliardenhöhe - mit steigender Tendenz. Und Plagiate schaden nicht nur finanziell, sie bedrohen auch Leib und Leben.

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Siemens-Generatorenwerk Erfurt
Bild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Der Maschinen- und Anlagenbau ist eine deutsche Schlüsselindustrie. Weil der Großteil ihrer Güter exportiert wird, ist diese Industrie, deren Betriebe im VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) organisiert sind, auch für den deutschen Außenhandel von großer Bedeutung.

An diesem Mittwoch hat der VDMA die Studie Produktpiraterie 2020 veröffentlicht. Alle zwei Jahre befragt der Verband seine Mitgliedsfirmen zu den Bedrohungen und Auswirkungen von Fälschungen. Die aktuelle Studie hat das Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC  für den Maschinenbauverband erstellt.

Hier klicken für die komplette Studie.

Ein Rekord nach dem anderen

Die Experten vom Fraunhofer-Institut errechneten, dass dem deutschen Maschinenbau durch Produktpiraterie jährlich ein Milliardenschaden entsteht - 2019 habe er 7,6 Milliarden Euro betragen. 2018 seien es 7,3 Milliarden gewesen. Die Autoren vergleichen den entstandenen Schaden mit den Arbeitskosten und kommen zu dem Ergebnis, dass ein Umsatz in Höhe des aktuellen Schadens umgerechnet der Zahl von knapp 35.000 Arbeitsplätzen entspräche.

Aber nicht nur der finanzielle Schaden sei in den vergangenen Jahren gestiegen, sondern auch die Zahl der betroffenen Betriebe. In der aktuellen Studie gaben drei von vier (74 Prozent) der befragten Unternehmen an, Opfer von Produktpiraterie geworden zu sein - ein neuer Höchstwert. Ein weiterer Negativrekord zeigt sich bei Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten: Hier gaben 90 Prozent der Befragten an, unter  Produktpiraterie zu leiden.

Made in Germany
Das Label "Made in Germany" hat inwischen zwar ganz erheblich gelitten, ist aber immer noch beliebt bei Plagiatoren Bild: picture-alliance/imageBroker

Gefahr für Leib und Leben

Unter Produktpiraterie versteht der Verband jeden "Nachbau unter Verletzung von Sonderschutzrechten (z. B. Marken, Patente)" und Nachbauten, die zwar keine Sonderrechte verletzten, "aber in wettbewerbswidriger Weise" erfolgten.

Am häufigsten werden dabei einzelne Teile gefälscht (64 Prozent), gefolgt von Designplagiaten (60 Prozent). Auch ganze Maschinen werden als Fälschungen auf den Markt gebracht (40 Prozent).

Dabei, so der Verband, entstünde nicht nur ein enormer finanzieller Schaden. "Erschreckend dabei ist, dass 57 Prozent der Unternehmen von Fälschungen berichten, die eine Gefahr für die Anlage darstellen. Das zeigt, dass es sich bei Plagiaten nicht um Kavaliersdelikte handelt, denn der Betrieb von gefälschten Maschinen oder Anlagen mit gefälschten Komponenten kann eine echte Gefahr für den Bediener bedeuten", sagt Steffen Zimmermann, Leiter VDMA Competence Center Industrial Security.

Produktpiraterie in Deutschland
Im nordrhein-westfälischen Solingen gibt es sogar ein Museum für Plagiate, das auch diese (deutsche!) Fälschung zeigtBild: picture-alliance/dpa

Der Hauptverdächtige ist wieder einmal China

Besonders ausgeprägt, so die betroffenen Unternehmen, sei der Handel mit gefälschten Maschinen und Komponenten in der Volksrepublik China. Das Reich der Mitte erscheint in der Studie als Reich der Produktpiraten: China wird von 61 Prozent der Befragten als wichtigstes Vertriebsland für Plagiate genannt. Auf dem zweiten Platz folgt Deutschland (19 Prozent) vor Russland, das mit aktuell 12 Prozent zum ersten Mal auf dem dritten Platz rangiert.

Die meisten der befragten VDMA-Mitgliedsunternehmen nennen die Wettbewerber (72 Prozent) als Auftraggeber für Plagiate. Geschäftspartner wie Kunden, Zulieferer oder Joint-Venture-Partner stehen auch unter Verdacht: Sie werden von 41 Prozent als Ausgangspunkt von Fälschungen gesehen.

Zeichen der Resignation

Die vom Fraunhofer-Institut befragten Unternehmen hoffen immer seltener, auf dem Klagewege den entstandenen Schaden erstattet zu bekommen. Nur jeder vierte Betrieb (26 Prozent) ruft überhaupt ein Gericht an - 2018 waren es noch 39 Prozent gewesen. Rund die Hälfte der Befragten verzichtet komplett auf Maßnahmen. "Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen", so VDMA-Experte Zimmermann, "scheinen zunehmend zu resignieren oder den Aufwand für die Rechtsverfolgung zu scheuen".