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Politik

Venezuelas Bitcoin: Der Petro ein Rohrkrepierer?

4. Januar 2018

Diesen Monat will Venezuelas Regierung eine Kryptowährung lancieren. Analysten räumen ihr kaum Chancen ein: Dem Petro werde es an ungefähr allem fehlen, was er als Währung bräuchte, um zu funktionieren.

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Venezuela Staatschef Maduro will neue Kryptowährung
In seiner sonntäglichen TV-Show "Domingos Con Maduro" kündigte Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro den Petro anBild: picture-alliance/dpa/Prensa Miraflores/F. Batista

Es sei eine Frage weniger Tage, sagte Venezuelas Informationsminister Jorge Rodríguez bei einer Pressekonferenz im Staatsfernsehen zum Jahresende, dann werde die venezolanische Regierung ihre eigene Kryptowährung erstmals ausgeben. Ihr Name "Petro" soll Programm sein: Der Wert jeder Einheit soll durch ein Barrel Rohöl gedeckt werden. Zusätzlich, hatte Präsident Nicolas Maduro in seiner wöchentlichen Fernsehshow "Sonntage mit Maduro" wissen lassen, sollten andere Rohstoffe wie Gold, Diamanten und Gas als Sicherheit dienen.

Ginge der Petro in dieser Form noch im Januar an den Start, wäre er wohl die erste Kryptowährung, deren Wert durch Rohstoffe gedeckt wäre. Außerdem wäre er die erste Kryptowährung, die von einem Staat aufgelegt worden wäre. Damit wäre der Petro gleich in doppelter Hinsicht ein Novum. Die venezolanische Regierung feiert sich bereits jetzt als Vorreiter.

Venezuela braucht funktionale Währung

Allerdings ist sie keineswegs die einzige Institution, in der man auf diese Idee gekommen ist: "Ich habe das bereits vorgeschlagen", sagt Steve H. Hanke, Professor für angewandte Wirtschaftsforschung an der Johns Hopkins Universität (JHU) in Baltimore, USA, im DW-Gespräch "Ich glaube, dass es das auch irgendwann geben wird: Eine Kryptowährung mit konstanter Kaufkraft, die dadurch gesichert ist, dass sie in einen Korb von mehreren Rohstoffen konvertierbar ist."

Dadurch, sagt Hanke, könnten Kryptowährungen die drei Hauptfunktionen von Geld übernehmen: als Zahlungsmittel, zur Wertaufbewahrung und als Werteinheit. Derzeit seien sie nahezu reine Spekulationsanlagen.

Eine solche Währung könnte Venezuela durchaus gebrauchen, denn die venezolanische Landeswährung hat ihre Funktionalität längst verloren: Allein 2017 büßte der Bolívar nach Hankes Berechnungen (siehe Tweet) in Folge der Wirtschaftskrise gegenüber dem Dollar mehr als 97 Prozent seines Wertes ein. Der Finanzausschuss des venezolanischen Parlaments kommt auf einen Kaufkraftverlust von fast 2000 Prozent für das abgelaufene Jahr. Für 2018 prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) 2350 Prozent Inflation. Die Regierung selbst veröffentlicht seit Jahren keine Zahlen zur Teuerungsrate.

Rohstoffgedeckte Kryptowährung ohne Rohstoffe

Der Petro, sagt Ökonom Hanke, sei jedoch zum Scheitern verurteilt, denn die venezolanische Regierung sei überhaupt nicht in der Lage, die versprochene Rohstoffsicherheit zu geben: "Sie haben überhaupt kein Gold, und sie haben keine Diamanten. Sie haben eine Menge Ölreserven, aber die Ölproduktion geht zurück."

Trotz der größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt steht der südamerikanische Staat am Rande der Pleite. Am Mittwoch schrieb das Wall Street Journal: "Venezolanische Staatsanleihen haben drei Viertel ihres Wertes verloren, darin spiegeln sich ein Dutzend Zahlungsausfälle der staatlichen Ölfirma wider." Die angeblichen Sicherheiten, die den Petro stützen sollen, sind also überhaupt nicht vorhanden.

Eine durch Rohstoffe abgesicherte Kryptowährung, wie Hanke sie sich vorstellt, hätte dagegen einen physischen und damit messbaren Gegenwert, sie wäre eine Art schnell handelbarer Rohstoff-ETF auf Basis der Blockchain-Technologie. Ein ETF (exchange-traded fund) ist ein an der Börse gehandelter Investmentfonds.

Auf der sogenannten Blockchain-Technologie basieren auch Bitcoin sowie die meisten anderen Kryptowährungen. Darin werden sämtliche Transaktionen in einer Kette (Chain) anonymisiert in Blöcken (Block) aufgezeichnet, sodass jeder Manipulationsversuch für die Nutzer sofort offenkundig würde. Aufgrund dieses Prinzips funktionieren Kryptowährungen ohne eine Kontrollinstanz wie etwa eine Zentralbank.

Natürlich würde auch eine solche Währung gewissen Kursschwankungen unterliegen. Im Vergleich zum Bolívar wäre sie jedoch ein Fels in der Brandung.

Umgehung des internationalen Währungssystems

Rohstoffsicherung hin oder her - wenn Venezuela den Petro tatsächlich in den nächsten Tagen lanciert, wäre sie wohl die erste Regierung mit eigener Kryptowährung. Allerdings dürfte sie nicht allzu lang die einzige bleiben. Praktisch alle großen Banken sehen sich die Blockchain-Technologie genau an. Und sogar im kleinen Estland arbeitet man daran.

Was ist eine Blockchain?

An Neujahr berichtete die "Financial Times", Sergei Glazyev, Wirtschaftsberater des russischen Präsidenten Vladimir Putin, habe von einem "Kryptorubel" gesprochen, der helfen solle, die Wirtschaftssanktionen des Westens zu umgehen. Damit nämlich wäre das Land unabhängig vom so genannten SWIFT-System, das derzeit ein faktisches Monopol über den internationalen Zahlungsverkehr hat. Im Zuge der Ukrainekrise gab es bereits Vorschläge aus der Europäischen Union, Russland von SWIFT auszuschließen.

Ähnliches könnte die venezolanische Regierung mit ihrem Petro im Sinn haben. Zwar droht dem Land nicht der SWIFT-Ausschluss - deshalb ist Maduros Erklärung wenig plausibel, er wolle die Unabhängigkeit vom internationalen Finanzsystem, um die venezolanische Wirtschaft zu retten. Allerdings hat die US-Regierung die Vermögen zahlreicher Schlüsselfiguren der Sozialistischen Einheitspartei Venezuelas (PSUV) eingefroren. Eine funktionierende Kryptowährung gäbe ihnen die Möglichkeit, ihr Geld wieder zu bewegen.

Kann Venezuela eine Kryptowährung programmieren?

Ein solider Petro mag Maduro also ein dringendes Anliegen sein. Doch die dahinterstehende Technik ist durchaus anspruchsvoll. JHU-Ökonom Hanke spöttelt: "Die Zentralbank schafft es nicht mal, neue Scheine zu drucken."

Auch Manav Prakash, Gründer und CEO der "Blockchain Investment Platform", hat seine Zweifel: Der englischsprachigen Onlinezeitung "Peru Reports" sagte er, der grundlegende Aufbau einer Kryptowährung sei zwar nicht allzu schwer, da fast alle existierenden Kryptowährungen Open-Source-Projekte mit offenliegenden Programmiercodes seien: "Aber um es vor Hacks und Attacken von außen zu schützen, braucht es eine vertrauenswürdige Userbasis und viele Miner."

Bitcoin Mine
"Mining-Farm" in Russland: Die Betreiber verdienen virtuelles Geld in Kryptowährungen, indem sie Blockchains errechnenBild: Getty Images/AFP/M. Zmeyev

Miner stellen dem System die Rechenleistung ihrer Computer zur Verfügung und bilden somit die dezentrale Kontrollinstanz. Je mehr Nutzer und Miner eine Kryptowährung hat, umso sicherer wird sie.

Genau das könnte aber dem Petro fehlen, denn erstens benötigt das Mining viel Rechnerkapazität und damit Strom, der in Venezuela schon jetzt äußerst knapp ist. Die zweite Voraussetzung wäre das Vertrauen eben dieser User und Miner. Nur: "In Venezuela traut niemand mehr dem, was die Regierung macht, schon gar nicht einer Währung", sagt Währungsexperte Hanke.

Und auch Sean Walsh von Redwood City Ventures, einem auf Blockchain-Systeme spezialisierten Investmentunternehmen, sagte dem Wall Street Journal: "Wenn ein Regierung ein faires Reglement für eine Kryptowährung aufsetzt, ist das eine tolle Sache. Aber wenn eine Regierung eine Geschichte voller Ungerechtigkeiten gegen die Bevölkerung hat, wird sie kaum ihr Verhalten ändern, weil sie sich ein Schlagwort wie Kryptowährung anheftet."

Hanke hat bereits zahlreiche Regierungen bei Währungsreformen beraten, am Washingtoner Cato Institute leitet er das "Troubled Currency Project" (Projekt für instabile Währungen). Für die venezolanische Regierung hat er einen einfachen Tipp, sollte es ihr wirklich um eine stabile Währung gehen: "Maduro sollte offiziell tun, was die Bevölkerung längst inoffiziell getan hat: Er sollte den Bolivar abschaffen und ihn durch den US-Dollar ersetzen."

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.