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Verbot der Burka in Frankreich rückt näher

26. Januar 2010

Ein Parlamentsausschuss will, dass vollverschleierte Frauen Behörden und öffentliche Einrichtungen künftig nicht mehr betreten dürfen. Die Entscheidung stand bis zuletzt auf der Kippe.

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Zwei Burka-tragende Frauen mit einem Kind
Der Stein des Anstoßes: das den ganzen Körper verhüllende KleidungsstückBild: Dzevad Sabljakovic

Die französische Nationalversammlung sollte das strengstmögliche Gesetz gegen die Verschleierung muslimischer Frauen erlassen, heißt es in dem am Dienstag (26.01.2010) vorgelegten Bericht der parlamentarischen Enquetekommission."Ganz Frankreich sagt Nein zur Vollverschleierung." Die Burka widerspreche "den Werten der Republik". Parlamentspräsident Bernard Accoyer ergänzte: "Die Burka ist ein Zeichen für die Unterdrückung der Frau und das Banner des extremen Fundamentalismus."

Rückendeckung bekommen die Gegner der Vollverschleierung von Musliminnen von Nicolas Sarkozy. Der konservative Staatspräsident hatte schon im Juni gesagt, die Burka sei "auf dem Gebiet der französischen Republik nicht willkommen". Frankreich könne es nicht hinnehmen, dass Frauen "Gefangene hinter einem Gitter" aus Stoff seien.

Burka Synonym für jede Verschleierung von Musliminnen

Frankreichs Präsident Sarkozy und Parlamentspräsident Accoyer im Schloss von Versailles (Foto: AP)
Befürworter eines Burka-Verbots: Präsident Sarkozy und Parlamentspräsident AccoyerBild: AP

Um die Debatte verstehen zu können, muss man wissen, dass die Burka in Frankreich ein Synonym für jegliche Art der Verschleierung muslimischer Frauen ist. Sie weckt parteiübergreifend Befürchtungen einer schleichenden Radikalisierung des Islam und wird einhellig als Zeichen der Unterwerfung der Frau gegeißelt. Seit 2004 ist in Frankreich bereits das Tragen auffälliger religiöser Zeichen in den staatlichen Schulen verboten.

Um nicht als Diskriminierung von Muslimen zu erscheinen, soll sich das begleitende Verbotsgesetz jedoch nicht allein auf die Burka oder andere Formen der Verschleierung beziehen. Es soll jegliche Vermummung in Einrichtungen wie Behörden und öffentlichen Krankenhäusern und Verkehrsmitteln verbieten. Geldbußen bei Zuwiderhandlungen sind nicht geplant; es sollen aber staatliche Dienstleistungen verweigert werden. Weiter erlaubt wäre die Burka damit auf offener Straße und in der Privatwirtschaft.

Sozialisten gegen gesetzliches Verbot der Burka

Der sozialistische Fraktionschef im französischen Parlament, Ayrault (Foto: AP)
Gegen ein gesetzliches Burka-Verbot: der sozialistische Fraktionschef AyraultBild: AP

Wie in Paris weiter bekannt wurde, stand die Abstimmung des Parlamentsausschusses über den Bericht bis zur letzten Minute auf der Kippe. Mitglieder der konservativen Regierungsmehrheit forderten demnach ein weitergehendes Verbot in der gesamten Öffentlichkeit. Dafür sprechen sich nach letzten Umfragen auch bis zu 65 Prozent der Franzosen aus.

Die sozialistische Opposition verweigerte dem Bericht ihre Zustimmung. In der Partei wird ein Gesetz vielfach abgelehnt. Die demonstrative Enthaltung richtete sich aber insbesondere gegen die von der Regierung organisierte landesweite Debatte über "nationale Identität", die das politische Klima im Vorfeld der im März stattfindenden französischen Regionalwahlen stark aufgeheizt hat. Der Resolution würden die Sozialisten nur zustimmen, wenn die Regierung die Debatte stoppe, sagte PS-Fraktionschef Jean-Marc Ayrault, der persönlich ein Burka-Verbot per Verordnung für ausreichend hält.

Nur 2000 muslimische Frauen tragen Burka

Auch Vertreter der Muslime in Frankreich halten, obwohl sie in der Debatte die Burka nicht verteidigt haben, ein Verbot für übertrieben. Zur Begründung verweisen sie darauf, dass von den fünf Millionen Muslimen im Land - übrigens die größte muslimische Gemeinde Europas - nur höchstens 2000 Frauen das den ganzen Körper verhüllende Kleidungsstück tragen würden. Diese Angaben wurden sogar vom Pariser Innenministerium bestätigt.

Frankreich ist indes nicht das einzige Land in Europa, in dem über ein Burka-Verbot debattiert wird. In den Niederlanden sind mehrere Gesetzentwürfe in Vorbereitung, die das Tragen an Schulen und für Beschäftigte im öffentlichen Dienst verbieten sollen. Auch in Dänemark diskutiert die liberal-konservative Regierung über verschiedene Verbotsmöglichkeiten. In Großbritannien hat die Regierung dagegen gerade bekräftigt, dass Religionsfreiheit auch die Freiheit der Kleidungswahl einschließe. In anderen Ländern wie Italien und Belgien stützen sich einzelne Kommunen auf den "Schutz der öffentlichen Ordnung", um die Verschleierung zu untersagen.

Autor: Stephan Stickelmann (dpa, apn, rtr, afp, kna, epd)
Redaktion: Oliver Samson