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Verhandlungen mit Griechenland stocken

22. Januar 2012

Die Verhandlungen zwischen Griechenland und den Gläubigerbanken über einen Forderungsverzicht wurden am Wochenende unterbrochen. Eigentlich sollte das Ergebnis bis zum Treffen der Euro-Finanzminister vorliegen.

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Das Gebäude der griechischen Nationalbank in Athen (Foto: AP)
Bild: dapd

In Athen wurden die Gespräche zwischen der griechischen Regierung und dem internationalen Bankenverband IIF am Wochenende (21/22.01.2012) unterbrochen. Sie würden zwar telefonisch fortgesetzt, hieß es. Eine Vereinbarung könne es jedoch frühestens im Lauf der Woche geben, hieß es.

Der Chefunterhändler des Internationalem Bankenverbands IIF Charles Dallara und sein Sonderberater Jean Lemierre seien nach zweitägigen Verhandlungen nach Paris zurückgeflogen, hieß es. Der IIF teilte mit, Dallara sei zu einem privaten Termin außerhalb Griechenlands geflogen, den er vor langer Zeit geplant habe. Experten des Bankenverbandes seien in Athen geblieben und verhandeln weiter mit der Regierung, so der IIF.

Für die privaten Gläubiger - neben Banken auch Hedgefonds und Versicherer - dürfte eine Einigung mit einem Forderungsverzicht von bis zu 70 Prozent verbunden sein. Bisher war nur von einem Schuldenschnitt von 50 Prozent die Rede. Im Gegenzug für den Verzicht soll Griechenland den privaten Gläubigern neue Staatsanleihen mit einer 30-jährigen Laufzeit anbieten. Streit gibt es wohl über die Höhe der Verzinsung, berichtet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf griechische Medien, die sich wiederum auf griechische Regierungskreise berufen.

Streit um die Höhe der Zinsen

Der IWF soll in die Verhandlungen eingegriffen haben (Foto: dpa)
Der IWF soll in die Verhandlungen eingegriffen habenBild: picture-alliance/dpa

Ursprünglich soll sich die griechische Regierung mit dem Bankenverband auf einen Zinssatz von vier Prozent geeinigt haben. Dann aber sollen sich Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union (EU) in die Gespräche eingeschaltet und darauf bestanden haben, der Zinssatz müsse auf weniger als drei Prozent fallen. Nur dann habe Griechenland nach Ansicht des IWF die Möglichkeit, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. "Fünf Minuten vor der Einigung fordert der IWF weniger Zinsen", hieß es in der griechischen Sonntagszeitung "To Vima".

Der Schuldenschnitt soll Griechenland rund 100 Milliarden Euro Entlastung bringen. Geplant ist, dies über einen freiwilligen Anleihentausch der Gläubiger zu erreichen. Die Freiwilligkeit ist wichtig, weil der Schuldenschnitt sonst als Zahlungsausfall gewertet werden kann. Das wiederum würde bedeuten, dass die Versicherungen gegen einen Kreditausfall (CDS) in Anspruch genommen können. Noch immer ist unklar, welche Institute dann für welche Summen haften müssten, und ob das die Stabilität des weltweiten Finanzsystems gefährden könnte. Ein Zahlungsausfall soll daher unter allen Umständen vermieden werden.

Unklar ist außerdem, ob sich wirklich alle Gläubiger an eine freiwillige Vereinbarung gebunden fühlen. Möglich ist etwa, dass nur die großen Finanzinstitute einem Schuldenschnitt zustimmen, während einige Hedgefonds weiter auf der vollen Rückzahlung der Schulden bestehen.

Kritik am Schuldenschnitt übte Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank und derzeit Vorsitzender des internationalen Bankenverbands IIF, bei einem Besuch der Nachrichtenagentur dpa am Wochenende in Berlin. Das Prinzip, nachdem Staatsanleihen zu 100 Prozent zurückgezahlt werden, sei entgegen aller Absprachen verletzt worden. "Dafür werden wir einen hohen Preis bezahlen müssen, unter anderem in Form höherer Zinsen, die Investoren von vielen Regierungen verlangen werden", so Ackermann.

Die Zeit drängt für Griechenland

Kritik am Schuldenschnitt: Josef Ackermann (Foto: dapd)
Kritik am Schuldenschnitt: Josef AckermannBild: dapd

Griechenland muss außerdem die EU, die Europäische Zentralbank (EZB) und den IWF davon überzeugen, dass es die vereinbarten Sparauflagen erfüllen wird. Ziel ist, den Schuldenstand des Landes bis 2020 von 160 auf 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftskraft (BIP) zu reduzieren. Nur dann wollen EU und IWF Griechenland ein neues Hilfspaket über 130 Milliarden Euro gewähren.

Ohne dieses Geld könnte Griechenland nicht die Staatsanleihen im Volumen von 14,5 Milliarden Euro bedienen, die im März auslaufen. Das würde bedeuten, dass Kreditgeber im In- und Ausland keine Tilgungen und Zinsen mehr erhalten - was wiederum viele von ihnen in eigene existenzielle Probleme bringen könnte. Das wollen EU, EZB und IWF verhindern.

Zweifel an der Fähigkeit Griechenlands, die Probleme zu lösen, äußerte am Wochenende Frank Mattern, Deutschland-Chef der Unternehmensberatung McKinsey. "Ich erkenne ja die Sparbemühungen in Griechenland an, aber ich habe erhebliche Zweifel, ob sie angesichts der Ausgangslage reichen werden", so Mattern gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Es könne der Fall eintreten, "dass ein geordneter Austritt aus der Euro-Zone für Griechenland das kleinere Übel ist". Die Auswirkungen auf Italien oder Spanien seien "vermutlich beherrschbar", so Mattern weiter.

Der Chef der Chef der Osteuropabank (EBRD), Thomas Mirow, warnte dagegen vor einem Austritt Griechenlands aus der Währungsunion. Diese Diskussion sei "hochspekulativ und gefährlich", so Mirow gegenüber dem "Handelsblatt". "Niemand weiß, welche Reaktionen ein solcher Schritt auslösen würde."

Mehr Geld für den Rettungsfonds?

Italiens Premier Monti fordert mehr Geld für den Rettungsschirm (Foto: AP)
Mehr Geld für den Rettungsschirm: Italiens Premier MontiBild: dapd

Unterdessen wirbt Italiens Ministerpräsident Mario Monti dem Magazin "Der Spiegel" zufolge dafür, den künftigen Rettungsschirm ESM von 500 Milliarden auf eine Billion Euro aufzustocken. Monti wolle dadurch das Vertrauen in die Währungsunion stärken und hoffe, die Zinsen für Staatsanleihen könnten sinken, so "Der Spiegel".

Unterstützung bekomme Monti von seinem Landsmann Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), berichtet das Magazin weiter ohne Quellenangabe. Draghi vertrete den Vorschlag, den ESM auf rund 750 Milliarden Euro aufzustocken.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt eine Aufstockung bisher ab. Allerdings musste sie beim Gipfel im Dezember einer Klausel zustimmen, nach der das Kreditvolumen im März überprüft werden soll. Bundestagspräsident Norbert Lammert indes sieht Deutschland in der Pflicht, sich stärker als andere für die Euro-Rettung zu engagieren. Als größte EU-Volkswirtschaft habe die Bundesrepublik eine besondere Verantwortung beim Herbeiführen von Veränderungen, sagte er der Zeitung "Welt am Sonntag".

Autor: Andreas Becker (rtrd, dpa)

Redaktion: Dirk Eckert