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Verkauf von Songrechten boomt

10. Februar 2022

Bob Dylan, Shakira, die Red Hot Chili Peppers oder Bruce Springsteen - viele Stars veräußern derzeit ihre Songrechte an Musikkonzerne. Und jetzt auch Sting. Was steckt dahinter?

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Sänger Bob Dylan
Bild: picture-alliance/dpa/D. Castello

Verlagsrechte sind ein lukratives Geschäft: Das wusste schon Michael Jackson, als er 1985 für mehr als 47 Millionen Dollar 251 Beatles-Songs erwarb. Peanuts im Gegensatz zu den geschätzten 300 Millionen Dollar, für die Bob Dylan Ende 2020 seine Autorenrechte an Universal Music verkaufte. Bis dato war Bob Dylan einer der wenigen Künstler, die ihr Musikarchiv selbst verwalteten. Diese Aufgabe übernimmt nun der weltweit größte Musikkonzern.

Anfang 2022 wurde bekannt, dass die Folklegende zudem die Rechte an seinen Aufnahmen an Sony Music Entertainment, Universals schärfsten Konkurrenten, abgetreten hat. Ein Kaufpreis wurde nicht genannt. Allerdings betitelt das US-amerikanische Branchenmagazin "Variety" die Summe auf 150 bis 200 Millionen Dollar (132 bis 176 Millionen Euro). 

Auch Neil Young trat 2021 die Rechte an einigen seiner Songs ab, darunter Klassiker wie "Heart of Gold", und zwar an den Investmentfonds Hipgnosis. Ähnliche Mega-Deals schlossen Shakira und Stevie Nicks von Fleetwood Mac und Soul-Ikone Tina Turner, die die Rechte an ihrem Solo-Werk für einen unbekannten Preis an die Verlagsgesellschaft BMG verkauft hat. Zuletzt verkaufte Grammy-Preisträger Bruce Springsteen seinen gesamten Musikkatalog für rund 500 Millionen Dollar an Sony. Warum geben international erfolgreiche Musikerinnen und Musiker die Rechte an ihrer Musik ab?

Mit Songrechten lässt sich jahrzehntelang gutes Geld verdienen

"Die Motivlage wird unterschiedlich sein", meint Musikökonom Peter Tschmuck von der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien. "Bei Bob Dylan wird es vielleicht eine Art von Vorsorge für die nächste Generation sein, aber bei den Jüngeren könnte es eine zusätzliche Einnahmequelle sein, da ja viele Auftrittsmöglichkeiten weggefallen sind."

Sänger Bob Dylan sitzt am Klavier während eines Konzerts in London 2019
Als Konzerte noch erlaubt waren: Musiklegende Bob Dylan vor dem Pandemiejahr bei einem Konzert 2019Bild: imago images/Zumapress

Songrechte sind ein wahrhaftiger Schatz: Wer sie besitzt, kassiert. Und zwar immer dann, wenn ein Song verwertet wird, und das bis zu 70 Jahre nach dem Tod des Musikers. Ob nun in Filmen, in der Werbung, als Coverversion, bei Live-Auftritten oder auf Streamingportalen wie Spotify und Netflix. Ein Beispiel: Das eingangs erwähnte Unternehmen Hipgnosis hält die Rechte an allein vier Songs, die in der vierten Staffel von "The Crown" zu hören sind. Das heißt, bei jedem Bingewatching klingelt die Kasse.

Warum Musiker kaum von Streamingdiensten profitieren

Bislang allerdings selten bei den Künstlern selbst. "Es gibt noch immer viele Altverträge, bei denen die Künstler beim Musikstreamen quasi so behandelt werden wie beim Verkauf von Tonträgern", sagt Peter Tschmuck. "Da gab's dann Klauseln, wo im Vertrag zum Beispiel zehn bis zwölf Prozent Umsatzbeteiligung vereinbart wurden." Beim Tonträgerverkauf war das kein schlechter Deal, übertragen auf die doch sehr geringen Abopreise bei Streamingdienst kann davon aber kein Künstler mehr leben. In der Vergangenheit gab es deswegen massiv Protest und Kritik aus der Musikszene. Thom Yorke von Radiohead etwa weigert sich bis heute, seine Musik auf Spotify zu stellen. 

Welche Rolle spielt Streaming für Musiker?

Seit 2015 beschäftigt sich sogar die Europäische Kommission mit dem Thema "Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt". 1110 europäische Künstler hatten damals an die Kommission appelliert. Ihre Kritik richtete sich unter anderem gegen YouTube: Die Plattform war bis dato von einer Lizenzierungspflicht befreit und sicherte sich damit einen ziemlich unfairen Geschäftsvorteil innerhalb der Branche. 2019 verabschiedete die Kommission dann die Richtlinie zum "Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt", was wiederum massive Proteste von YouTubern und anderen Influencer nach sich zog. Und es ist noch längst nicht ausdebattiert.

Wer oder was steckt hinter Hipgnosis?

Fest steht, dass Konzerte für Musiker weiterhin die lukrativste Einnahmequelle sind und nicht die Tonträgerverkäufe oder die Erlöse aus den Streamingdiensten. Eine Erklärung also, warum gerade jüngere Künstler lieber einmalig eine große Summe kassieren, anstatt immer wieder Kleckerbeträge, die für manche kaum zum Leben reichen. Bei berühmten Künstler reicht auch schon mal der Verkauf von nur einem Song, wie etwa "SexyBack" von Justin Timberlake und Timbaland oder Adeles "Set Fire to The Rain". 

Merck Mercuriadis (l.) und Nile Rodgers (r.) beim Launch von Hipgnosis
Mega-Deals mit Songs: Merck Mercuriadis (l.) und Nile Rodgers beim Launch von Hipgnosis Bild: Photoshot/picture alliance

Die Rechte für beide Hits liegen jetzt beim Investmentfonds Hipgnosis. Das 2018 gegründete Unternehmen macht den drei Branchenriesen Universal Music, Warner und Sony Music gerade mächtig Konkurrenz. Hinter Hipgnosis - der Name ist eine Hommage an das britische Grafikdesign-Studio, das sich unter anderem für Plattencover von Pink Floyd verantwortlich zeigt -, stecken Nile Rodgers und Merck Mercuriadis.

Die zwei sind keine Unbekannten in der Branche. Mercuriadis managte neben Elton John, Iron Maiden, Guns n' Roses und Beyoncé auch seinen Kompagnon Rodgers, seines Zeichens Mitglied der Band Chic und Produzent unter anderem für David Bowie und Madonna.

Faire Deals für Musiker?

Auf der Hipgnosis-Webseite ist zu lesen, dass die beiden nicht nur ihren Aktionären Gewinn verschaffen, sondern auch den Künstlern faire Summen für die Songrechte anbieten wollen: The-Dream, Songwriter, Produzent und einer der ersten, der Deals mit bei Hipgnosis abschloss, erhielt über 18 Millionen Pfund für seine Rechte an Songs wie "Single Ladies" von Beyoncé.

Hipgnosis' Geschäftspolitik könnte einer der Gründe sein, warum sich etwa Neil Young dazu entschloss, 50 Prozent seiner Rechte an das Unternehmen zu übertragen. Der Musikgigant hatte sich zuvor immer geweigert, dass seine Musik etwa für Werbung lizenziert wird. In seinem 1988 erschienen Lied "This note's for you" singt er sogar "Ain't singing for Pepsi, ain't singing for Coke".

Die Angst, dass ihre Musik zweckentfremdet wird, hat in der Vergangenheit viele Künstler davon abgehalten, ihre Rechte zu verkaufen. "In den USA ist es vor allem die Angst gewesen, dass Trump die Rechte nutzt", scherzt Musikwissenschaftler Peter Tschmuck.

Wer weiß, womöglich wird die Abwahl Trumps nun noch weitere Künstler motivieren, ihre Rechte zu veräußern. In jedem Fall ist Bewegung in der Musikindustrie zu bemerken, und so umtriebig, wie sich zuletzt Hipgnosis zeigte, wird es bestimmt noch die eine oder andere Überraschung beim Musikrechte-Monopoly geben. Jetzt hat die US-Alternative Rockband Red Hot Chili Peppers für eine gesorgt: Sie haben Hipgnosis ihren gesamten Katalog verkauft - für geschätzte 140 Millionen Dollar. 

Dies ist eine aktualisierte Fassung des Artikels vom Januar 2021.