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Wunderheilung?

10. Februar 2011

Die Verletzten-Listen der Bundesligaclubs sind lang. Manche Profis stehen aber überraschend schnell wieder auf dem Platz. Da könnte der Eindruck entstehen, der Erfolg des Vereins sei wichtiger als ihre Genesung.

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Der Schalker-Profi Christian Pander bei der Reha (Foto: Augenklick)
So schnell wie möglich zurück auf den Platz?Bild: Augenklick
Peter Schäferhoff, Mannschaftsarzt des Bundesligisten 1. FC Köln (Foto: Constanze Lopez)
Schäferhoff: bessere DiagnostikBild: DW

Meniskusriss, Syndesmosebandriss, Adduktorenprobleme - man kann viel über Verletzungen lernen, wenn man die Bundesliga verfolgt. Die schnelle Genesung der Spieler wird zwar (teilweise) wohlwollend registriert, doch ein unbehagliches Gefühl bleibt - zusammen mit der Frage, ob da alles mit rechten Dingen zugeht? Peter Schäferhoff, Mannschaftsarzt des 1. FC Köln, sagt, "dass die immer kürzeren Verletzungspausen mit der verbesserten Diagnostik und Operationstechnik zu erklären sind. Früher haben Spieler mit kleineren Verletzungen einfach weiter gespielt. Heute dagegen untersuchen Sportärzte mittels diagnostischer Geräte den Problembereich des Spielers sehr genau. Dadurch können sie gezielt auf die Verletzung reagieren und entsprechende Maßnahmen einleiten."

Gezielte Diagnostik und neue Operationstechniken

Muss dann der Spieler tatsächlich operiert werden, kann das meist mit einem kleinen Eingriff geschehen. Bei einer Meniskusoperation muss zum Beispiel nicht das ganze Knie aufgeschnitten werden, um an die Verletzung heranzukommen. Stattdessen entstehen durch die neue Operationstechnik nur kleine Schnitte am Knie, die schneller heilen.

Borussia Dortmunds verletzter Stürmer Shinji Kagawa sitzt im Rollstuhl (Foto: dpa)
Schnelles Comeback unmöglich - Dortmunds Shinji Kagawa nach seinem MittelfußbruchBild: picture-alliance/dpa

Doch dann gibt es auch Spieler, die nach einer Verletzungspause mit OP und Reha sehr schnell wieder in der Bundesliga eingesetzt werden - und sich sofort noch einmal verletzen. "Dieses Zu-früh-Einsetzen ist das Dilemma, in dem man als Arzt steckt", so Schäferhoff. "Wenn man absolut sicher sein will, muss man den Sportler etwas länger draußen lassen. Allerdings drängen zum einen die Profis wieder auf den Platz. Zum anderen wollen natürlich sowohl Trainer als auch Manager und Verein, dass der Spieler wieder zum Einsatz kommt."

Vertrauen zwischen Spieler und Trainer

Hans-Jürgen Tritschoks, Arzt und Fußballlehrer an der Sporthochschule Köln (Foto: Constanze Lopez)
Tritschoks: Hoher Preis für LeistungssportBild: DW

Hans-Jürgen Tritschoks, Arzt und Fußballlehrer an der Sporthochschule Köln, warnt vor jeder einzelnen Verletzung eines Profisportlers, denn "Verletzungen führen zu strukturellen Veränderungen. Diese können am Anfang sehr klein sein, sodass sie den Spieler nicht so sehr belasten. Aber wir wissen, dass viele ehemalige Profis riesige degenerative Veränderungen im Knie- und Sprunggelenk haben. Das ist einfach der Preis, der dafür bezahlt wird." Der Sportler wird durch ein immer schnelleres Spiel, die vielen englischen Wochen und die immer kürzeren Pausen und Vorbereitungszeiten körperlich sehr stark belastet. Da nutzen sich die Gelenke und Knochen viel mehr ab, als wenn man einen Schreibtischjob hat. Besonders riskant ist es, mit schon verletzten Bändern, Knochen und Gelenken Profisport zu betreiben, denn so werden sie noch viel mehr und zum Teil auch falsch abgenutzt.

Tritschoks findet vor allem ein vertrauensvolles Miteinander zwischen Trainer und Spieler wichtig: "So wie in Dortmund, wo Mario Götze kürzlich im Spiel gegen Leverkusen die Hand gehoben hat, als er nicht mehr konnte und Jürgen Klopp ihn dann auswechselte. Früher hätte er vielleicht weitergespielt und sich dann verletzt." Und obwohl Götze frühzeitig ausgewechselt werden wollte, muss er nicht sofort fürchten, nächste Woche auf der Bank zu sitzen.

Wissenschaftliche Erkenntnisse nutzen lernen

Heinz Kleinöder, Trainingswissenschaftler an der Sporthochschule Köln (Foto: Constanze Lopez)
Kleinöder: Früh vorbeugenBild: DW

Sind also Verletzungen wegen der hohen sportlichen Belastung im Profisport mehr oder weniger unvermeidlich? "Nein", sagt Heinz Kleinöder, Trainingswissenschaftler an der Sporthochschule in Köln, "denn durch frühzeitiges Screening, möglichst schon im Kindes- und Jugendalter, können potentielle Verletzungen erkannt werden, bevor sie entstehen." So führt etwa ein minimaler Gehfehler dazu, dass sich der Knorpel im Knie stärker abnutzt. In diesem Fall kann ein spezieller Trainingsplan nur für diesen Spieler aufgestellt werden, wodurch Muskeln aufgebaut werden, die diesen Gehfehler ausgleichen.

Kleinöder hat es aber manchmal schwer, seine sportwissenschaftlichen Erkenntnisse an Trainer und Spieler angemessen zu vermitteln. Denn für ein individuelles Training einzelner Spieler hat nicht jeder Verständnis. Gemeinschaftliche Taktikübungen und Training am Ball stehen im Vordergrund. Trainingswissenschaftlich gesehen gibt es also noch Luft nach oben, um Sportler vor Verletzungen zu schützen und sie außerdem topfit zu halten.

Autorin: Constanze Lopez
Redaktion: Stefan Nestler