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Regierungskrise

Angela Göpfert26. Februar 2007

Die eine Krise ist noch nicht überwunden, da sehen Italien-Experten schon die nächste heraufziehen. Sie monieren, die innenpolitischen Probleme schlügen sich auch in einer miserablen außenpolitischen Performance nieder.

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Demonstranten von Berlusconis Forza Italia halten Schilder mit "Bye Bye Romano" hoch, Quelle: AP
Freuen sich schon auf Neuwahlen: Demonstranten von Berlusconis Forza ItaliaBild: AP

Romano Prodi ist ein fixes Kerlchen. Seinen Landsleuten ist er als leidenschaftlicher Radfahrer bekannt. Nur sportliche 64 Stunden hat seine Regierungskrise gedauert: Vergangenen Mittwoch (21.2.07) warf Italiens Ministerpräsident nach einer verlorenen Abstimmung über die weitere Stationierung italienischer Soldaten in Afghanistan das Handtuch und erklärte seinen Rücktritt. Dann zog er ein "Zwölf-Punkte-Programm" aus der Tasche - und pünktlich zum Wochenende wurde die Lösung offeriert: Wie Phönix aus der Asche soll die Koalition auferstehen.

Auf die Aufforderung von Staatspräsident Giorgio Napolitano hin will sich Prodi am Mittwoch in einer Vertrauensabstimmung den Abgeordneten und Senatoren stellen.

Kippelnde Regierung

Italiens Ministerpräsident Romano Prodi, Quelle: AP
Prodi, der ZweckoptimistBild: AP

Trotz der extrem knappen Regierungsmehrheit im Senat rechnet der Italien-Experte Alexander Grasse damit, dass Prodi die Vertrauensabstimmung gewinnen wird und seine seit Mai 2006 regierende Mitte-links-Koalition die Arbeit fortsetzen kann. Doch nicht nur die italienische Zeitung "La Repubblica", ganz Italien stellt sich die Frage: "Und dann? Kann man regieren, wenn die Regierung ständig auf der Kippe steht?"

Prodi selbst äußerte sich zuversichtlich, die Koalition werde sich "kompakt und mit neuem Schwung" präsentieren. Grasse, Professore a contratto und DAAD-Fachlektor an der Fakultät für Politische Wissenschaften der Universität Mailand, hält dies allerdings für "puren Zweckoptimismus".

Wiederholt sich die Geschichte?

Auch Roman Mahrun, Italien-Experte am Münchner Centrum für Angewandte Politikforschung (CAP) glaubt, dass die Regierung nur noch wenige Monate überleben kann: "Der Zwölf-Punkte-Plan gibt Prodi zwar formal eine weit über die Verfassung hinausgehende Machtstellung." Aber gerade bei den äußerst linken Koalitionspartnern könnten die Parteichefs nicht immer für Fraktionsdisziplin sorgen.

Zudem versagte Prodis Kunst des Interessensausgleichs zwischen Vatikan-treuen Christdemokraten und eingefleischten Linken schon einmal: Schon während seiner ersten Amtszeit als Ministerpräsident von 1996 bis 1998 sah sich der Sozialist der wachsenden Kritik seines kommunistischen Bündnispartner gegenüber. Die damalige Kaolition zerbrach schließlich nach einem Misstrauensvotum im Parlament. Neuer Regierungschef und damit lachender Sieger wurde der konservative Medienunternehmer und Populist Silvio Berlusconi.

Prodi - ohne Alternative?

Wenn Kommunisten und Grüne also eine Wiederholung der Ereignisse von 1998 verhindern wollen, wird ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich zähneknirschend erneut mit Prodi zu arrangieren. Nicht nur Staatschef Napolitano sieht derzeit keine Alternative zu dem Mitte-links-Bündnis. Auch CAP-Mann Mahrun ist überzeugt: "Wenn die Regierung scheitern würde, hätten wir ein echtes Problem in Italien."

Denn Italien gehört zu jenen europäischen Ländern, die ihre schmerzhaftesten Reformen noch vor sich haben: vom Afghanistan-Einsatz über die Renten- und Gesundheitsreform bis hin zur Reform des Wahlrechts. Die Berlusconi-Regierung hatte im April 2006, kurz vor ihrer Abwahl, das Wahlrecht so geändert, dass es den rechten Parteien eine Mehrheit im Senat quasi automatisch garantierte.

"Man hat dieses katastrophale Wahlrecht nach arithmetischen und nicht nach politisch vernünftigen Kriterien gestaltet. Das ist ein maßgeschneidertes Wahlrecht für bestimmte parteipolitische Interessen", urteilt Italien-Kenner Grasse. Deshalb habe eine Änderung des Wahlrechts oberste Priorität. "Das wird das erste sein, was Prodi nach der Abstimmung angehen muss."

Nachholbedarf in Sachen Europa

Doch auch in der Europapolitik muss Prodi Gas geben. Denn die innenpolitischen Probleme schlagen sich in einer schlechten außenpolitischen Performance Italiens nieder. Die italienische Politik-Elite sei "zu sehr mit sich selbst und ihrem Machterhalt beschäftigt", moniert CAP-Experte Mahrun.

Tatsächlich scheint es fast so, als habe Italien nicht nur wirtschaftlich, sondern auch außenpolitisch den Anschluss an die großen EU-Mitgliedsstaaten verloren: So ist die EU bei den Verhandlungen im Atomstreit mit dem Iran nur durch Frankreich, Großbritannien und Deutschland vertreten. Italiens Stimme ist hier nicht zu hören.

Zerdeppertes außenpolitisches Geschirr

"Die fünf Jahre Berlusconi mit ihrer extrem amerikafreundlichen und europafeindlichen Politik haben Italien vom europäischen Parkett gefegt", betont Mahrun. Dieses Terrain versucht die Prodi-Regierung seit Amtsantritt zurückzuerobern. So war die italienische Regierung maßgeblich daran beteiligt, den Waffenstillstand zwischen Hisbollah und Israel auszuhandeln.

Allerdings gilt es im Moment auf EU-Ebene noch ganz andere Probleme zu lösen - wie etwa die Verfassungsfrage. Italien-Kenner Grasse ist skeptisch: "Impulse und neuer Schwung für den europäischen Integrationsprozess, beides wäre dringend nötig, sind auf absehbare Zeit leider nicht von Italien zu erwarten. Dies ist um so bedauerlicher, als Italien - und gerade die ambitioniert angetretene Mitte-links-Regierung - hier prinzipiell Einiges zu bieten hätte und gemeinsam mit Deutschland Fortschritte möglich wären."