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Wem gehören die "Snippets?

Rayna Breuer28. November 2012

Deutschland diskutiert mal wieder über Netzpolitik. Wer darf fremden Inhalt unter welchen Bedingungen verlinken? Die Politik versucht Antwort zu geben mit dem "Leistungsschutzrecht".

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Teilnehemer einer Konferenz hören einen Vortrag zum Thema Google Wallet in New York (Foto: AP)
Bild: dapd

Presseverleger und Internet-Suchmaschinen auf digitalem Kriegspfad: Erstere wollen das Recht bekommen, Lizenzgebühren von Suchmaschinen zu fordern, die kleine Textpassagen (sogenannte "Snippets") von Verlagsinhalten im Internet verbreiten. Letztere, allen voran Google, laufen dagegen Sturm. Ein neues Gesetz, das sogenannte Leistungsschutzrecht für Presseverleger, soll Klarheit und Rechtssicherheit schaffen.

Am Donnerstag (29.11.2012) hat der Bundestag in erster Lesung über den Gesetzentwurf debatiert. Im Kern soll durch das Gesetz "sichergestellt werden, dass Presseverlage im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sind als andere Werkvermittler". Soll heißen: Presseverleger wollen an den Umsätzen beteiligt werden, die die Suchmaschinen erwirtschaften, wenn sie Pressetexte verlinken und mit dem "fremden Inhalt" Werbung verkaufen.

Screenshot: Google-Suche zu dem Wort Leistungsschutzrecht (Foto: Screenschot/DW)
Nützlich für den User: die "Snippets"

Google in der Offensive

"Willst Du auch in Zukunft finden, was Du suchst? Mach' mit: Verteidige Dein Netz": Mit dieser Kampagne macht Google gegen das geplante Gesetz mobil. "Ein Leistungsschutzrecht bedeutet weniger Informationen für Bürger und höhere Kosten für Unternehmen", sagt Google-Deutschlandchef Stefan Tweraser. Das Suchen und Finden, Grundfunktionen des Internets, würden durch ein Leistungsschutzrecht gestört.

Unterstützung bekommt der Internet-Riese von der Wissenschaft: Das Max-Planck-Institut veröffentlichte am Mittwoch eine Stellungnahme, worin sich Wissenschaftler gegen das geplante Gesetz aussprechen und vor "unabsehbaren negativen Folgen" warnen. Weite Kreise der deutschen und europäischen Rechtswissenschaft seien darüber besorgt, schreiben die Verfasser. Das bereits bestehende Urheberrecht halten sie für ausreichend: "Verleger können jetzt schon sagen, wenn sie nicht verlinkt werden möchten. So können sie sich aus den Listen der Suchmaschinen austragen lassen und dafür sorgen, dass ihre Inhalte nicht gefunden werden", sagt Ralf Dewenter, Wirtschaftsprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Aber genau das Gegenteil sei der Fall: "Diese Online-Medien tun sehr viel dafür, dass sie sehr weit oben in der Suche stehen; sie wollen gefunden werden. Das können sie unterbinden, sie tun es aber nicht, weil sie davon profitieren", sagt Dewenter, der die Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Max-Planck-Instituts unterstützt.

Von der Notwendigkeit einer Korrektur

"Früher gab es im Pressebereich eine durchgängige Wertschöpfungskette. Das heißt, ein Verlag hatte vom Schreiben eines Artikels bis zum Vertrieb der Zeitung alles in eigener Hand. Das hat sich durch das Internet verändert. Durch die Verlinkung können Suchmaschinen an der Leistung anderer partizipieren, indem sie den Inhalt für sich nutzen und daraus ein eigenes Geschäftsmodell machen", sagt Ansgar Heveling, CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied der Enquete-Kommission "Internet und Digitale Gesellschaft".

Porträt Ansgar Heveling, CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied der Enquete Kommission. (Foto: Ansgar Heveling)
Ansgar Heveling, CDU-BundestagsabgeordneterBild: Ansgar Heveling

Bisher seien Suchmaschinen nicht bereit gewesen, für diese Leistung Geld zu zahlen. Das soll sich mit dem geplanten Gesetz ändern. Wichtig sei, dass der aktuelle Gesetzesentwurf eine klare Abgrenzung zwischen gewerblichen und privaten Anbietern definiere. Insofern seien Blogger vom Leistungsschutzrecht nicht betroffen. "Es bezieht sich auf diese Betreiber, die gewerblich die Leistungen anderer, wie etwa der Presseverlage, im Internet nutzen. Das sind Suchmaschinen und speziell auch sogenannte Nachrichten-Aggregatoren", sagt Heveling. Solche Aggregatoren sind Anbieter wie Google News, die Nachrichten oder andere Inhalte aus verschiedenen Internet-Quellen zusammenstellen.

Über den Unmut einiger Gruppen in der Öffentlichkeit macht sich Heveling wenig Sorgen: Er habe bislang nur eine E-Mail bekommen, nachdem Google seine Kampagne gestartet und die Internet-Nutzer dazu aufgefordert hat, ihren Abgeordneten per E-Mail ihren Protest kundzugeben.

Ein Befürworter des Leistungsschutzrechts ist der Deutsche Journalisten-Verband (DJV): "Für uns ist das nachvollziehbar, wenn Verlage versuchen, mit Hilfe eines solchen Gesetzes zusätzliche Erlöse aus Inhalten zu erzielen, die auf ihren redaktionellen Seiten im Internet veröffentlicht sind", sagt Hendrik Zörner, DJV-Pressesprecher. Dennoch ist für Zörner das geplante Gesetz nicht ganz lückenlos: "An dem Aufkommen, das durch das Leistungsschutzrecht erzielt wird, müssen die Urheber beteiligt werden. Im Moment ist genau das nicht klar geregelt, denn die Rede ist von einer angemessenen Vergütung, und was 'angemessen' bedeutet, ist reine Auslegungssache", sagt Zörner. Es seien die Verleger, die erst einmal profitieren werden. "Wir wollen, dass ein gerechter Teil der Einnahmen an eine Verwertungsgesellschaft geht, die das Geld unter den Urhebern verteilt", so Zörner. Der Journalistenverband fordert also, dass auch die Autoren der Artikel am Erlös beteiligt werden, die - ähnlich wie Komponisten durch die GEMA - von der "Verwertungsgesellschaft Wort" in München vertreten werden.

Porträt Hendrik Zörner, DJV-Pressesprecher (Foto: DJV/Hendrik Zörner)
Hendrik Zörner, DJV-PressesprecherBild: DW

Ist die Informationsfreiheit gefährdet?

Mal angenommen das Gesetz tritt bald in Kraft: Was passiert, wenn sich Suchmaschinen und Presseverleger nicht einigen? Heißt das, dass alle Inhalte nur auf den entsprechenden Seiten der Anbieter und nicht über die Suchmaschinen zu finden wären? Über die Auswirkungen eines solchen Leistungsschutzrechts herrschen verschiedene Meinungen: "Das Leistungsschutzrecht kann dazu führen, dass Informationen schwerer oder gar nicht mehr auffindbar sind. Das ist der Fall, wenn Suchmaschinenbetreiber oder Nachrichten-Aggregatoren keine Links mehr zu deutschen Verlagsangeboten setzen", sagt Mario Rehse, Urheberrechtsexperte vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien.

Hingegen sieht Heveling die Informationsfreiheit nicht in Gefahr: "Letztendlich geht es darum, die bestehenden Rechte ins Gleichgewicht zu bringen. Ich gehe davon aus, dass es eine Vereinbarung zwischen Verlegern und Suchmaschinen geben wird, sodass die Auswirkungen für den einzelnen Nutzer nur sehr begrenzt sein werden. Er wird vom Leistungsschutzgesetz nicht viel merken", sagt Heveling.