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Glaube

Verrückt sein

19. Juli 2018

Udo Jürgens sang davon, wie schön es wäre, verrückt zu sein. Jesus macht uns Mut dazu, erklärt Antje Borchers

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Bild: Fotolia/Elnur

Nicht mehr normal

Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii, ging nie durch San Francisco in zerriss’nen Jeans. Einmal verrückt sein und aus allen Zwängen flieh’n. – Danach sehnte sich seinerzeit Udo Jürgens.

Einmal verrückt sein! Oder auch zweimal oder dreimal…..! Wenn da nur nicht die anderen wären, die mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten: Die ist ja nicht mehr normal! Der ist von Sinnen! – Auf manche Meinung könnte ich durchaus  pfeifen, aber Familie und Freunde, deren Meinung wäre mir schon wichtig. Ich will schließlich nicht vereinsamen. Und ich brauche auch Ermutigung für manche verrückte Idee.

Aber – wer kennt das nicht! – gerade die Familie hat ihre ganz speziellen Vorstellungen, wie Familienmitglieder sein sollen:

Er hat doch was ordentliches gelernt

Auch Jesus damals, der Mann aus Nazareth, hat seine liebe Not mit der lieben Familie, denn sie hält ihn für verrückt. Hat er nicht einen anständigen Beruf gelernt? Ja, er ist Tischler. Wie sein Vater. Aber jetzt zieht er als Prediger umher. Und Heiler. Lehrt in den Gotteshäusern und erzählt von Gott, dem liebenden Vater. Und die Menschen strömen zu ihm, Kranke, Besessene. Er sitzt mit den Prostituierten und Kleinkriminellen zusammen, fasst die Unfassbaren an Die Familie ist sich einig. Was für ein missratener Sohn, eine einzige Enttäuschung für seine Handwerkerfamilie. Von allen guten Geistern verlassen ist er. Verrückt.

Nun, was ist eigentlich verrückt? Durch San Francisco zieh’n in zerriss’nen Jeans? Menschen berühren und heilen? Von Gott reden wie von einem Freund? – Verrückt  ist, wen die Gesellschaft für verrückt erklärt, wen wir für verrückt erklären. Der Maßstab dafür? Na, das, was normal ist. Und normal ist, was die meisten machen. Paradox daran ist: Die meisten wollen gar nicht das machen, was die meisten machen. Die meisten wollen anders sein, sich abheben aus der Masse. – Gleichzeitig will aber auch niemand vereinsamen.

Das Zentrum des Universums

Und wenn viele dasselbe anders machen, dann wird das normal. Auch, wenn es vor einigen Jahren noch das war, was als verrückt galt. Vor 400 Jahren zum Beispiel war es völlig verrückt zu behaupten: Die Erde dreht sich um die Sonne. Denn ist nicht der Mensch die Krone von Gottes Schöpfung und ist nicht die Erde das Zentrum des Universums!?! Jeder, der etwas anderes behauptet, lästert Gott. Das hat damals die Institution gesagt, die festgelegt hat, was normal ist: die Kirche. So hat sie damals den Wissenschaftler Galileo Galilei als Gotteslästerer bezeichnet. Galileo wurde von der katholischen Kirche  gezwungen, seine gotteslästerliche Behauptung zu widerrufen, die Erde drehe sich um die Sonne.

Auch Jesus soll von seiner Familie zur Umkehr gezwungen werden. Sie ahnt vielleicht, dass die religiöse und politische Elite die Behauptungen von Jesus nicht lange hinnehmen würde: Gott, ein liebender Gott?!? Jeder kann direkt zu ihm kommen? Auch der dreckigste Bettler kann mit dem Heiligen reden!? Auch der korrupteste Politiker kann auf Gottes Gnade zählen?!? – Jesus, das glaubst du doch selbst nicht.

Doch. Das glaubt er. Er weiß es sogar. Denn Jesus kommt direkt von Gott. Er kennt Gott als den, der die Menschen liebt, die er geschaffen hat.

Wer die Musik nicht hört, hält die Tanzenden für toll, lautet ein Sprichwort. Toll im Sinne von verrückt. Verrückt ist, was jemand verrückt hat, von einer Position auf eine andere. Wie bei dem Spiel „Das verrückte Labyrinth“. Meistens kommt man bei diesem Spiel gerade dann zu seinem Ziel, wenn man einzelne Kärtchen verrückt und sich so den Weg frei macht. Genau darum geht es Jesus: um eine verrückte Position, die einem den Weg zum Ziel ermöglicht. Das Ziel ist für Jesus ein gutes Leben: mit Gott, mit sich selbst, mit anderen.

Mir gefällt der Gedanke, dass Gott auch mich verrückt: mich und meine Einstellungen zu Menschen, zu mir selbst, zur Welt. So gelange ich zu einem echt verrückten Leben. Das ist ein gutes Ziel.

 

Zur Autorin: 

Antje Borchers ist Diplom-Medienwirtin und Journalistin. Sie betreibt eine Agentur für Kommunikation, Medienarbeit und Pressearbeit.