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Inselstreit verschärft sich

Esther Felden6. September 2012

Medienberichten zufolge wird Japan noch im September die umstrittenen Senkaku-Inseln kaufen. Der Territorialstreit mit China wird weiter angeheizt, meint Markus Tidten von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

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Die Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer
Der Konflikt um die Senkaku-Inseln schwelt weiterBild: AP

Deutsche Welle: Japanischen Zeitungsangaben zufolge wird die Regierung in Tokio in Kürze drei der Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer von den derzeitigen Privateigentümern kaufen. Wie ist die Meldung aus Ihrer Sicht zu bewerten?

Markus Tidten: Die Tatsache, dass die Inseln gekauft werden sollen - und zwar wahrscheinlich noch bis Ende September - ist schon länger ein Faktum. Losgetreten wurde die Aktion vom rechten Rand der politischen Szene in Japan. Die Idee, die Inseln zu kaufen und damit endlich Ruhe in den Streit zu bringen, stammt von Shintao Ishihara, dem Gouverneur von Tokio, der bekannt ist für ausgefallene nationalistische Positionen. Die grundsätzliche Position Japans ist seit dem Friedensvertrag von San Francisco 1952 unverändert. Demnach handelt es sich hier um japanisches Territorium - mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass die Inseln in privatem Besitz sind.

Es gab früher bereits Ideen, das Risiko, dass die Inseln irgendwann aus dem Zugriff Japans verschwinden könnten, weil sie eben in Privatbesitz sind, zu minimieren und sie in irgendeiner Form staatlich zu verankern. So gesehen ist der anstehende Kauf nur der letzte Schritt, der von langer Hand vorbereitet wurde. Dummerweise fällt er allerdings jetzt in eine Zeit extremer Spannungen zwischen China und Japan und wird dementsprechend auch von lauten Protesten von Seiten Chinas und Taiwans begleitet.

Sie haben den nationalistischen Gouverneur von Tokio angesprochen, der seit dem Frühjahr offen Kaufabsichten äußert. Ein Verkauf an ihn würde nach Ansicht einiger Medien das Konfliktpotenzial weiter erhöhen und die Spannungen zwischen Japan und China verschärfen. Kann man einen Kauf durch die japanische Regierung also langfristig betrachtet als Versuch werten, den Streit zu befrieden?

Das ist eigentlich nur ein Nuancen-Unterschied. Ob die Inseln von der Präfektur Tokio gekauft werden oder vom Staat als Ganzes, das macht eigentlich keinen Unterschied. Der entscheidende Punkt ist, dass Japan hier nach Ansicht Chinas in eine umstrittene Frage über die Souveränität eingreift: Japan kauft etwas, was dem Land eigentlich nicht gehört und für dessen Handel auch nur der rechtmäßige Besitzer verantwortlich ist. Sprich: aus Sicht Pekings natürlich China und aus Sicht Taiwans Taiwan.

Markus Tidten von der Stiftung Wissenschaft und Politik
Markus Tidten, Ostasien-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und PolitikBild: Stiftung Wissenschaft und Politik

Gerade hat auch US-Außenministerin Clinton die Region besucht und dabei natürlich auch dieses Thema angesprochen. Inwieweit ist eine Einmischung von außen hilfreich bei der Lösung des Konflikts?

Sie wird wahrscheinlich eher eskalierend wirken. Die Position der USA ist eindeutig. Im Zusammenhang mit der Kapitulation Japans (im Zweiten Weltkrieg) wurde die Präfektur Okinawa besetzt. Als diese Besatzungszeit durch die Amerikaner 1972 beendet war, wurde alles, was zur Präfektur Okinawa gehörte, an Japan zurückgegeben - ausdrücklich inklusive der Senkaku-Inseln. Denn die gehören zumindest seit 1885 definitiv zum Territorialbestand Japans.

Die USA sind jetzt in einer schwierigen Lage: Sie wollen jede Eskalation im Verhältnis zu China vermeiden und sind natürlich auch nicht daran interessiert, dass die Spannungen steigen. Daher bringen sie ihre klare Haltung in Bezug auf die Inseln nur sehr verklausuliert zum Ausdruck, um nicht noch mehr aufzurühren. Aber im Prinzip ist die Position der USA noch sehr viel deutlicher als die Japans.

Wenn also - wie zu erwarten - der Kauf bis Ende des Monats abgeschlossen ist, ist dann aus Ihrer Sicht mit einem heißen Herbst zu rechnen, mit einer weiteren Eskalation?

Mit Sicherheit. Das ist ja nicht das einzige Problem, das Japan hat. Das Land hat mit vielen seiner Nachbarn ungelöste Territorialprobleme, die alle für die Position Japans von unterschiedlicher Qualität, Brisanz und Relevanz sind. Die Senkaku-Inseln sind deshalb innerhalb der gesamten territorialen Schwierigkeiten - ob das nun der Konflikt um Takeshima mit Südkorea oder um die Südkurilen mit Russland ist - so ein großes Problem, weil sie den Nerv der japanisch-chinesischen Beziehungen tangieren.

China erhebt eigentlich erst seit den 1970er Jahren einen deutlichen Anspruch auf diese Inseln, seit dem Zeitpunkt, da bekannt wurde, dass möglicherweise im Seegebiet um diese Inseln herum große Gas- und Ölvorkommen zu finden sind. Und das ist natürlich für ein so energiehungriges Land wie China ein Punkt, den man nicht übersehen kann. Der zweite Punkt ist: Die Inseln liegen rund 500 km von Okinawa entfernt, aber sie liegen in relativ enger Nachbarschaft zu kleineren Inseln, die ohnehin zu Japan gehören. Durch diesen Seestrang geschieht eigentlich der gesamte Handel Japans mit dem Ausland - ob das die Energieeinfuhr oder die Warenausfuhr ist. Und die Kontrolle über diesen Seeweg nun so ohne Weiteres dem aufstrebenden China zu überlassen, kann nicht im japanischen Interesse sein. Deshalb ist es eigentlich höchste Zeit, dass diese Position geklärt wird. Der Kauf wird sehr viel Protest hervorrufen in China, aber ich glaube, er ist eigentlich unausweichlich.

Dr. Markus Tidten ist Mitglied der Forschungsgruppe Asien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Japans innenpolitische Entwicklungen und ihre außen- und sicherheitspolitischen Konsequenzen sowie Japans politische und sicherheitspolitische Rolle in Nordostasien