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Vertrauen in Europa

6. Januar 2012

Kleiner, schlanker und flexibler – so soll die US-Armee der Zukunft aussehen. Die neue US-Verteidigungsstrategie bringt einige Veränderungen. Die Europäer sollten sich darüber freuen, meint Christina Bergmann.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)

Die neue Verteidigungsstrategie der USA ist auch aus der Not geboren. Verteidigungsminister Leon Panetta machte bei der Vorstellung des Papiers keinen Hehl aus der Tatsache, dass das massive Haushaltsdefizit und der Schuldenberg "ein nationales Sicherheitsrisiko" sind und den Verteidigungshaushalt belasten. Mindestens 450 Milliarden Dollar muss das Pentagon in den nächsten zehn Jahren einsparen. Wenn der Kongress sich im Haushaltsstreit nicht einigt, könnten noch einmal 500 Milliarden Dollar dazukommen.

Dem Militär blieb deswegen keine andere Wahl, als Prioritäten zu setzen. Es lag nahe, dabei gleichzeitig die verteidigungspolitische Maxime der derzeitigen US-Regierung zu berücksichtigen und sich auf die gewandelte globale sicherheitspolitische Lage einzustellen. Für die Europäer ist das Ergebnis eine gute Nachricht, denn es steht ganz im Zeichen des von ihnen favorisierten Multilateralismus. Wer die Anzahl der Soldaten verkleinert und sich von der Maxime verabschiedet, zwei große Landkriege gleichzeitig führen zu können, der wird einen Alleingang wie den letzten Irakkrieg nicht so leichtfertig eingehen, wie es der damalige US-Präsident Bush getan hat.

Bekenntnis zur NATO

Christina Bergmann
Christina Bergmann, DW Washington

Gleichzeitig beinhaltet die neue Strategie ein klares Bekenntnis zum wichtigsten Verteidigungsbündnis der Europäer, der NATO. Die USA wollen Artikel 5 des NATO-Vertrages, den kollektiven Verteidigungsfall, weiterhin garantieren. Jedes Land der Allianz kann sich also nach wie vor auf den militärischen Beistand der Amerikaner verlassen, sollte es angegriffen werden. Dabei unterstützen die Amerikaner die NATO nicht selbstlos. Sie haben erkannt, dass sie mit der transatlantischen Allianz ein Instrument zur Verfügung haben, das es ihnen ermöglicht, militärische Ziele zu erreichen, ohne die gesamte – personelle und finanzielle - Last und Verantwortung alleine tragen zu müssen. Libyen ist das aktuelle Beispiel. Auch das kann den Europäern nur Recht sein, denn ohne die militärische Macht der USA wäre die NATO lediglich ein Papiertiger. Eine Hand wäscht also die andere.

Dass die Amerikaner ihre Truppenpräsenz in Europa weiter verringern wollen und ihr Augenmerk auf den asiatisch-pazifischen Raum lenken, ist kein Zeichen der Vernachlässigung, als die die Europäer die veränderte Ausrichtung der Amerikaner in letzter Zeit so oft bejammert haben. Es ist vielmehr ein Vertrauensbeweis, der sich in der neuen Strategie in dem Satz ausdrückt, der sinngemäß heißt: "Die meisten europäischen Länder sind nun selbst Garanten von Sicherheit, statt nur Nutznießer zu sein." In den Augen der Amerikaner ist Europa erwachsen geworden und kann nicht nur auf sich selbst sondern auch noch auf andere aufpassen. Es kann und muss mehr Verantwortung übernehmen. Darauf verlassen sich die Amerikaner jetzt.

Auch die anderen verteidigungspolitischen Maximen liegen auf der Linie der Europäer: atomare Abrüstung, der Kampf gegen radikale Extremisten im Nahen Osten und anderswo, humanitäre Hilfsleistungen, die Garantie von freiem Handel in der Luft und zur See und die Fähigkeit, Angriffe im Cyberspace verhindern oder bekämpfen zu können. Und niemand sollte sich täuschen: Allen finanziellen Kürzungen zum Trotz bleiben die USA die größte Militärmacht der Welt. Und Europa ihr "erster Partner in dem Bestreben nach globaler und wirtschaftlicher Sicherheit". Und das, so heißt es in dem Strategiepapier weiter, "wird auf absehbare Zeit so bleiben". Europa kann mit der neuen Verteidigungsstrategie der USA sehr zufrieden sein.

Autorin: Christina Bergmann, Washington
Redaktion: Frank Wörner