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PolitikEuropa

EU: Einreise für Geimpfte verwirrend

29. Juni 2021

Die EU-Einreiseregeln für geimpfte Menschen sind unverständlich, denn jeder Mitgliedsstaat macht sein eigenes Ding. Das Problem haben nicht nur Menschen aus Indien, die AstraZeneca bekamen. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Indien Corona Hilfslieferungen Impfung
Die Inderin Nidi Shah erhält den Impfstoff Covishield von AstraZeneca, der in der EU nicht zur Verimpfung zugelassen istBild: NIHARIKA KULKARNI/dpa/picture alliance

Wenn am 1. Juli der EU-Impfpass offiziell an den Start geht, können dieses Dokument, das Reisen innerhalb der EU erleichtern soll, nur Menschen bekommen, die mit einem der vier in der EU zur Anwendung zugelassenen Impfstoffe immunisiert worden sind. Gegen diese Bestimmung gibt es Protest aus Indien und von der Afrikanischen Union, weil in Indien und Afrika hauptsächlich die indische Variante des Impfstoffes von AstraZeneca mit dem Namen "Covishield" verimpft wird. In der EU ist aber nur die in Europa hergestellte Version des AstraZeneca-Impfstoffes "Vaxzevria" von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zur Anwendung freigegeben.

Die Afrikanische Union spricht von einer möglichen Diskriminierung von afrikanischen Reisenden. In Indien will sich der Hersteller des AstraZeneca-Impfstoffes "Serum Institute of India" für eine schnelle Zulassung durch die EMA einsetzen. Beides schießt über das Ziel hinaus, denn weder der Impfpass noch eine eine Zulassung für die tatsächliche Verimpfung von "Covishield" am Menschen in der EU ist wirklich notwendig.

Coronavirus Symbolfoto Impfprivilegien
Elektronisches EU-Impfzertifikat: Zur Einreise aus Dritt-Staaten ist es NICHT notwendigBild: Weber/Eibner-Pressefotopicture alliance

Impf-Lotto für Reisende aus Drittstaaten

Jeder außerhalb der EU mit "Covishield" geimpfte Mensch kann in die EU einreisen, denn die EU-Mitgliedsstaaten können nach den geltenden Regeln jeden Impfstoff als Einreisebedingung anerkennen, der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) freigegeben wurde. Das bestätigte heute der Sprecher der EU-Kommission, Adalbert Jahnz, in Brüssel: "Das kann auf andere Impfstoffe angewendet werden, die auf der WHO-Liste sind."

Auf der Impfstoff-Liste der WHO tauchen nicht nur die vier in Europa verwendeten Vakzine auf, sondern auch "Covishield" und die in Südkorea hergestellte Version des AstraZeneca-Impfstoffs mit dem Namen "SK Bio" , die offenbar mit dem EU-Präparat "Vaxzevria" identisch ist. Die Weltgesundheitsorganisation erkennt außerdem "Sinopharm" und "Sinovac" aus China und sämtliche Variationen der Impfstoffe von BioNTech-Pfizer, Moderna und Janssen (Johnson & Johnson) an. Diese Impfstoffe dürfen in den gelben Impfpass der WHO eingetragen werden. Sie sind aber nicht überall auf der Welt zur Anwendung zugelassen, sondern besitzen nur regionale Zulassungen.  

Deutschland | Coronavirus | Impfpass zweite Impfung AstraZeneca
Ein WHO-Impfnachweis reicht für die Einreise in manchen, nicht in allen EU-MitgliedsstaatenBild: Weber/Eibner-Pressefoto/picture alliance

Alles geht, nichts muss?

"Es gibt die Möglichkeit, für Menschen aus Drittstaaten ein EU-Impfzertifikat zu erhalten, wenn sie nachweisen können, dass sie mit einem relevanten Impfstoff, der im Regelwerk für das Zertifikat erwähnt wird, versorgt worden sind, und zwar für den Mitgliedsstaat, in den sie reisen", sagte dazu Christian Wigand von der EU-Kommission. Die 27 Mitgliedsstaaten der EU haben also die Möglichkeit, Impfstoffe aus der WHO-Liste zu akzeptieren und einen Impfpass auszustellen. Sie können, müssen es aber nicht. Diese EU-Regelung ist nur eine Empfehlung, kein Gesetz.

Für die Einreise aus Asien, Südamerika oder Afrika ist kein EU-Impfpass notwendig, sondern nur der einzelne Nachweis einer Impfung im Heimatland mit einem Impfstoff, den das Land, in das man einreist, anerkennt. Es kann also sein, dass die Einreise für eine Inderin mit "Covishield"-Schutz nach Zypern zulässig ist, aber nicht in Deutschland.

Christian Wigand von der EU-Kommission
Christian Wigand von der EU-Kommission: Wir bekommen viele Anfragen aus aller WeltBild: EU/Etienne Ansotte

Verwirrende Regeln

Die EU-Kommission gesteht selbst zu, dass diese Regeln nur schwer zu verstehen sind und die Auslegung durch die Grenzbehörden und die Verwaltungen in den Mitgliedsstaaten verbessert werden muss. Drei EU-Kommissare haben deshalb heute an alle 27 Regierungen einen Brief geschrieben, in dem die möglichst einheitliche Umsetzung der "Einreise-Empfehlungen" und weniger Alleingänge angemahnt werden.

Auch andere Impfstoffe betroffen?

Das Impfstoff-Wirrwarr betrifft nicht nur das AstraZeneca-Präparat aus Indien, das über die Covax-Initiative in über 100 Staaten verteilt wird, sondern auch das in Deutschland entwickelte BioNTech-Pfizer-Serum. Einige kanadische Bürgerinnen und Bürger beklagen sich unter anderem der DW gegenüber, dass sie nicht nach Deutschland einreisen können, obwohl sie in Kanada mit BioNTech-Pfizer vollständig geimpft wurden. Nach Auskunft der Konsularabteilung der deutschen Botschaft in Kanada erkennten deutsche Visabehörden im Moment nur den in Europa verwendeten Markenbegriff "Comirnaty" für das BioNTech-Pfizer-Vakzin an. In Kanada wird der Impfstoff aber mit "Pfizer-BioNTech" in die Impfnachweise eingetragen. Eine bürokratische Sackgasse, wie es scheint.

US-Bürgerinnen und Bürger sind von diesem Problem nicht betroffen. Die USA sind inzwischen auf der "grünen Liste" der EU gelandet. Bei der Einreise nach Europa ist nur noch ein simpler negativer PCR-Covidtest notwendig. Ein Impfnachweis ist möglich, aber nicht vorgeschrieben. In umgekehrte Richtung gilt das nicht. Die USA lassen selbst geimpfte EU-Bürger nur in wenigen Ausnahmefällen ins Land.

AstraZeneca aus Europa "Vaxzevria" wird in viele Teile der Welt exportiert, unter anderem nach Kanada, Großbritannien, Mexiko und Chile. Menschen, die diesen Impfstoff erhalten haben, können also auch einen elektronischen Impfpass im EU-Land ihrer Einreise erhalten. Fraglich ist aber, ob und wie dies nachgewiesen werden kann, sollte im nationalen Impfnachweis nicht der exakte Name "Vaxzevria" genannt werden.

Weder von der EU noch von der WHO ist russischer Impfstoff anerkennt. Er kann also bei der Einreise aus einem Drittstaat nicht als Nachweis für eine Immunisierung angeführt werden. 

Coronavirus | Impfprogramm in Kenia
Kein Impfstoff zweiter Klasse: Covishield in Kenia, verteilt von der UN-Impfinitiative CovaxBild: Robert Bonet/NurPhoto/picture alliance

Klärungsbedarf auch für den Balkan

Die EU-Kommission kündigte heute an, so schnell wie möglich alle Fragen im Zusammenhang mit der Anerkennung von Impfstoffen im Reiseverkehr zu beantworten. "Wir bekommen eine Menge Anfragen zur Anerkennung aus vielen Teilen der Welt. Wir müssen prüfen, für welche Länder der Erde dies möglich sein wird", erklärte Christian Wigand von der EU-Kommission in Brüssel. Besonders viele Anfragen kommen von den Regierungen in den West-Balkan-Staaten, weil viele Menschen in der EU dorthin verwandtschaftliche Beziehungen haben. Jetzt soll sichergestellt werden, dass man nach dem Sommerurlaub in Serbien oder Nordmazedonien auch wieder problemlos in die EU zurückreisen kann. 

Noch sind touristische Reisen aus den meisten Länder der Erde in die EU noch beschränkt. Diese Beschränkungen sollen so schnell wie möglich, je nach Infektionsentwicklung in den Herkunftsländern aufgehoben werden, hat die EU beschlossen. Im Prinzip können die Mitgliedsstaaten vollständig geimpften Personen, die einen von der WHO anerkannten Impfstoff erhalten haben, die Einreise erleichtern. Sie müssen es aber nicht. 

Großbritannien übrigens, das ja nicht mehr zur EU gehört, geht einen anderen Weg. Hier müssen Geimpfte auf jeden Fall einen negativen Test vorlegen und in Quarantäne gehen, egal mit was sie geimpft wurden.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union