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Viel Klärungsbedarf zwischen Russland und der EU

24. Mai 2007

Proteste gegen die EU in Moskau, ein Haftbefehl aus London im Fall Litwinenko: Das Verhältnis zwischen EU und Russland verschlechtert sich weiter. Ex-Schachweltmeister Kasparow warnt vor "ernster Krise" in seinem Land.

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Bild: Montage picture-alliance/DW

"In den paar Sekunden, in denen ich im russischen Fernsehen zu sehen bin, spreche ich immer Englisch", sagt Garri Kasparow, Gründer und Führer der oppositionellen politischen Bewegung "Anderes Russland". "Damit will die russische Propaganda dem Publikum weismachen, ich würde nur mit meinen Bossen im Westen sprechen". Dort, zum Beispiel im Europäischen Parlament, wird Garri Kasparow als Streiter für Meinungsfreiheit gefeiert. In Russland selbst tauchen er und die "Vereinigte Bürgerfront" in den kremltreuen Medien so gut wie nie auf. "Ich möchte zu meinen Landsleuten in meiner Muttersprache sprechen, aber leider wird mir diese Möglichkeit verwehrt", so Kasparow. Er hielt sich am 23. Mai auf Einladung von Hans-Gert Pöttering, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, in Straßburg auf.

Kasparow: "Bündnis für freie Wahlen"

Kasparow festgenommen
Garri KasparowBild: AP

Mit einer Korrespondentin von Russia today tv, einem englischsprachigen staatlich kontrollierten Fernsehsender, lieferte sich Garri Kasparow bei der Pressekonferenz in Straßburg ein Wortgefecht. Die Journalistin bestand darauf, dass Kasparow mit Kommunisten zusammenarbeite. Der ehemalige Schachweltmeister entgegnete, bei seinen Demonstrationen gebe es zwar viele Meinungen, aber alle wollten freie, faire und demokratische Präsidentschaftswahlen im Frühjahr nächsten Jahres durchsetzen. "Wir hoffen, dass Europa uns in unserem Kampf für demokratische und stabile Institutionen in Russland unterstützen wird. Denn ein freies Russland, das sich an die Verfassung und internationale Vereinbarungen hält, ist unser aller Interesse."

EU kritisiert den Kreml

Hans-Gert Pöttering
Hans-Gert PötteringBild: picture-alliance/dpa

Das Europäische Parlament hatte angesichts der Spannungen zwischen Russland und Estland sowie der massiven Menschenrechtsverletzungen und Demonstrationsverbote in Russland bereits am 10. Mai eine kritische Resolution verabschiedet. Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering sicherte Garri Kasparow die Solidarität der EU zu. "Wir wollen geordnete Beziehungen auch mit dem russischen Präsidenten Putin und der Regierung. Aber es ist gleichzeitig unsere Pflicht, diejenigen in Moskau und Russland zu unterstützen, die mit viel Mut für die Demokratie und die rechtstaatliche Ordnung eintreten", sagte Pöttering.

Warnung vor politischer Krise in Russland

Kasparow zeigte sich zufrieden, dass sich die Einstellung Europas gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wandle. Die kritischen Worte der derzeitigen EU-Ratspräsidentin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, während des EU-Russland-Gipfels in Samara seien ermutigend, sagte er. Die EU müsse standhaft bleiben und dürfe keine verschiedenen Maßstäbe anlegen, um etwa die eigene Energieversorgung oder wirtschaftliche Vorteile zu sichern.

"Herr Putin führt kein Land, sondern eine Firma - 'Russland AG' oder auch 'KGB-Konzern' genannt. All seine Entscheidungen folgen den Geschäftsinteressen der herrschenden Elite", sagt der Chef der russischen Bürgerfront. Wenn Russland Waffen direkt oder indirekt an den Iran liefere oder mit der Hisbollah handele, dann nur, um den Nahen Osten zu destabilisieren. So würden zum Beispiel die Ölpreise hochgehalten. "So einfach ist das", meint Kasparow. Am Ende des Jahres werde es in Russland zu einer ernsten politischen Krise kommen, weil die Kremlführung nicht in der Lage sei, sich auf einen Nachfolger für Präsident Putin zu einigen, prophezeit Kasparow. Wladimir Putin muss verfassungsgemäß im nächsten Jahr sein Amt zur Verfügung stellen.

EU fordert Aufklärung der Journalisten-Morde

Das Europäische Parlament kritisiert scharf die massiven Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Russland, sagte Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering. Außerdem sei es ein unhaltbarer Zustand, dass politisch motivierte Morde an Journalisten nicht aufgeklärt würden. "Ich sehe keinen Versuch der russischen Behörden, die Mörder von Anna Politkowskaja zu finden oder die Mörder der über 20 Journalisten, die in den letzten Jahren getötet wurden", so Pöttering. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international legte in Moskau einen Bericht vor, nach dem die Journalistin Anna Politkowskaja im Oktober 2006 wahrscheinlich erschossen worden sei, weil sie kreml-kritisch über den Bürgerkrieg in Tschetschenien berichtet hatte. Folter und willkürliche Verhaftungen von Oppositionellen sind laut amnesty international in Russland immer wieder an der Tagesordnung.

Bernd Riegert, Brüssel
DW-RADIO, 23.5.2007, Fokus Ost-Südost