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Debatte um EHEC und Folgen

13. Juni 2011

Die Freude, den EHEC-Erregern auf die Spur gekommen zu sein, wird von neuen Fragen überschattet: Viele Patienten könnten schon bald eine Spenderniere brauchen, um nicht dauerhaft auf die Dialyse angewiesen zu sein.

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EHEC-Keime in einer Petrischale (Foto: picture alliance/dpa)
Die EHEC-Quelle ist noch unbekanntBild: picture alliance/dpa

Die EHEC-Darminfektionen haben inzwischen 35 Todesopfer in Deutschland gefordert. Das teilte das Robert-Koch-Institut am Montag (13.06.2011) in Berlin mit. Die Epidemie und die schwere Verlaufsform HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom) in Deutschland seien bislang einzigartig. In den vergangenen sechs Wochen sind nach Angaben des Berliner Instituts insgesamt 3228 Menschen erkrankt. Nicht nur an Durchfall erkrankte Personen sollten darauf achten, dass strikte Hände-Hygiene eingehalten wird.

Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte (Foto: dpa)
Karl Lauterbach verweist auf die EHEC-NachfolgeschädenBild: dpa

Mindestens 100 Patienten haben nach Einschätzung von Fachleuten so schwere Schädigungen der Niere davongetragen, dass sie eine Organtransplantation brauchen. Ansonsten seien sie für den Rest ihres Lebens auf Dialysen angewiesen, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der Zeitung "Bild am Sonntag". Bundesweit stehen etwa 8000 Menschen auf der Warteliste für eine neue Niere - wegen ganz unterschiedlicher Krankheiten. Allerdings wurden im vergangenen Jahr nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation nur knapp 3000 Nieren verpflanzt.

Scharfe Kritik übte Lauterbach an den EHEC-Meldeverfahren, die vom Bundestag untersucht werden müssten. Die Kliniken sollten in Zukunft jeden EHEC-Fall direkt per Mail an das Robert Koch-Institut melden müssen. Die bisherige Meldekette vom Gesundheitsamt vor Ort über das Landesgesundheitsamt an das Robert-Koch-Institut (RKI) dauere mindestens eine Woche.

Meldeverfahren auf dem Prüfstand

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) (Foto: dapd)
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP)Bild: AP

Nach den Worten von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) werden Bund und Länder gemeinsam die Arbeit und den Informationsfluss bewerten. "Das Meldeverfahren gehört auf die Tagesordnung", sagte Bahr in der "Bild am Sonntag". Zudem kündigte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" Konsequenzen für die Lebensmittelüberwachung an. Dabei werde sie auch auf schärfere Vorschriften für die Sprossenzucht drängen.

Am Samstag hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bestätigt, dass EHEC-Erreger an den Sprossen von einem Biohof im niedersächsischen Bienenbüttel mit dem EHEC-Typ der nachgewiesenen Erkrankungen in Deutschland übereinstimmt. Zugleich wurde bekannt, dass zwei weitere Mitarbeiterinnen des Biohofs mit dem lebensbedrohlichen Darmkeim infiziert sind. Bereits im Mai waren dort drei Beschäftigte erkrankt.

Schäden für die Landwirte

Sorgen bereiten die EHEC-Folgen auch in der Landwirtschaft. Die Gemüsebauern seien völlig unverschuldet in eine existenzgefährdende Situation geraten, sagte Christoph Nagelschmitz, der Präsident des Provinzialverbandes Rheinischer Obst- und Gemüsebauern. Das Robert-Koch-Institut und die anderen amtlichen Stellen hätten vor dem Verzehr von rohen Tomaten, Gurken und Salat gewarnt, Belege für eine Kontamination mit dem EHEC-Erreger habe es aber nicht gegeben. "Deshalb erwarten wir mit vollem Recht den vollen Ersatz der in der Gemüsewirtschaft entstandenen Schäden", sagte Nagelschmitz. Dafür reichten die bislang von der EU vorgeschlagenen 210 Millionen Euro "bei weitem" nicht aus. Allein in Deutschland werde mit wöchentlichen Schäden von mehr als 30 Millionen Euro gerechnet.

Gemüsebauer Hermann Voges steht sorgenvoll vor Kisten mit Salatköpfen, die entsorgt werden müssen. (Foto: picture alliance/dpa) (Foto:
Gemüsebauer Hermann Voges steht sorgenvoll vor Kisten mit Salatköpfen, die entsorgt werden müssen.Bild: picture alliance/dpa

Am Dienstag ist die Entschädigung Thema bei der EU in Brüssel. Agrarkommissar Dacian Ciolos erwartet eine Zustimmung der Mitgliedstaaten für das 210-Millionen-Euro-Hilfspaket der Kommission für die Landwirte. Die ersten Hilfen könnten dann im Juli abgewickelt und ausgezahlt werden.

Autor: Hartmut Lüning (dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Nicole Scherschun