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Politik

Wahlkampf in Trumps Schatten

Michael Knigge jc
7. November 2017

Für die Kandidaten für das Amt des Gouverneurs interessieren sich längst nicht alle Wähler in Virginia. Die Wahl gilt als Stimmungstest für Trump und zum US-Präsidenten haben viele eine Meinung. Michael Knigge berichtet.

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USA Wahl in Virginia Reportage
Postamt in Newton: Vier Stunden pro Tag geöffnetBild: DW/M. Knigge

Newton, eine Gemeinde im Landkreis King and Queen im US-Bundesstaat Virginia. Von Washington DC, sind es zwei Stunden Fahrt in Richtung Süden bis hierher. Vor dem Postamt des Ortes, geöffnet vier Stunden täglich, steigt Wesley Worrell aus seinem Pickup-Truck. Worrell ist Vater zweier erwachsener Kinder und in der Region aufgewachsen. Angesprochen auf sein Verhältnis zur Politik, braucht es einen kurzen Moment, dann aber macht der 54-Jährige seinem Ärger Luft: "Ich traue der Regierung nicht. Alles was Politiker tun, ist sich die Taschen vollzustopfen."

Aus diesem Grund werde er an diesem Dienstag (7.11.) vermutlich auch nicht zur anstehenden Gouverneurswahl gehen, sagt Worrell. Die Abstimmung in Virginia gilt als erster großer Test für die aktuelle Stimmungslage der US-Wähler in der Ära von Präsident Donald Trump.

Keine Gewissheiten im "swing state"

Virginia ist ein "swing state", also einer der Bundesstaaten, in denen weder die Demokraten noch die Republikaner die Mehrheit der Wähler dauerhaft hinter sich sammeln können. Bei den Präsidentschaftswahlen der letzten 20 Jahre hat hier zweimal der Republikaner George W. Bush die meisten Stimmen bekommen, zweimal der Demokrat Barack Obama. Bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr gewann Hillary Clinton den Bundesstaat mit nur fünf Prozent Stimmenmehrheit vor Donald Trump.

USA Wahl in Virginia Reportage
Wesley Worrell wählte Donald Trump, heute zweifelt er an dessen IntellektBild: DW/M. Knigge

Bei der bevorstehenden Gouverneurswahl stehen der Republikaner Ed Gillespie und der amtierende Vizegouverneur Ralph Northam für die Demokraten zur Abstimmung. Worrell will keinem der beiden seine Stimme geben; weder der eine noch der andere werde wirklich etwas verändern, davon ist der Familienvater überzeugt.

"Trump ist nicht besonders schlau"

Aus seiner Sicht sei Barack Obama der schlechteste US-Präsident aller Zeiten gewesen, sagt Worrell. Er habe "sozialistische Ideen" gehabt. Obwohl ursprünglich Trump-Unterstützer, denn "er hat durchaus ein paar Dinge gesagt, die ich richtig finde", ist Worrell seit dem Amtsantritt Trumps angesäuert.

USA Gouverneurswahlen in Virginia Ed Gillespie
Der Kandidat der Republikaner Ed GillespieBild: Getty Images/S.D. Davis

"Er ist ein Lügner. Und einem Lügner kannst Du nicht trauen." Auch sei Trump nicht in der Lage, Dinge zu verändern, meint Worrell, und gibt die Schuld dafür teils dem US-Kongress und teils dem Präsidenten selbst. Die Gesetzgeber könnten keine Kompromisse mehr schließen; Trump wiederum könne nicht delegieren und wolle alles selbst regeln, beklagt Worrell . "Er ist nicht besonders schlau, das sieht man schon an seiner Art zu reden." Dennoch sei Trump ein Milliardär, der ein großes Imperium betreibe.

Wenig Interesse an der Gouverneurswahl

Worrell baut Sägemühlen für Holz-Unternehmen, ein Job, in dem er monatelang nicht bei seiner Familie sein kann. In den 1980er und 90er Jahren lief es gut in der Branche, aber nach der Jahrtausendwende ging es bergab. Bis heute habe sich die Holzbranche noch immer nicht erholt. Aber die Arbeiter "bekommen keinerlei Unterstützung", sagt der 54-Jährige. Den Regierenden - in Washington wie in Virginia - wirft er vor, das Leben für die Bürger der USA nicht besser, sondern schlechter zu machen.

USA Gouverneurswahlen in Virginia Ralph Northam
Der demokratischer Kandidat Ralph NorthamBild: Getty Images/A. Wong

Worrells allgemeine politische Einstellung, eine negative Sicht auf Trump gepaart mit einem nur begrenzten Interesse an der Wahl. Zudem kennt er die Kandidaten kaum. Das ist weitverbreitet im King and Queen County, das als ein "swing state" innerhalb des "swing state" Virginia gilt.

Virginia: ein gespaltener Bundesstaat

Virginia ist gespalten in den ländlich geprägten Süden, der dazu neigt, republikanisch zu wählen, und in den Norden an der Grenze zur Metropol-Region Washington, wo eher demokratisch gewählt wird. Das King and Queen County schwankte bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen zwischen beiden Lagern hin und her.

USA Wahl in Virginia Reportage
Treffpunkt im King and Queen County: Das Bradley'sBild: DW/M. Knigge

Vor Bradley's Convenience Store, einer Tankstelle mit einem kleinen Restaurant, die als der Treffpunkt der Menschen des County gilt, steht Phyllis Scott. Die 58-jährige Briefträgerin hat im vergangenen November für Hillary Clinton gestimmt. Am Donnerstag will sie den Demokraten Northam wählen, auch wenn sich die Demokratin weder für ihn noch für seinen republikanischen Konkurrenten wirklich erwärmen kann. Beim Thema Trump wird Scott wesentlich emotionaler. "Er versucht, alles niederzureißen, was alle Präsidenten vor ihm aufgebaut haben", sagt sie. Ihre Hoffnung ist, dass der Demokrat Northam, so er zum Gouverneur Virginias gewählt wird, als Kontrollinstanz für Trump agieren kann.

"Kandidaten des Establishments"

Niemand in Virginia interessiere sich sehr für die Gouverneurswahl, sagt Eric Phipps, ein Mechaniker, der sich eine Pause bei Bradley's gönnt. Der 38-Jährige will ebenfalls für Northam stimmen. Auch er zeigt keine besondere Begeisterung für den demokratischen Kandidaten, den er, wie auch den Republikaner Gillespie, für einen typischen Repräsentant des traditionellen Establishments hält.

Wesentlich lebhafter spricht Phipps über die Präsidentschaft von Donald Trump. Für den US-Präsidenten hält er einen Fluch bereit, dessen Regierung bezeichnet er als "Zirkus". Er hofft auf ein Amtsenthebungsverfahren, das Trump aus dem Weißen Haus befördert - allerdings nur dann, wenn dessen Vizepräsident Mike Pence, ein konservativer Evangelikaler, nicht automatisch zu Trumps Nachfolger würde. Denn eine "Theokratie möchte ich auch nicht haben", sagt Phipps.

Sehnsucht nach einem anderen Präsidenten

Evelyn Taylor wiederum will Gillespie wählen. Aber von brennender Begeisterung ist die 69-jährige Rentnerin weit entfernt. Statt ins Detail zu gehen, begründet sie ihre Unterstützung für den Republikaner mit einem Argument gegen den Demokraten Northam. Der sei schließlich gegen das Recht auf Waffen, sagt Taylor.

USA Wahl in Virginia Reportage Evelyn Taylor
Evelyn Taylor will republikanisch wählen, ein Trump-Fan ist sie dennoch nichtBild: DW/M. Knigge

Wie viele andere ist die Rentnerin kein Trump-Fan. "Ich denke, ihm fehlt die nötige Klasse. Wir brauchen einen Präsidenten, auf den wir stolz sein können", fügt die 69-Jährige hinzu und nennt Ronald Reagan als Paradebeispiel für einen Mann an der Spitze der USA.

Schwieriger Wahlkampf im Schatten von Donald Trump

Die Beispiele aus dem King and Queen County spiegelten die allgemeine Wählerstimmung in Virginia wider, sagt Stephen Farnsworth, Direktor des Zentrums für Führungsverhalten und Medienstudien an der Mary Washington Universität in Fredericksburg, Virginia. "Beide Kandidaten mussten wirklich hart strampeln, um im Trump-Zeitalter überhaupt wahrgenommen zu werden", so Farnsworth. "Der Wahlkampf in diesem Jahr ist das genaue Gegenteil des Wahlkampfs vor vier Jahren, in dem die Kandidaten für das Gouverneursamt monatelang die Schlagzeilen beherrschten."

Bei einer Wahlbeteiligung, die laut Vorhersagen voraussichtlich um etwa 20 Prozent niedriger sein wird als die Beteiligung an der Präsidentenwahl, liege der Fokus beider Parteien darauf, ihre Basis zu mobilisieren, erläutert Farnsworth. Für Gillespie, der weiten Teile der Wählerschaft völlig unbekannt sein dürfte, sei die Hauptaufgabe, Distanz zu Trump zu wahren, ohne die Basiswähler zu verprellen, auf deren Stimmen er für seine Wahl angewiesen sei.

Der entscheidende Faktor im Weißen Haus

Der Wahlkampf in Virginia verlief verhältnismäßig gesittet. Doch in der Zielgerade versuchten beide Kandidaten, den jeweils anderen möglichst negativ erscheinen zu lassen. Northam stellt Gillespie als Trump-Vertrauten dar, obwohl Gillespie eher zur politischen Mitte der Republikaner zählt.

USA Präsident Donald Trump
Donald Trump: Nicht auf dem Wahlzettel, aber doch präsent bei der Wahl in ViriginiaBild: Getty Images/A. Wong

Gillespie wiederum attackierte Northam, indem er ihn als Befürworter von "sanctuary cities"  darstellte und ihm damit Sympathie für solche Kommunen vorwarf, die einer Durchsetzung des Bundeseinwanderungsrechts nur wenig Beachtung schenken. Auch das scheint weit hergeholt, denn bislang hat Virginia noch keine einzige "sanctuary city" ausgerufen.

Der entscheidende Faktor aber könnte am Ende völlig außerhalb aller Belange Virginias liegen, mutmaßt Farnsworth. Denn die Wahl um das Gouverneursamt in dem US-Bundesstaat werde nicht etwa durch Inhalte entschieden. "Vielmehr wird die Entscheidung der Wähler davon abhängen, wie sie gegenüber Donald Trump eingestellt sind."