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Virtuelle Identität

7. April 2010

Es werden immer mehr und sie tauchen immer mehr im Alltag auf. Im Computerspiel, im Navi und auf der Homepage. Moderne Avatare sind künstliche Personen oder Stellvertreter echter Personen in der virtuellen Welt.

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Bild: DW-TV

Charmant ist sie schon, Laura, die junge Dame, die den Besucher im Internet begrüßt: "Es wurden Notizen für Sie hinterlassen," flötet sie lächelnd, "wählen Sie eine aus, und ich lese sie Ihnen vor.“ Laura ist eine virtuelle Agentin, ein Avatar, programmiert vom Kölner Softwareunternehmen Charamel. 150 Exemplare haben die Entwickler schon produziert, für Industrie, Medien und Forschung.

Meist haben sie nur eine Aufgabe: dem Menschen zu assistieren. Damit der sie leichter akzeptiert, wollen die Entwickler ihnen Emotionen verpassen. Für Alexander Stricker, Geschäftsführer von Charamel, ist das eine große Herausforderung. Selbst bei großen Kinofilmen sieht er Nachholbedarf: "Man erkennt schon noch, dass eine gewisse Künstlichkeit der Bewegung und der Emotionen gegeben ist.“

Künstlich oder echt?

Der Mensch aber registriert schnell, ob Emotionen echt sind oder nur gekünstelt. Isabel Dziobek, Psychologin am Berlin Forschungsverbund "Languages of Emotion", erklärt, dass z.B. bei natürlichem Lachen und bei gewolltem Lachen andere Muskelgruppen benutzt werden. "Wenn man natürlich lacht, dann bewegen sich auch die Augen, das gibt dann diese schönen Lachfältchen. Die gibt es aber nicht so, wenn man gekünstelt lächelt."

Für den Menschen kann es wichtig sein, zu unterscheiden, ob Emotionen echt oder gekünstelt sind. Dziobek: "Besonders Berufsgruppen wie Detektive oder Polizeibeamte profitieren davon, wenn sie sehen, ob jemand gerade lügt oder nicht."

Deshalb interessiert sich auch die Wissenschaft für die Frage, wie man Avatare mit einer möglichst überzeugenden Mimik ausstatten kann. "Sie müssen soziales Verhalten zeigen, um akzeptiert zu werden", sagt Elisabeth André, Informatik-Professorin an der Universität Augsburg: "Ein Avatar muss in der Lage sein, Emotionen zum Ausdruck zu bringen, und er muss Emotionen eines Nutzers erkennen können und entscheiden, wie er auf diese Emotionen reagiert.“

Smalltalk mit dem Avatar

Alfred ist da als Gesprächspartner gar nicht schlecht. Der Avatar der Augsburger Forschergruppe kann schon einen richtigen Smalltalk mit passenden Gefühlsbekundungen bestreiten. Von den siebentausend verschiedenen Ausdrücken, die ein menschliches Gesicht angeblich erzeugen kann, beherrscht er einige.

Zwei Mitarbeiter vor einem Monitor mit einem Avatar.
Avatare sollen Kontakt aufnehmen und sprechen wie von Mensch zu Mensch.

Die Wissenschaftler haben dafür jede einzelne seiner Gesichtsregungen programmiert. Per Schieberegler können sie ihn dazu bringen, die Nase zu rümpfen oder die Oberlippe zu heben. Augenbrauen und Augenlider, Stirn und Mund - alles lässt sich verändern. Das Ergebnis: Alfred zeigt Freude, Ärger, Abscheu, Begeisterung.

Eine weltweite Sprache

Zum Einsatz kommen solche Avatare aber nicht nur in Werbung und Computerspielen. Auch in der Psychtherapie zeigen sie ihre Stärken, zum Beispiel bei der Behandlung von Autisten, das sind Patienten, die sich schwer tun, die Emotionen anderer Menschen zu erkennen und die Signale ihrer Mimik zu verarbeiten. Informatik-Forscherin André: “Man hat durch Avatare die Möglichkeit, die Mimik zu reduzieren, um dann zu untersuchen, welche Auswirkungen das auf autistische Patienten hat." Ein Konzept, mit dem sie bereits guten Erfolg erzielt habe.

Was sie besonders spannend an der Sprache der Emotionen findet: Sie ist weltweit verbreitet. Der Gebrauch jedoch, erklärt die Wissenschaftlerin, kann sehr unterscheidlich sein. "Individualistisch veranlagte Kulturen wie die US-Amerikaner tendieren dazu, Emotionen sehr direkt zum Ausdruck zu bringen, während in Asien das eher als unhöflich angesehen wird." Nicht nur wer Avatare programmiert, muss darauf achten.

Autor: Klaus Dartmann

Redaktion: Judith Hartl