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Kroatien Volksabstimmung Homo-Ehe

Zoran Arbutina29. November 2013

In Kroatien wird darüber abgestimmt, ob unter Ehe nur eine Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau verstanden wird, oder nicht. Kritiker befürchten weitere Begrenzung der Rechte der Minderheiten im Land.

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AFP PHOTO / STR
Bild: STR/AFP/Getty Images

Die Gesellschaft in Kroatien ist tief gespalten. Seit Wochen drehen sich im Land zahlreiche politische Debatten nur noch darum, ob die Formulierung, wonach die Ehe nur eine Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau ist, in die Verfassung aufgenommen werden soll oder nicht. Bisher war die Ehe zwar so definiert, aber "nur" im Familiengesetz - in der Verfassung gab es dazu keine Definition. Im Parlament, in den Medien, auch in den Alltagsgesprächen auf der Straße, ging es in letzter Zeit oft nur noch darum, ob man "dafür" oder "dagegen" sei.

Es ist inzwischen zu einer Art Glaubensfrage geworden. Eine solche Polarisierung der Gesellschaft gab es in Kroatien seit den Tagen des Jugoslawienkrieges Anfang der 90er Jahre nicht mehr.

Am 1. Dezember wird nun in einem Referendum darüber entschieden, was die Bürgerinitiative "im Namen der Familie" initiiert hat. "Wir wollen deutlich zeigen, dass die Mehrheit der Menschen in Kroatien davon überzeugt ist, die Ehe könne nur eine Lebensgemeinschaft von Mann und Frau sein", erklärt Željka Markić, führender Kopf der Bürgerinitiative, im Gespräch mit der DW.

Demonstrationan in Zagreb (AFP PHOTO / STR)
Die Befürworter der VerfassungsänderungBild: STR/AFP/Getty Images

"Und auch alle Rechte, die mit der Ehe verbunden sind, können nur zu einer Gemeinschaft zwischen Frau und Mann gehören."

Katholische Kirche hilft kräftig mit

Die Bürgerinitiative "Im Namen der Familie" hat in nur zwei Wochen 750.000 Unterschriften gesammelt – das sind etwa 20 Prozent der Wähler in Kroatien und fast doppelt so viel, wie es das gesetzliche Minimum vorgesehen hatte. Für Željka Markić ist dies ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Demokratie: "Das ist das erste Referendum in Kroatien seit der Unabhängigkeit vor 23 Jahren, das die Wähler verlangt und organisiert haben."

Es ist eine Art Basisdemokratie, denn bisher gab es nur landesweite Volksbefragungen, die der Staat organisiert hat. Jetzt sollen zum ersten Mal "die Bürger entscheiden, was für sie wichtig ist", sagt Markić. Und zwar gegen den Staat – die sozialdemokratisch geführte Regierung ist klar gegen diese Verfassungsänderung.

Bei der Durchführung der Kampagne war die Bürgerinitiative allerdings nicht ganz auf sich allein gestellt. Wichtige organisatorische und auch finanzielle Hilfe kam von der größten Oppositionspartei, der konservativen Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ), sowie von der Katholischen Kirche. Diese ist in Kroatien sehr einflussreich, denn etwa 90 Prozent der Bürger bekennen sich zum Katholizismus. Seit Wochen werden Kirchengänger von den Kanzeln aufgerufen, beim Referendum "dafür" zu stimmen.

Linke gegen Rechte

Dem Block der konservativen Kräfte geht es, wie Markić es in einem Interview für die katholische Zeitung "Die Stimme des Konzils" formulierte, "um ein Kroatien, in dem gleichgeschlechtliche Paare keine Kinder adoptieren können", denn das sei nicht Teil der eigenen Kultur, der Identität und des Wertekanons.

Zahlreiche linke Gruppierungen stehen diesem Block unversöhnlich gegenüber. Es sind kleinere und größere Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen, Schwulen- und Lesbenvereinigungen, Friedens- und Frauengruppen oder studentische Vereinigungen. Sie haben das Aktionsbündnis "Bürger stimmen dagegen" gegründet und mobilisieren Wähler, um die Verfassungsänderung zu verhindern.

Demonstration in Zagreb (DW)
Gegner der VerfassungsänderungBild: privat

Sie befürchten eine Verschlechterung des gesellschaftlichen Klimas in Kroatien, wo es bisher im Vergleich zu den anderen Ländern Südosteuropas eine sehr liberale Haltung gegenüber Schwulen und Lesben gibt. Laut der Homosexuellen-Lobby Liga LGBTI belegt Kroatien Rang 13 von 49 europäischen Ländern und liegt damit nur knapp hinter Finnland. Im Land sind mehrere Schwulen- und Lesbenorganisationen tätig, junge Polizisten werden mittlerweile in ihrer Ausbildung über die Rechte von Homosexuellen informiert, und im Juni nahm die Frau des Regierungschefs demonstrativ an Zagrebs 12. Gay-Pride-Parade teil.

Nun befürchten sie, dass durch das Referendum "das Tor für weitere Verfassungsänderungen weit geöffnet wird", und damit "die Menschenrechte in Kroatien langfristig bedroht werden", erklärt Jelena Berković vom Aktionsbündnis. "Denn wir", so Berković weiter, "wollen Menschenrechte in Kroatien schützen und weiter entwickeln. Und dabei geht es in erster Linie um die Rechte der Minderheiten."

Minderheiten werden bedroht

Dass diese Befürchtung nicht unbegründet ist, zeigt auch die neueste Entwicklung im Land: beflügelt durch den bisherigen Erfolg der Kampagne über die Homo-Ehe hat ein anderes Bündnis der rechten und rechtsextremen Parteien und Veteranenverbände angefangen, Unterschriften für ein neues Referendum zu sammeln. Dabei geht es um die Beschneidung der bisherigen Rechte der nationalen Minderheiten auf lokaler Ebene. Das würde vor allem die in Kroatien lebenden Serben betreffen.

Bisher hatten sie in den Städten und Kommunen, wo sie ein Drittel der Bevölkerung stellen, unter anderem das Recht auf die Nutzung der eigenen – kyrillischen - Schrift als Amtsschrift. Künftig solle das nur dort gelten, wo Serben mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, was in Kroatien fast nirgendwo der Fall ist.

Zweisprachiges Schild in Vukovar (Photo: Goran Ferbezar/PIXSELL)
Zweisprachiges Schild in VukovarBild: picture alliance/PIXSELL

Für Jelena Berković ist dies ein klares Beispiel für Menschenrechtsverletzung: "Es kann nicht sein, dass die Mehrheit entscheidet, welche Rechte sie der Minderheit gewähren möchte und welche nicht", argumentiert sie im DW-Gespräch.

Dies ist überhaupt nur möglich, weil die kroatische Gesetzgebung bisher gar keine inhaltlichen Begrenzungen für ein Referendum vorsieht, sagt Žarko Puhovski, Politologe und Soziologe aus Zagreb. "Alles kann so hinterfragt werden", meint Puhovski. "Theoretisch kann auch nur ein Mensch zur Wahl gehen und seine Entscheidung ist dann für alle gültig", erklärt Puhovski. Um diese Schwachstelle zu beseitigen, will die Regierung nun in einem Eilverfahren das Gesetz ändern und für künftige Volksabstimmungen klare und wesentlich restriktivere Bedingungen formulieren.

Große Verschleierung

Die hitzige Debatte in Kroatien hat aber auch andere Gründe, meint Puhovski. "Hier geht es sowohl für die Linke als auch für die Rechte um Symbolpolitik", erklärt der Soziologe. "Beide Seiten wollen eine ideologische Disziplinierung und Mobilisierung ihrer Anhänger, denn in wichtigen ökonomischen und sozialen Fragen gibt es zwischen ihnen kaum Unterschiede", sagt der Politologe.

Deswegen versuche man sich bei den sozial-moralischen Fragen zu profilieren – wie etwa über künstliche Befruchtung, Schwangerschaftsabbruch oder eben Homo-Ehe. Das sei aber eine reine Verschleierungstaktik, glaubt Puhovski, mit der man von anderen Problemen ablenke.

Blick über die Stadt Zagreb mit Kathedrale. (DW/Undatierte Aufnahme)
Die katholische Kirche ist sehr einflussreich in KroatienBild: picture-alliance/Bildarchiv

Denn Kroatien hat große wirtschaftliche Probleme. Die Arbeitslosenquote wächst seit Jahren und beträgt gegenwärtig etwa 17 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei etwa 50 Prozent, die Wirtschaft schrumpft kontinuierlich und Korruption ist allgegenwärtig.

Das Referendum wird im eher konservativ geprägten Kroatien für die Initiatoren höchstwahrscheinlich erfolgreich ausgehen: laut jüngsten Umfragen werden 68 Prozent der Bürger für die Verfassungsänderung stimmen und nur 26 Prozent dagegen.