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Volkssport Wahlkampf

Hilke Fischer, zur Zeit Washington D.C.17. Oktober 2012

Ooooo-bama? Hey hey Romney? Die Kandidaten debattieren - und in den USA zieht das so viele Fans zum "Public Viewing" in die Kneipen wie andernorts nur die Fußball-WM. Ein Abend unter Obama-Anhängern.

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Public Viewing der zweiten TV-Debatte von Obama und Romney im Restaurant 'Busboys and Poets' in Washington D.C. (Foto: Hilke Fischer/DW)
TV Debatte von Obama und RomneyBild: DW

20 Uhr. Das "Busboys and Poets" im Ausgehviertel von Washington ist bereits hoffnungslos überfüllt. Am Eingang stehen Dutzende Menschen Schlange. Dawna Horton hat sich einen Platz an einem großen Holztisch gesichert. "Ich bin schon seit halb acht hier. Ich hatte Angst, dass ich sonst keinen Platz mehr bekomme."

Die 30-jährige Afro-Amerikanerin bestellt Wasser, einen Burger und Süßkartoffel-Pommes. In einem kleinen Nebenraum, in dem sonst Poetry-Slams und Lesungen stattfinden, hängt eine riesige Leinwand neben einem Gandhi-Bild. Im Hauptraum des Restaurants zusätzlich vier große Flachbildfernseher. "Ich habe das letzte TV-Duell zu Hause geguckt. Aber es macht viel mehr Spaß, wenn man viele Menschen um sich herum hat, die alle den gleichen Kandidaten unterstützen."

Aufstellung

Die junge Frau mit den langen geflochtenen Zöpfen ist besorgt: "Ich hoffe wirklich, dass es Obama diesmal gelingt, zu sagen, was er alles erreicht hat und wofür er steht. Und dass er sofort klarstellt, wenn Mitt Romney sich selbst widerspricht."

Public Viewing der zweiten TV-Debatte von Obama und Romney im Restaurant 'Busboys and Poets' in Washington D.C. (Foto: Hilke Fischer/DW)
"Obama hat seine Botschaft rübergebracht": Dawna HortonBild: DW

Noch achtet keiner auf die Bildschirme. Das Restaurant ist erfüllt von einem lautstarken Stimmengewirr. An den Tischen, auf Stühlen und Sofas sitzen junge Menschen und essen, unterhalten sich oder tippen etwas in ihre Laptops.

Anstoß

21 Uhr. Auf den Bildschirmen erklärt die Moderatorin die Regeln des Duells. Noch hört ihr keiner wirklich zu. Dann betritt Präsident Obama die Fernseh-Bühne. Plötzlich sind alle Augen auf die Monitore gerichtet. Die versammelte Menge im "Busboys and Poets" applaudiert. In New York richtet ein Student die erste Frage an die beiden Präsidentschaftskandidaten. Stille in Washington. Keiner unterhält sich mehr, alle lauschen gebannt, was Romney und Obama antworten. Natürlich wollen beide Kandidaten dafür sorgen, dass alle Hochschulabsolventen einen Job bekommen. Ein Kellner dreht die Lautstärke weiter auf.

Frage zwei. Mitt Romey spricht von seinem Fünf-Punkte-Plan. Obama kontert: "Gouverneur Romney hat keinen Fünf-Punkte-Plan, er hat einen Plan mit einem einzigen Punkt: Die Reichen spielen nach ihren eigenen Regeln." Johlen und Klatschen von den Zuschauern im "Busboys and Poets". Eins zu Null für Obama. Mitt Romney will protestieren, die Moderatorin bremst ihn. Dawna grinst zufrieden.

Public Viewing der zweiten TV-Debatte von Obama und Romney im Restaurant 'Busboys and Poets' in Washington D.C. (Foto: Hilke Fischer/DW)
Tor für Ooooo-bama? Romney im Abseits? Das Publikum jedenfalls ist zufriedenBild: DW

Gerangel im Mittelfeld

Mitt Romney erklärt sein Energie-Konzept. Inzwischen scheint ihm kaum jemand im Restaurant noch wirklich zuzuhören. Erst als Romney und der Präsident einen kurzen Streit anfangen, sind die Obama-Anhänger wieder bei der Sache. "Ich habe noch nicht fertig geredet", beschwert sich Mitt Romney. "Buuh!" tönt es durch das Lokal.

Dawna schüttelt den Kopf. Ihr gefällt es nicht, dass sich die Kandidaten gegenseitig unterbrechen. Sie will hören, was beide zu sagen haben. Gebannt schaut sie auf den Fernseher, spricht kein Wort. Als die Kandidaten gefragt werden, wie sie Chancengleichheit für Frauen herstellen wollen, entfährt ihr dann aber doch ein "Das ist eine gute Frage!".

Halbzeitpause

22 Uhr. Die Debatte dreht sich um Syrien und den Iran. Danwa bestellt noch ein Wasser. Kurz darauf kommt die Rechnung. Die Konzentration lässt nach, die Leute am Nachbartisch fangen wieder an, sich zu unterhalten und auf ihren Handys herumzutippen.

Public Viewing der zweiten TV-Debatte von Obama und Romney im Restaurant 'Busboys and Poets' in Washington D.C. (Foto: Hilke Fischer/DW)
Wahlkampf bei Bier und Wasser: Public Viewing im "Busboys and Poets", Washington D.C.Bild: DW

Dann schafft es Mitt Romey doch noch einmal, ihre Aufmerksamkeit zurückzugewinnen: Es geht um schärfere Waffengesetze in den USA. In seiner Antwort kommt der Republikaner von automatischen Gewehren auf uneheliche Kinder. Jetzt kann selbst Dawna nicht mehr an sich halten: "Ach du meine Güte! Was redet er?!"

Letzte Angriffe

22 Uhr 25. Mitt Romney beschreibt, wie er Amerika zum weltbesten Standort für Unternehmen machen will. Dawna hört nicht mehr zu, sondern studiert ihre Rechnung. Die ersten Gäste ziehen sich ihre Jacken an. Erst als Romney sagt, dass ihm alle Amerikaner am Herzen liegen, sind die Obama-Fans im "Busboys and Poets" wieder bei ihm. Schallendes Gelächter. Die letzten zwei Minuten der Debatte gehen an den Präsidenten. Der erinnert Mitt Romey daran, dass dieser vor kurzem noch 47 Prozent der Amerikaner gewissermaßen als Sozialschmarotzer bezeichnet hat. "Endlich!" Abpfiff. Dawna lehnt sich erleichert zurück. Die eineinhalbstündige Debatte ist vorbei. Tosender Applaus im "Busboys and Poets". Die Musik geht wieder an. Die Zuschauer schieben sich in Richtung Ausgang. "Und, hat er diesmal gewonnen?"

Die Frau, die Dawna gegenüber sitzt, ist ganz aufgeregt. "Ja, ich glaube, er hat gewonnen." Dawna strahlt. Während der Debatte hatte sie kaum ein Wort gesagt, nun sprudelt es nur so aus ihr heraus. "Ich bin so erleichtert. Er hat es geschafft, seine Botschaft rüberzubringen. Und diese Aussage von Romney über Waffen und uneheliche Kinder! Das ist verrückt!"

Siegesfeier

23 Uhr. Noch immer sind viele Tische im "Busboys and Poets" belegt. Die Obama-Anhänger sitzen noch eine Weile hier und unterhalten sich über die Debatte. Dawna verlässt das Restaurant. Sie will sich noch mit Freunden treffen und auf den gelungenen Abend anstoßen.