1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vollgas in die Katastrophe

Rolf Wenkel9. März 2016

Europas Währungshüter haben sich selbst unter Zugzwang gesetzt: Das viele billige Geld zeigt in der Realwirtschaft kaum Effekte. Also rauf mit der Dosis - obwohl immer mehr Experten das Rezept für falsch halten.

https://p.dw.com/p/1IA5F
Nintendo Super Mario Videospiel

EZB: Kaufprogramm für Preisstabilität

Am Donnerstag kommt in Frankfurt mal wieder der Rat der Europäischen Zentralbank EZB zusammen, um über die Zinspolitik in der Eurozone zu entscheiden. Beobachter glauben, dass EZB-Chef Mario Draghi den Geldhahn - sofern das überhaupt noch möglich ist - noch weiter aufdrehen wird. Denn bislang hat seine ultralockere Geldpolitik keines der beiden selbstgesteckten Ziele erreicht: Weder haben das viele Geld und die billigen Zinsen die Konjunktur angekurbelt noch haben sie die Inflation nennenswert angeheizt.

Die Nachrichtenagentur Reuters sieht die kommende Zinssitzung ziemlich einseitig durch die Brille der Börsianer. Dabei stehe, so Reuters, "Super Mario vor dem Problem, die hochgesteckten Erwartungen der Anleger nicht zu enttäuschen". Sollte dies geschehen, drohe ein Kurssturz wie nach der EZB-Sitzung im Dezember.

Dabei dürfte den Herren des EZB-Rates vermutlich einige Börsianer, die sich womöglich verzockt haben werden, die wenigsten Sorgen bereiten. Eigentlich müssten sie überlegen, warum ihre Geldflut in der Realwirtschaft nichts bewirkt. Doch stattdessen werden sie darüber grübeln, welche geldpolitischen Instrumente ihnen noch bleiben, um den Geldhahn weiter zu lockern.

Der Spielraum wird eng

Viel Spielraum bleibt der Europäischen Zentralbank nämlich nicht mehr. Die Zinsen im Euroraum wurden unter Draghi quasi abgeschafft, der Leitzins liegt seit September 2014 mit 0,05 Prozent nur noch knapp im positiven Bereich. Zusätzlich kauft die Notenbank seit dem 9. März des vergangenen Jahres Staatsanleihen und andere Wertpapiere auf - für 60 Milliarden Euro im Monat. Im Dezember hat der EZB-Rat dieses Programm, das Experten als QE -Quantitative Easing - bezeichnen, um ein halbes Jahr bis mindestens März 2017 verlängert.

Das viele billige Geld soll über Geschäftsbanken in Form von Krediten bei Verbrauchern und Unternehmen ankommen und die Wirtschaft ankurbeln. Doch das eben will nicht so richtig funktionieren. Oberstes Ziel der EZB sind stabile Preise - und die definieren Europas Währungshüter bei einer Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent. Doch davon ist die Inflation trotz der Geldflut der Notenbank weiterhin meilenweit entfernt.

In Deutschland drückte der erneute Absturz der Ölpreise die jährliche Teuerungsrate im Februar nach vorläufigen Zahlen auf Null. Im Euroraum fielen die Verbraucherpreise erstmals seit einem halben Jahr sogar wieder: Die Inflationsrate ging auf minus 0,2 Prozent zurück.

Höhere Strafzinsen?

Viele Ökonomen gehen davon aus, dass die Währungshüter den Strafzins nochmals anheben, den Banken bezahlen müssen, wenn sie kurzfristig Geld bei der Notenbank parken. Seit Dezember liegt er bei 0,3 Prozent. Möglich wäre auch eine Staffelung dieses Zinses je nach Höhe der Einlagen. Müssen Banken mehr für das Bunkern von Liquidität zahlen - so die Theorie - bringt sie das eher dazu, das Geld als Kredit an Verbraucher und Unternehmen weiterzureichen.

Der Bundesverband deutschen Banken befürchtet genau das Gegenteil - nämlich schädliche Folgen für die Konjunktur. "Negative Notenbankzinsen können aufgrund des Wettbewerbsdrucks von den Banken kaum an die Kunden weitergegeben werden", sagt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. "Die Erträge der Finanzinstitute geraten daher massiv unter Druck." Das beeinträchtige deren Fähigkeit, ihr Eigenkapital und damit längerfristig ihre Kreditvergabe zu stärken. Gesunkene Zinsmargen könnten dazu führen, dass Banken ihre Kreditzinsen erhöhen, um die Geschäftskosten zu decken. "Das wäre genau das Gegenteil von dem, was die Notenbank beabsichtigt", fürchtet Kemmer.

Theoretisch könnte die EZB auch das Volumen ihrer monatlichen Wertpapierkäufe aufstocken oder Grenzen aufweichen, die im Rahmen ihres QE-Programms eingezogen wurden - wie die, dass die Zentralbank nicht mehr als 33 Prozent der Anleihen eines Staates kaufen darf. Solche Schritte sind im EZB-Rat aber wesentlich umstrittener als das Thema Strafzinsen.

EZB: Kaufprogramm für Preisstabilität

Besser nichts tun?

Viele Ökonomen sähen es viel lieber, wenn der EZB-Rat erst einmal überhaupt nichts unternehmen würde. Denn dass die Inflationsrate in der Eurozone zurzeit so niedrig ist, liegt kaum an den gesunkenen Inflationserwartungen der Marktteilnehmer, sondern viel mehr an den gesunkenen Energiepreisen - und die sind zugleich ein Konjunkturprogramm. Und da die Finanzmärkte eine Erholung der Rohölpreise erwarten, ist für 2017 im Durchschnitt auch wieder eine Inflationsrate von rund zwei Prozent realistisch -ohne weiteres Zutun der EZB.

Seit Jahren befeuert das billige Geld der Zentralbanken die Aktienmärkte, die Nachfrage nach Immobilien boomt, für Oldtimer und andere Anlageobjekte werden absurde Preise verlangt und bezahlt, die Sparquote sinkt, die Sparer werden enteignet, es drohen Blasenbildungen.

Die EZB müsse eine Kehrtwende vollziehen, verlangt Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon. "In der Sackgasse muss man den Mut haben, umzudrehen. Weiter Vollgas führt zur Katastrophe." Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der aus Rotationsgründen auf dieser Ratssitzung kein Stimmrecht hat, hält nichts von einer weiteren Ausweitung des ultralockeren Kurses: "Eine solche geldpolitische Reaktion kann längerfristige Risiken und Nebenwirkungen haben, die nicht einfach ausgeblendet werden können."