1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vollmitgliedschaft oder gar nichts

Nina Werkhäuser31. Oktober 2012

Die Türkei will Vollmitglied der EU werden und darüber weiter verhandeln. Das sagte der türkische Ministerpräsident Erdogan bei seinem Besuch in Berlin. Aber Brüssel trete auf die Bremse.

https://p.dw.com/p/16a00
Ministerpräsident Erdogan und Kanzlerin Merkel in Berlin vor der Presse (foto:AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images

Die Türkei sieht sich als künftiges Vollmitglied der Europäischen Union. Für den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan ist das so selbstverständlich, dass er es nach seinem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gar nicht mehr eigens betonte. Vielmehr machte er sich Gedanken darüber, wie die stagnierenden Verhandlungen mit Brüssel wieder in Fahrt kommen können.

Und da sieht Erdogan zunächst die EU in der Pflicht: "Verhandlungskapitel werden geöffnet, aber nicht wieder geschlossen", beklagte er. "Und die Aufnahme Südzyperns in die EU war ein Fehler, der immer größere Ausmaße annimmt." Die Nicht-Anerkennung des griechischen Teils Zyperns durch die Türkei ist ein großes Hindernis in den Verhandlungen, die seit zwei Jahren festgefahren sind.

Türkei beharrt auf EU-Vollmitgliedschaft

Am Katzentisch

Auf Druck Frankreichs werde die Türkei zu EU-Gipfeln nicht mehr eingeladen, machte Erdogan seinem Unmut über die EU im Kanzleramt weiter Luft. "Es gibt kein anderes Land, das so behandelt wurde - das müssen wir überwinden!" Als Kritik an Deutschland wolle er das aber nicht verstanden wissen: Seit dem Beginn der Beitrittsverhandlungen im Jahr 2005 hätten alle Bundesregierungen die Türkei unterstützt - auch die unter Merkels Kanzlerschaft.

Für Merkels Partei, die CDU, ist eine "privilegierte Partnerschaft" der Türkei zur EU das Maximum. Die Bundeskanzlerin hält sich außenpolitisch aber an die Zusage, dass die Verhandlungen mit der Türkei "ergebnisoffen" geführt werden. "Es ist eine Frage, in der wir nicht übereinstimmen", so Merkel. "Damit haben wir aber gelernt zu leben". Die EU sei ein ehrlicher Verhandlungspartner. Erdogan erklärte, die Türkei sei zu Kompromissen in den strittigen Fragen bereit.

Syrien-Krieg belastet die Türkei

Dringlicher als der EU-Beitritt sind für das NATO-Mitglied Türkei zurzeit die Spannungen an der türkisch-syrischen Grenze. 105.000 Flüchtlinge hätten schon in der Türkei Schutz gesucht, weitere Flüchtlingsströme gebe es in die Nachbarländer und innerhalb Syriens. "Das ist eine Katastrophe", sagte Erdogan. "Wir brauchen unbedingt die Unterstützung und den Beistand von Deutschland." Vor allem diplomatischer Druck auf Russland und China könne helfen. Über Fragen wie eine Schutzzone für die Flüchtlinge könne allein der UN-Sicherheitsrat entscheiden. Merkel sagte humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge zu und betonte: "Wir fühlen uns für die Sicherheit der Türkei verantwortlich."

Der türkische Ministerpräsident Erdogan durschneidet das Band bei der Eröffnung der neuen türkischen Botschaft in Berlin, links danaben seine Frau, rechts Außenminister Guido Westerwelle. Foto: AP/dapd
Erdogan (Mitte) bei der Eröffnung der neuen türkischen Botschaft in Berlin, rechts Außenminister WesterwelleBild: AP

Freundschaftliche Atmosphäre

Viel Lob hatten beide Regierungschefs für die bilateralen Beziehungen übrig, für die das imposante neue Botschaftsgebäude der Türkei in Berlin ein Symbol ist – Erdogan hatte es am Vortag eingeweiht. Die stärkste Brücke zwischen beiden Ländern sind die mehr als drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland. Diese sollten fließend Deutsch lernen, hatte der türkische Ministerpräsident zu Beginn seines Besuchs gemahnt, und "auch Hegel, Kant und Goethe verstehen." Damit das künftig leichter geht, wollen Merkel und Erdogan im kommenden Frühjahr den Grundstein für eine deutsch-türkische Universität in Istanbul legen. Das Gegenstück dazu soll später in Deutschland entstehen.