1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vom Abschiebeknast zum DFB-Pokalspiel

31. Juli 2011

Noch vor einem Monat fürchtete der 18 Jahre alte Saikou Ceesay seine Abschiebung nach Gambia. Am diesem Sonntag tritt er mit einer Hamburger Lokalmannschaft im DFB-Pokalspiel gegen den Zweitligisten Greuther Fürth an.

https://p.dw.com/p/124lT
Saikou Ceesay (Foto: DW/Kathrin Erdmann)
Saikou CeesayBild: Kathrin Erdmannn

Manchmal kann Saikou Ceesay sein Glück selbst kaum fassen. Mit gerade einmal 18 Jahren steht er an diesem Sonntag (31.07.2011) mit der A-Jugend seiner Mannschaft vom Eimsbüttler TV in Hamburg gegen den Zweitligisten Greuther Fürth im DFB-Pokalspiel auf dem Fußballplatz. Er spielt Mittelfeld. "Seine Stärke ist der Zweikampf, da macht ihm keiner etwas vor", beschreibt Trainer Harald Wenzing den jungen Gambier.

Routinebesuch in der Ausländerbehörde

Noch im April sah es nämlich so aus, als würde sein Leben eine ganz andere Wendung nehmen. Der Hauptschüler, der vor zwei Jahren aus Gambia allein nach Hamburg flüchtete, wollte in der Ausländerbehörde seine Duldung verlängern lassen. "So wie immer, das war ja in den letzten zwei Jahren schon so", erzählt er. Doch dann habe der Beamte plötzlich gesagt: "Saikou, Dein Asylantrag wurde abgelehnt, und deshalb musst du jetzt zurück nach Gambia." Und schon nahmen ihn zwei Polizisten an den Armen und brachten ihn in Abschiebehaft.

Saikou Ceesay schüttelt immer noch verständnislos den Kopf, wenn er sich daran erinnert. Er sei total verzweifelt gewesen, habe nicht verstanden, was er falsch gemacht hatte. Angst kroch in ihm hoch, wieder in seine Heimat zu müssen. "Meine Eltern sind beide tot, zu anderen Verwandten habe ich keinen Kontakt mehr, was hätte ich dort machen sollen?"

Die Mannschaft steht hinter ihm

Saikou Ceesay und ein Mitspieler (Foto: DW/Kathrin Erdmann)
Team machte sich für ihn starkBild: Kathrin Erdmannn

Doch seine Freunde reagierten schnell. Unter dem Stichwort "Saikous Abschiebung verhindern" baten sie bei Facebook um Unterstützung für den Flüchtling und landeten damit prompt einen Erfolg: Innerhalb kurzer Zeit schlossen sich mehr als 37.000 Menschen dem Aufruf an, Politik und Medien berichteten über den Fall.

Einer der Initiatoren war Mannschaftstorwart Jonas Struckmann. "Saikou ist einfach ein richtiger guter Freund von uns. Nicht nur auf dem Platz, sondern auch in der Freizeit verbringen wir viel Zeit miteinander. Da mussten wir einfach etwas tun."

Keine Ausnahme machen

Doch so leicht sollte es dem jungen Flüchtling nicht gemacht werden. Er wurde zwar schnell aus der Haft entlassen, der Eingabenausschuss und die Härtefallkommission der Hamburgischen Bürgerschaft ließen sich jedoch Zeit. Man wollte kein Exempel statuieren, hieß es hinter vorgehaltener Hand.

Außerdem sei Saikou straffällig geworden. Tatsächlich hatte er für einen Freund Marihuana aufbewahrt, möglicherweise auch selbst geraucht. Doch der Richter habe ihn damals frei gesprochen, er musste nur Sozialstunden leisten, beteuerte seine Anwältin immer wieder.

Der Weg wird frei gemacht

Saikou Ceesay auf dem Fußballplatz (Foto: DW/Kathrin Erdmann)
Saikou Ceesay will in Deutschland bleiben - ob als Fußballer oder GlaserBild: Kathrin Erdmann

Endlich, Ende Juli, nach langen, zähen Verhandlungen, fällt dann die endgültige Entscheidung: Saikou darf bleiben. "Ich weiß gar nicht genau, wie lange, aber ich denke drei Jahre." Dann müsste der Gambier seine Lehre als Glaser beendet haben, die er demnächst beginnen wird.

Er hofft allerdings schon jetzt auf eine weitere Chance. Und auf ein dauerhaftes Bleiberecht. Ob als Glaser oder als Fußballer. Gegen Greuther Fürth setzt Saikou er auf ein 1:0 für den Eimsbüttler TV. So optimistisch ist Trainer Harald Wenzing nicht, schließlich konnte er seine junge Truppe nur wenige Wochen auf das große Spiel vorbereiten. Die A-Jugend ist nur nachgerückt, weil wegen finanzieller Querelen fast der ganze Kader den Verein verlassen hat. So treten die Jungs jetzt erstmals als Herrenmannschaft an.

Autorin: Kathrin Erdmann

Redaktion: Michael Borgers