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Vom Recht zur Kultur

18. Januar 2002

Brechen am Goethe-Institut neue Zeiten an? Zur Nachfolgerin von Hilmar Hoffmann wurde Jutta Limbach gewählt. Sie ist keine Kompromisslösung, was hoffen läßt.

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Jutta Limbach als Noch-Präsidentin des BundesverfassungsgerichtsBild: AP

Das Verfassungspräsidentenamt, so sagte Jutta Limbach einmal sarkastisch, sei ein "bürgerlicher Tod". Denn seit 1994, als sie an die Spitze des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe gewählt wurde, muss die durchaus meinungsfrohe Juristin vor jeder öffentlichen Äußerung abwägen, ob ihr daraus später nicht ein Strick gedreht werden könnte - Befangenheit wiegt bei einer Präsidentin doppelt schwer. Als Präsidentin des Goethe-Instituts könnte sie nun wieder ins "bürgerliche Leben" zurückkehren.

Dabei hat sich die am 27. März 1934 geborene Berlinerin während ihrer Karlsruher Zeit keineswegs einen Maulkorb verpasst. In einer Fülle von Interviews und Reden hat die Sozialdemokratin immer wieder Stellung bezogen - sei es
für eine europäische Verfassung, sei es für die Aufnahme
plebiszitärer Elemente ins Grundgesetz oder zur
Gleichberechtigung der Frauen.

Als Frau unter Männern

Ihre erste Karriere begann 1971 mit ihrer Berufung als
Rechtsprofessorin an die Berliner Freie Universität - zu einer Zeit, als die juristischen Fakultäten noch fest in Männerhand waren. In den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückte sie schließlich 1989, als sie in der rot-grünen Koalition zur Berliner Justizsenatorin ernannt wurde - kurz bevor der Fall der Mauer gerade in Berlin eine Reihe schwieriger juristischer Probleme aufwarf. Limbach setzte sich damals entschieden
für eine strafrechtliche Verfolgung der DDR-Regierungskriminalität ein.

Bald nach Beginn ihrer Karlsruher Zeit geriet sie in eine der schwierigsten Krisen des Gerichts. Mit dem Kruzifixbeschluss von 1995 wie auch mit der "Soldaten sind Mörder" - Entscheidung sah sich das bis dahin in hohem Ansehen stehende Gericht einer Welle der Empörung ausgesetzt - vom Karlsruher Elfenbeinturm war die Rede. Die Präsidentin setzte daraufhin auf Transparenz: Eine Pressesprecherin wurde installiert, die Fernsehübertragung von Urteilsverkündungen erlaubt. Schließlich führte das Gericht 1999 "Tage der offenen Tür" ein. Die entschiedene Demokratin Jutta Limbach rückte das höchste deutsche Gericht näher ans Volk. Ihr diplomatisches Auftreten dürfte ihr auch bei ihrer neuen Aufgabe als Chefin des Goethe-Instituts zu Gute kommen.

Jutta Limbach ist nun die oberste Herrin der auswärtigen Kulturpolitik in Deutschland - der "dritten Säule der Außenpolitik", wie Altkanzler Willy Brandt einmal sagte. Nach dem Clash der Zivilisationen am 11. September könnte dieser Aufgabe in der Tat wieder eine besondere Bedeutung zukommen.

Wie interessant ist "deutsche" Kultur?

Die Ausgangssituation ist nicht die beste. Im Zuge von Spar-Maßnahmen der Bundesregierung musste das Institut in den vergangenen Jahren einige seiner weltweiten Außenstellen schließen. Von 164 Instituten 1991 schrumpfte die Kulturflotte auf 128.

Das Goethe-Institut besteht seit 50 Jahren und ist in 76 Staaten präsent. Der Verein verfügt über einen Etat von 250 Millionen Euro, wovon 66 Millionen Euro Eigeneinnahmen sind. Vor einem Jahr wurde das Institut mit dem ebenfalls vom Bund geförderten Kulturverein Inter Nationes zusammengelegt.

Das Goethe-Institut soll der Verbreitung der deutschen Sprache und Kultur im Ausland dienen. Interessenten über Land und Leute können an den Instituten Deutsch lernen und an Veranstaltungen teilnehmen.

Die größten Einrichtungen mit bis zu 70 Angestellten werden in New York, London, Paris, Rom, Tokio, Moskau und Kairo unterhalten. Als einzige westliche Nation unterhält die Bundesrepublik in Peking ein eigenes Kulturinstitut.

Eine gute Personalentscheidung?

Außenminister Joschka Fischer nannte die Juristin "hervorragend geeignet", die erfolgreiche Arbeit des Goethe-Instituts fortzuführen. Der scheidende Präsident, Hilmar Hoffmann, zeigte sich mit der Wahl seiner Nachfolgerin zufrieden: "Mit Jutta Limbach haben wir einen erstklassigen Griff getan. Als höchste Richterin des Landes und zupackende Politikerin wird sie den Berliner Sparkommissaren sicher gut Paroli bieten können."

In Deutschland ist Jutta Limbach über kleinlichen Parteienproporz hinaus wegen ihrer juristischen Kompetenz und ihrer politischen Unbestechlichkeit weithin akzeptiert. Für ihre neue Aufgabe kommt ihr zugute, dass sie bereits am Bundesverfassungsgericht mit Haushalts- und Strukturfragen befasst war. Sie ist darüber hinaus eine ausgewiesene Expertin in Sachen Menschenrechte.

Ihr neues Amt wird sie im Mai antreten. Zwar endet Limbachs Amtszeit offiziell schon im März, wenn sie ihren 68. Geburtstag feiert, doch will das Oberste Gericht noch über den Antrag auf Verbot der rechtsextremen NPD entscheiden. (kas)