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Wettbewerb

Jochen Kürten10. Februar 2009

Zwei Filme, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, konkurrierten am Montag um die Preise des Wettbewerbs. Unser Bärenbeobachter Jochen Kürten war vor allem vom deutschen Film angetan.

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Jochen Kürten auf der Berlinale (Foto: DW)
Ausgerüstet mit dem Programmheft: DW-Redakteur Jochen KürtenBild: DW

Man ist ja immer versucht, einen gemeinsamen Nenner für die Filme zu finden, die man während eines Wettbewerbstages sieht. Das hat ebenso wie das ständige Aufspüren von Trends für das ganze Programm etwas leicht Zwanghaftes. Die beiden Filme am Montag könnte man unter der Überschrift "Die Unfähigkeit der Männer zu kommunizieren" zusammenfassen. Dabei trennen den deutsche Film "Alle Anderen" und den US-Streifen "The Messenger" Welten, und das Reden der Protagonisten miteinander ist natürlich auch nur e i n Aspekt der Filme.

Besonders "Alle Anderen" der jungen Deutschen Maren Ade hat mich begeistert. Man wusste vorher schon, dass Ades Film – als Ergänzung und im Gegensatz zu "The International" und zu Hans-Christian Schmids "Sturm" - der "kleine", also unaufwändig und mit wenig Geld produzierte Beitrag aus deutschen Landen sein sollte. So ein Wettbewerb hat ja immer auch ungeschriebene Gesetze und neben Filmen mit Star-Power oder "wichtigen" Themen sind eben auch diese kleinen Filme mit wenig bekannten Schauspielern erwünscht.

Schmerzhafte Authentizität

Ein junges Paar (Chris und Gitti) macht Urlaub auf Sardinien, er ist Architekt, sie arbeit im PR-Bereich innerhalb der Popbranche. Sie wohnen im Ferienhaus seiner Mutter, vertreiben sich die Zeit wie man sich eben im Urlaub die Zeit vertreibt: mit Lesen und Schwimmen, Essen gehen und Schlafen. Zweimal bekommen die beiden von anderen Paaren Besuch. Das eine hat gerade Nachwuchs bekommen, beim anderen, dessen männlicher Part ein erfolgreicher Architektenfreund von Chris ist, kündigt sich Nachwuchs an.

Filmszene aus dem Film "The Messenger"
Politisches Kino - kalt und unnahbarBild: Berlinale

Wie Maren Aden dann, ganz langsam und nur über Nuancen, ein kleines Saatkorn der Zwietracht in das anfangs harmonische Beziehungsgeflecht der beiden pflanzt, dass dann nach und nach aufgeht, wie sich langsam die Missverständnisse und kleinen Streitigkeiten häufen, das hat mich, das gebe ich gern zu, richtig umgehauen. Beeindruckt vor allem, weil der so unspektakulär bebilderte und behutsam inszenierte Film so gnadenlos authentisch ist, dass ich beim Sehen häufig meinen Nachbarn am liebsten angestoßen hätte, um ihm ins Ohr zu flüstern: "Ja, ja, genau so ist das, so reden Männer und Frauen miteinander, ja, ja, genauso habe ich das auch schon mal erlebt…"

Kampf der Geschlechter

Eine Ursache für den großen Streit am Ende des Films ist die mangelnde Haltung des Mannes in einer bestimmten, singulären Situation. Dabei ist Chris alles andere als ein Macho, kein Typ von der Sorte, der den Mund nicht aufkriegt. Aber er ist eben auch nicht fähig mit dem Temperament und der Spontaneität seiner Freundin richtig umzugehen und im entscheidenden Moment nicht an seinen Beruf und das wirklich Wichtige in seiner Beziehung zu denken. Mag sein, dass "Alle Anderen“ so genau auf die angeknackste Psyche der Frau schaut, weil der Film von einer Frau inszeniert ist. Geschenkt! Was Maren Ade hier auf die Leinwand gebannt hat, ist einfach großartig: authentisch, wahrhaftig und mit einem klugen Blick auf die feinsten Regungen der Psyche junger Menschen sensibel erzählt. Meine Hochachtung!

The Messenger

Filmszene aus "Alle anderen"
Urlaub auf Sardinien - noch ist alles friedlichBild: Berlinale

Vielleicht musste es ein Film wie "The Messenger", der unmittelbar nach Ades Psychokampf im Wettbewerb lief, danach schwer haben. Die Geschichte zweier Soldaten, denen in ihrer Heimat die undankbare Aufgabe zukommt, die Angehörigen der im Irak getöteten Soldaten über das schreckliche Geschehen zu informieren, zeigt einen besonders traurigen und tristen Ausschnitt amerikanischer Lebenswirklichkeit. Der bereits ältere Tony ist kaum noch in der Lage zur normalen Kommunikation, so zynisch und verbittert betrachtet er seine Umwelt. Der junge Will steht noch an einem Scheideweg und der Film beobachtet sehr genau, wie Will sich zu einer gewissen Offenheit und Sensibilität durchringt. "The Messenger" ist ehrenwert, die Form von politischem Kino, das in Berlin anscheinend so begehrt ist. Und doch wirkt er im Vergleich zu "Alle Anderen" auf mich irgendwie kalt und unnahbar.

Fazit: 224 Minuten Wettbewerb, ein großartiger deutscher Film über ein junges Paar und ein gelungener US-Streifen über das Unglück der Irak-Rückkehrer.