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Vom zähen Kampf ums Klima

Andrea Rönsberg8. Dezember 2012

Dass die Klimakonferenz in Doha pünktlich endet, hat niemand erwartet. Zu schwierig ist es, mit über 190 Staaten am Tisch zu einer Entscheidung zu kommen, die alle vor ihren Wählern daheim verantworten können.

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Klimakonferenz Doha 2012 (Foto:Osama Faisal/AP/dapd)
Bild: AP

"Schreibt Geschichte", hatte Christiana Figueres, die Chefin des UN-Klimasekretariats, zu Beginn der Weltklimakonferenz in Doha die Delegierten aufgefordert, "schreibt Geschichte, indem ihr am Freitag fertig werdet". Doch die Chance, in Doha Geschichte zu schreiben ist vertan. Auch in weiteren Verhandlungen in der Nacht zum Samstag zeichnet sich keine Lösung ab.

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und Singapurs Umweltminister Vivian Balakrishnan führen im Auftrag der katarischen Präsidentschaft Einzelgespräche mit Vertretern zahlreicher Staaten und Staatengruppen. Angesetzte Plenarberatungen wurden mehrfach vertagt. Beobachter hatten schon im Vorfeld nicht erwarten, dass die Konferenz im Gegensatz zu fast allen vorangegangenen Veranstaltungen dieser Art planmäßig am Freitag endet - noch erwarten sie, dass die hier erzielte Einigung die Erderwärmung wesentlich bremst.

Christiana Figueres, die Chefin des UN-Klimasekretariats, auf dem Klimagipfel in Doha (AFP PHOTO / AL-WATAN DOHA / KARIM JAAFAR /AFP/Getty Images)
UN-Klimachefin Christiana Figueres könnte vom Ergebnis enttäuscht seinBild: AP

Streitpunkt Nummer Eins: Finanzen

Als ein entscheidender Knackpunkt haben sich die Finanzen herausgeschält. In wenigen Wochen endet eine erste Phase der Klimafinanzierung. Für diese dreijährige Phase hatten die Industrieländer insgesamt 30 Milliarden US-Dollar zugesagt, damit Entwicklungsländer sowohl ihre Treibhausgasemissionen senken als sich auch an den Klimawandel anpassen können. Die Industrieländer hatten darüber hinaus versichert, die Klimafinanzierung bis zum Jahr 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu erhöhen.

Nun ist sowohl unklar, wie es 2013 weitergeht, als auch, wie die Mittel in den nächsten Jahren auf die versprochenen 100 Milliarden anwachsen sollen. Die Zahlen, die derzeit auf dem Tisch lägen, seien völlig unzureichend, kritisiert der brasilianische Chefunterhändler André Corrêa do Lago: "Diese Zahlen passen nicht zu dem Stellenwert, den die Industrieländer angeblich dem Kampf gegen den Klimawandel beimessen." Eine Position, die die afrikanischen Staaten teilen. "Mit einer Finanzierungslücke können wir Doha nicht verlassen", sagte der Vorsitzende ihrer Gruppe, Pa Ousman aus Gambia.

Demonstrantin bzw. Demonstranten bei einer Demo für Klimaschutz am 1.12.2012 in Doha (Katar) am Rande der Weltklimakonferenz; (Copyright: DW/A. Rönsberg)
Auf den Straßen von Doha verlangen Demonstranten ehrgeizige EmissionsreduktionenBild: DW/A. Rönsberg

Streitpunkt Nummer Zwei: "Kyoto"

Auch über die Verlängerung des Kyoto-Protokolls wird weiter gestritten. "Integrität" ist das Stichwort, das die Gemüter am meisten erhitzt. Es bezieht sich auf die Frage, ob nicht verbrauchte Emissionserlaubnisse, die für die erste Verpflichtungsperiode des Protokolls zugeteilt worden waren, nun in eine zweite Verpflichtungsperiode überführt werden können.

Unter anderem Russland und EU-Mitglied Polen plädieren dafür - haben sie doch wegen des Einbruchs ihrer Volkswirtschaften nach der Wende längst nicht alle ihrer Emissionsrechte verbraucht. Es gehe um 13 Milliarden Tonnen an Treibhausgasen, sagen Umweltschützer - keine kleine Menge, sondern in etwa das, was die gesamte EU innerhalb von etwa zweieinhalb Jahren ausstoße.

Nutzung von Emissionsrechten erlaubt oder nicht?

Die Umweltaktivisten fordern deshalb, dass Polen, Russland und die anderen osteuropäischen Länder ihre Rechte nicht in eine zweite Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll mitnehmen dürfen. Eine Forderung, die bislang auch die Entwicklungs- und Schwellenländer in den Verhandlungen vehement vertreten.

Bundesumweltminister Altmaier zufolge könnte eine Lösung so aussehen, dass die fraglichen Länder diese Rechte zwar in einer zweiten Kyoto-Periode nutzen, diese aber nur unter "sehr restriktiven Bedingungen" an andere Länder verkaufen könnten. Ob die Entwicklungsländer diese Regelung als Teil einer Einigung über das große Ganze akzeptieren, wird sich aber wohl erst in der Nacht auf Samstag entscheiden.

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) (Foto: Britta Pedersen/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++)
Umweltminister Altmaier sieht zu wenig Fortschritt bei den UN-VerhandlungenBild: picture-alliance/dpa

"Neue Wege der Entscheidungsfindung"

Angesichts des schleppenden Fortschritts bei UN-Klimakonferenzen im Allgemeinen und der in Doha im Besonderen fordert Bundesumweltminister Altmaier, "neue Diskussionsstrukturen und neue Wege der Entscheidungsfindung". Der Klimaschutz gehöre in der Gruppe der acht größten Industrienationen, G8, ebenso auf die Tagesordnung wie in der Gruppe der zwanzig größten Industrie- und Schwellenländer, G20, sagte er im Interview mit der Deutschen Welle.

Ein Vorstoß, der bei Entwicklungsländern auf wenig Gegenliebe trifft. "Diese Konferenzen unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen sind das einzige Forum, in dem die Stimmen der ärmsten Länder gehört werden", sagte Saleemul Huq vom Internationalen Zentrum für Klimawandel und Entwicklung in Bangladesch. "Jedes andere Forum, das im Namen der Effizienz kleiner gehalten wird, würde sie ausschließen."

Saleemul Huq vom International Institute for Environment and Development IIED, in Doha (Rechte: DW/ A. Rönsberg)
Saleemul Huq unterstützt die UN als Forum für die KlimaschutzerhandlungenBild: DW/A.Rönsberg

Gemischte Reaktionen

Und selbst die Länder, die wie Indien und Brasilien dabei wären, wenn Klimaschutz im Rahmen der G20 diskutiert würde, sind von Altmaiers Idee nicht überzeugt. "Auch wenn es in diesem UN-Prozess viele unterschiedliche Sichtweisen und Auseinandersetzungen gibt", sagte der indische Unterhändler Rajani Ranjan Rashmi, "bedeutet das ja nicht, dass das hier kein konstruktiver Prozess ist."

Bei den USA hingegen dürfte Altmaiers Vorschlag, neben dem UN-Prozess auch andere Wege zu gehen, durchaus auf offene Ohren stoßen. "Dieser Prozess hat die Geduld der USA schon häufiger ziemlich strapaziert", sagte Steve Herz von der US-Naturschutzorganisation Sierra Club, "und sie haben sich nach anderen Foren umgeschaut, wo man die Dinge schneller voranbringen könnte." Gerade das Thema der Klimafinanzierung, meint Herz, würden die USA lieber in einem anderen Rahmen, beispielsweise in dem der G20 behandeln. 

Problem der Trittbrettfahrer-Situation

Doch ob ein anderes Forum das grundsätzliche Problem lösen kann, ist ohnehin fraglich. Schließlich habe man in puncto Klimaschutz eine klassische Trittbrettfahrer-Situation, meint Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik. In einer solchen Situation lohne es sich für keinen, eine Vorreiterrolle zu übernehmen. "Im Grunde haben alle ein Interesse daran, dass das Gleichgewicht der Atmosphäre nicht außer Kontrolle gerät", sagt er. "Aber wenn die anderen sich darum kümmern, das Problem zu lösen, profitiert man davon."

Arabische Jugendliche demonstrieren am 01.12.2012 in Doha unter dem Motto "Arabs - Time to Lead" für mehr Engagement im Klimaschutz. (Foto: Denis Donnebaum dpa)
Kollektives Handeln in der Praxis am Rande der Doha-KonferenzBild: picture-alliance/dpa

Wirtschaftswissenschaftler nennen so etwas ein "Problem kollektiven Handelns". Lösen, meint der New Yorker Ethikprofessor Matthew Liao, könne ein solches Problem vor allem die Gesellschaft. "Wir als Gesellschaft können gewisse Dinge und auch politische Entscheidungen für unsere Politiker attraktiver machen, indem wir unsere gesamtgesellschaftliche Einstellung dazu ändern", sagt er.

Das sieht auch Christiana Figueres vom UN-Klimasekretariat so. "Ich nehme nicht wahr, dass es genügend öffentliche Unterstützung für mutigere Entscheidungen der Regierungen gibt", sagte sie zum Ende der ersten Verhandlungswoche und forderte jeden Einzelnen auf, das zu ändern: "Jeder von uns muss Verantwortung übernehmen."