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Von der Last, Lionel Messi zu sein

Joscha Weber9. Januar 2015

Nach bisher vier Titeln als Weltfußballer des Jahres geht der kleine Große des Weltfußballs dieses Mal nur als Außenseiter ins Rennen um den Ballon d'Or: Lionel Messi hat ohnehin schon bessere Zeiten erlebt.

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Lionel Messi steht unter dem Emblem vom FC Barcelona (Foto: EPA/Andreu Dalmau dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Andreu Dalmau

Wie anstrengend muss es sein, Lionel Messi zu sein. Alle sagen dir, du bist der Beste, einmalig, unübertroffen, begnadet, ein Fußballwunder. Und stets wohnt diesen Lobeshymnen auch eine klare Erwartung inne: Zeig uns deine Tricks, verzaubere uns, tue etwas Sensationelles und vor allem: Spiele besser Fußball als alle anderen. Was für eine Last. Kein Mensch ist jeden Tag der Beste. Nicht einmal Messi. Und doch scheinen sie in Barcelona immer noch genau das von ihm zu erwarten - auch, weil er es eben sehr oft war.

Und zusätzlich zu dieser gigantischen Erwartungshaltung diese ständige Beobachtung. Alle schauen sie auf ihn, diesen kleinen, stillen Mann, der vom Floh ("La Pulga") zum Riesen wurde - und dass nicht nur, weil ihm als kleinwüchsiges Kind der FC Barcelona eine Therapie mit Wachstumshormonen bezahlte. Schon damals galt der kleine Einwanderer aus Argentinien als "Wunderkind". Trotz seiner geringen Körpergröße von rund 1,40 Meter setzte er sich gegen die Größeren durch, spielte sich schnell in die erste Mannschaft - wo alle auf ihn schauten.

Messi kostet 250 Millionen

Lionel Messi streicht sich mit der Hand durch das Gesicht (Foto: REUTERS/Ricardo Moraes)
Welcher Befindlichkeit ist der argentinische Superstar?Bild: Reuters

Sein einstiger Coach Pep Guardiola ließ sich, so wird berichtet, morgens vor dem Training von Angestellten mitteilen, was für ein Gesicht Lionel Messi denn gemacht habe. Seine Laune war das erste Thema des Tages beim Starcoach. Und auch dieser Tage ist die Laune Messis ein Zeitungsseiten füllendes Thema in Barcelona. Der Startenor im Ensemble des FC Barcelona gilt als verstimmt. Zumindest erzählen und schreiben das alle. Messi habe sich mehrfach mit Trainer Luis Enrique angelegt, hege Groll, weil dieser ihn zuletzt auf die Bank setzte - um ihn zu schonen. Und deswegen wolle Messi nun vielleicht weg. Weg vom FC Barcelona, für den er kickt seitdem er 13 ist, der einzige Verein seiner beispiellosen Karriere. Unvorstellbar eigentlich. Allein schon wegen der festgeschriebenen Ablösesumme von 250 Millionen Euro. Aber wenn ein Messi zu haben wäre, fände sich sicher ein Scheich oder Oligarch der diese Summe bezahlen könnte. Aber will Lionel Messi Barcelona denn wirklich verlassen? Manche glauben einen klaren Beleg entdeckt zu haben: Messi hat kürzlich auf Instagram beim Account des FC Chelsea auf "Folgen" geklickt. Wenn Du Messi heißt, wird also jeder Klick auf die Goldwaage gelegt. Wie anstrengend das sein muss.

Umso verblüffender ist es, seinem Spiel zuzuschauen. Die pure Leichtigkeit. Es ist, als vergesse er auf dem grünen Rasen all die Spekulationen, all die Erwartungen, all die Verehrungen. Messi spielt meistens einfach nur Fußball. Weil er liebt, was er tut. Und das sieht man. Beispiel Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, Argentinien gegen Bosnien und Herzegowina. Lionel Messi schnappt sich in der 65. Minute kurz vor der Mittellinie den Ball und sprintet los, schlägt einen ersten Haken und passt den Ball zu einem Mitspieler vor ihm. Seine Vehemenz, mit der er dem gerade weggepassten Ball hinterherjagd, sagt seinem Mitspieler klar: "Gib mir sofort wieder den Ball!" Und natürlich hat Messi den Ball sofort wieder, stürmt in vollem Tempo auf die Abwehrreihe der Bosnier zu, lässt ein, zwei, drei Gegenspieler stehen, zieht ab und trifft. Ein Tor, wie es nur wenige machen. Und kaum einer wirkt dabei so unbeschwert wie Messi.

Der stille Star

Lionel Messi im Trikot des FC Barcelona auf dem Fußballplatz (Foto: David Ramos/Getty Images)
Bild: Getty Images

Das ist wohl sein Erfolgsgeheimnis. Messi lebt Fußball und dieses Leben fällt ihm nicht schwer. Zumindest auf dem Platz. Außerhalb gibt er sich wortkarg, lehnt Interviews lieber ab, geht gerne schnurstracks in die Kabine. Ein stiller Star, der so anders ist als sein ewiger Antagonist Cristiano Ronaldo, mit dem er sich Jahr für Jahr um die Krone als bester Fußballer duelliert. Auch in diesem Jahr, doch etwas ist anders: Lionel Messi geht als klarer Außenseiter ins Rennen, wird bei den Buchmachern mit einigem Abstand hinter Ronaldo und dem deutschen Weltmeister-Torhüter Manuel Neuer geführt.

Aber warum? Da gibt es in diesem Jahr ein paar handfeste Gründe: In der Torschützenliste der Primera Division liegt Messi sowohl in der vergangenen als auch in der aktuellen Saison hinter Ronaldo. In Meisterschaft, Pokal und Champions League ging er mit dem FC Barcelona leer aus. Und dann war da ja noch die WM: Messi startete furios, erzielte ebenso schöne wie wichtige Treffer - und blieb als es darauf ankam, doch der Unvollendete.

Neuer stoppt Messi

Lionel Messi (r.) und Manuel Neuer (l.) erhalten ihre Pokale als bester Spieler bzw. Torhüter der WM 2014 (Foto: REUTERS/Kai Pfaffenbach)
Messi (r.) und Neuer (l.) nach dem Finale im MaracanãBild: Reuters

Im WM-Finale von Rio de Janeiro hatte er mehrfach den möglicherweise entscheidenden Siegtreffer auf dem Fuß, fand aber meist in Manuel Neuer seinen Meister. Der Rest ist Geschichte: Der deutsche Trainer Joachim Löw raunte seinem Joker Mario Götze zu, er solle zeigen, dass er besser als Messi sei. Eine Motivation, die wirkte: Götze traf, Deutschland jubelte, Messi schlich geknickt vom Platz. "Wir hätten etwas mehr verdient gehabt. Es ist sehr bitter, so zu verlieren", sagte der kleine Argentinier damals im Maracanã und nahm nur missmutig seine Trophäe als bester Spieler der WM entgegen.

Kein Wunder, denn Messi weiß, was ihm noch fehlt: der WM-Titel. Seit jeher wird er mit dem großen Maradona verglichen, spielerisch ist er vielleicht längst schon mehr als auf einem Level mit dem legendären Träger der "Hand Gottes". Aber Maradona führte sein Team eben zum Weltmeistertitel 1986, Messi gelang dies noch nicht. Ein Fußballkönig, der weiter auf seine Kaiser-Krönung wartet - trotz bisher schon vier Auszeichnungen als Weltfußballer des Jahres.