1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Von der Macht der Prognose

29. September 2002

Der überraschende Ausgang der Bundestagswahl sorgt für Streit unter den Meinungsforschungsinstituten. Dabei geht es um den Einfluss der Demoskopen auf die Bundestagswahl.

https://p.dw.com/p/2i10
Jubel bei der erste Hochrechnung - dabei hatten die Wahlforscher anderes vorhergesehenBild: AP
Nach einer Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur (dpa) haben die zahlreichen Umfragen vor dem Wahltag die Deutschen nicht in ihrer Entscheidung beeinflusst. Dagegen hatte Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher gesagt, der Sieg sei letztlich auf die falschen Prognosen anderer Wahlforscher zurückzuführen. Die Forschungsgruppe Wahlen warf Allensbach vor, mit falschen und veralteten Methoden zu arbeiten.

Einzelkämpfer Allensbach

Das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) hatte noch lange einen Sieg von Schwarz-Gelb vorhergesagt, als andere Institute schon von einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Rot-Grün ausgingen. Köcher hatte in der Wochenzeitung "Die Zeit" gesagt, die "Siegeserwartung" der Oppositionsanhänger sei kurz vor der Wahl völlig zusammengebrochen. Das sei nur "sehr begrenzt mit der tatsächlichen Stimmung in der Bevölkerung erklärlich" - und müsste demnach wohl auf falsche Prognosen anderer Wahlforscher zurückzuführen sein.

Dem widersprach der Leiter der Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung. Er nannte die Deutung Köchers "abenteuerlich", dass die anderen Wahlforscher Schuld an der Fehlprognose ihres Instituts seien, weil sie mit ihren "falschen" Daten das politische Klima so verändert hätten, dass die Allensbacher Prognose nicht eingetroffen sei.

Die falsche Berichterstattung aus Allensbach über den Meinungsbildungsprozess habe für die Union fatale Wirkung gehabt, erklärt Jung in einer der dpa vorliegenden Analyse. Die von Allensbach beratene Union habe versäumt, ihre Wahlkampfstrategie zu ändern, "weil man ja den Sieg sicher in der Tasche zu haben glaubte".

Methodenstreit

"Mühsam und andeutungsweise wird jetzt versucht, die Ursachen für dieses Desaster mit den schnellen Meinungsänderungen in der Bevölkerung zu erklären", heißt es darin. Daraus sei aber nur der Schluss zu ziehen, dass das "veraltete Instrument" der persönlichen und langwierigen so genannten face-to-face-Befragungen von Allensbach, deren Ergebnisse bei der Veröffentlichung schon längst überholt seien, der Entwicklung nicht mehr gerecht würden.

Alle anderen Institute stützten sich fast ausschließlich auf telefonische Befragungen und Zufallsstichproben. "Der entscheidende Punkt für das Desaster bei Allensbach liegt in der Art der Stichprobenbildung und der Gewichtung der Daten, die von Allensbach offensichtlich vorgenommen wird", kritisiert Jung.

Pro und contra Sonntagsfrage

Nach der Polis-Umfrage im Auftrag der dpa gaben 95 Prozent der Befragten an, die Ergebnisse der so genannten Sonntagsfrage ("«Was würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre?") hätten keinen Einfluss auf sie gehabt. 57 Prozent räumten aber ein, dass sie sich für die Ergebnisse interessiert hätten. 42 Prozent gaben das Gegenteil an. Nur 4 Prozent erklärten, die Umfrageergebnisse hätten ihre Wahlentscheidung beeinflusst.

Beinahe zwei Drittel (63 Prozent) sprachen sich ferner dafür aus, künftig die Ergebnisse der Sonntagsfrage auch in der Woche vor der Wahl zu veröffentlichen. 29 Prozent sind dagegen. Das Münchner Institut Polis hatte vom 24. bis 26. September 1019 Menschen über 18 Jahre befragt. (kas)