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Von der Politikerin zur Putzfrau

Klaus Ulrich30. August 2006

Wer es zum Bundestagsabgeordneten bringt, hat ausgesorgt - möchte man meinen. Die Sozialdemokratin Lilo Friedrich aus Monheim hat da ganz andere Erfahrungen gemacht: Die frühere Politikerin arbeitet heute als Putzfrau.

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Ungewöhnliche Karriere: frühere SPD-Politikerin Lilo Friedrich ist heute selbständige PutzfrauBild: picture-alliance/dpa

Als sie nach sieben Jahren im Deutschen Bundestag im vergangenen Herbst nicht wiedergewählt wurde, begann für Lilo Friedrich ein neues Leben - mit der Suche nach einem Job. Die ehemalige SPD-Abgeordnete aus Monheim sah das zunächst locker, weil sie sieben Monate lang Übergangsgeld bekam. Und zuversichtlich war sie auch: "Ich gehöre zu den Abgeordneten, die immer gesagt haben: Wer arbeiten will, der findet auch Arbeit. Aber ich muss gestehen: den Zahn mußte ich mir leider ziehen lassen."

Lilo Friedrich wollte am liebsten eine Arbeit mit älteren Menschen finden, und so bewarb sie sich bei Pflegediensten und Krankenhäusern. "Ich habe mir die Finger wund geschrieben. Ich habe im Umkreis von 100 Kilometern alles angeschrieben, was man sich nur denken kann." Doch die Ernüchterung kam schnell: "Überqualifiziert", hieß es - oder "keine Planstelle", oder auch schlicht: "zu alt".

"Überqualifiziert, zu alt, zu selbstbewusst"

Daraufhin versuchte es die gelernte Näherin in der Modebranche. Es kam sogar zu Vorstellungsgesprächen. Aber die verliefen zumeist frustrierend. Lilo Friedrich erinnert sich an einen Personalchef, dem sie "zu selbstbewusst" gewesen sei: "Er sagte, ich könnte mit ihm ins Theater gehen oder in Urlaub fahren. Aber seinen Laden wollte er sich nicht durcheinander bringen lassen." Eine 20-Jährige, die er formen könne, sei ihm wohl lieber gewesen, vermutet die ehemalige Abgeordnete. "Da habe ich gesagt: Danke, kein Bedarf."

Doch die energiegeladene 57-jährige Ex-Politikerin wollte und konnte nicht einfach zu Hause herumsitzen - ihr Mann sei schließlich Frührentner, zwei ihrer Kinder noch in der Ausbildung, und eine Rente von rund 1600 Euro bekomme sie erst ab dem 65. Lebensjahr.

Also entwickelte Lilo Friedrich einen Plan: "Du, ich mache mich selbstständig", eröffnete sie ihrem verblüfften Mann eines Abends am Küchentisch. "Ich bin es satt. Ich kriege keine Arbeit, dann mache ich mir Arbeit." Friedrichs Idee: Jahre zuvor hatte sie in ihrem Amt als stellvertretende Landrätin einen Dienst namens "Putzen auf Rädern" für Senioren ins Leben gerufen. Das lief gut, und so stand ihre Entscheidung fest: "Ich mache eine kleine Firma auf - einen 'Haushaltsnahen Dienst'."

Hilfe für alte Menschen

Ihr Konzept war, Menschen, die nicht ins Pflegeheim wollen, aber auf Hilfe angewiesen sind, in ihrer eigenen Wohnung im Haushalt zur Hand zu gehen. In Haushaltsfragen kennt sich Lilo Friedrich aus, und das nicht nur im politischen Sinne - schließlich hat sie sechs Kinder großgezogen, und die Hausarbeit war seit jeher ein Hobby, das sie nun zum Beruf machen wollte.

Als sie ins Rathaus ging, um ihre Firmengründung anzumelden, habe sie sich richtig euphorisch gefühlt: "Ich habe gedacht: Das wird es!" Und das scheint sich bewahrheitet zu haben: Lilo Friedrich ist mit ihrer Arbeit nach eigener Aussage schon voll ausgelastet und denkt über eine Vergrößerung ihrer kleinen Firma nach.

Die Arbeitsmarktproblematik sieht sie heute mit ganz anderen Augen als zu ihrer Zeit als Abgeordnete. Zwar habe sie im Bundestag für Hartz IV gestimmt - und stehe auch heute noch dazu. Aber der Mangel an Arbeitsplätzen sei ein Problem, das nur von der Wirtschaft gelöst werden könne, da könnten noch so gute Rahmenbedingungen von der Politik geschaffen werden.

Anderen Frauen Mut machen

Ihr eigenes Problem hat sie mit wirtschaftlicher Eigeninitiative gelöst - aber mit den einstigen Kollegen aus der Politik hatte sie seitdem keinen Kontakt mehr: "Noch nicht einer von ihnen hat sich bei mir gemeldet. Putzen ist für sie wohl unter der Würde", sagt sie verbittert.

Gewaltiges Interesse bringen dagegen die deutschen Medien der putzenden Ex-Politikerin entgegen: Zeitungsartikel, Interviews und Einladungen zu Talkshows häufen sich. Und Lilo Friedrich steht gerne im Rampenlicht - auch, um öffentlich vorzuleben, dass Frauen über 50 noch lange nicht zum alten Eisen gehören: "Ich will den Frauen Mut machen: Sitzt nicht zu Hause, tut euch nicht leid. Es gibt auch noch andere Dinge im Leben". Das hat sie mit ihrer kleinen Firma selbst erlebt - und blickt zufrieden auf das zurück, was sie geschafft hat: "Ich glaube, das Jahr, das ich jetzt hinter mir habe, hat mehr bewirkt als sieben Jahre Bundestag."