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Von der Uni zur UNO

Grit Hofmann10. Januar 2006

Ob Bundesregierung oder UNO - für viele Jugendliche hat Politik ein Image-Problem: Sie entstehe meist in muffigen Hinterzimmern fern der Realität, lautet ein (Vor-) Urteil! Die UNO hat etwas gegen diese Meinung.

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84 Jugendliche aus 24 Ländern zu Gast bei der UNOBild: dpa

Jugendliche verteilen Postkarten mit Kondomen. Auf den Karten steht auf englisch die Aufforderung: "Benutzen Sie es bitte. Schützen Sie Ihr Leben und unsere Zukunft!" Die jungen Menschen stehen nicht auf der Straße. Sie sind im UNO-Gebäude in New York. Es sind "Jugenddelegierte". Im Herbst 2005 wurden sie eingeladen, um die diplomatischen Vertreter ihrer Länder im UN-Parlament zu begleiten. Und vielleicht zu beeinflussen.

Auch Deutschland hat zwei junge Frauen für drei Wochen zu seiner ständigen UN-Vertretung nach New York geschickt. Zum ersten Mal. Eine von ihnen ist die Mainzer Politikstudentin Anne Spiegel. Die 24-Jährige war damals im Bundesvorstand der "Grünen Jugend" tätig und wollte sich eigentlich grade "endlich mal um ihr Studium kümmern", als sie die Ausschreibung sah. Ihre Erfahrungen in der Politik und in internationalen Jugendprojekten überzeugten schließlich. Gemeinsam mit Hanna Labonté, einer Ethnologie-Studentin aus Heidelberg, wurde sie von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen und dem deutschen Nationalkomitee für internationale Jugendarbeit ausgewählt, um Gunter Pleugen und den anderen deutschen UN-Diplomaten über die Schultern zu schauen.

Zweck ihrer Reise war aber auch, den deutschen UNO-Gesandten Einblick in die Lebenswelten junger Menschen in Deutschland zu vermitteln. Dafür sind die beiden Studentinnen im Vorfeld monatelang durch Deutschland getourt und haben sich angehört, was der deutschen Jugend unter den Nägel brennt.

jugenddelegierte (v.l.n.r.) aus mexico, norwegen, tschechien, schweden und deutschland
Anne Spiegel (ganz rechts) und weitere JugenddelegierteBild: DW

Von Mainz nach New York

In New York waren sie dann gemeinsam mit Jugenddelegierten aus 24 Ländern in den "heiligen Hallen der Weltpolitik" unterwegs. "In einem so riesigen Raum mit 190 anderen Ländern zu sein und zu wissen, dass hier fast die ganze Welt versammelt ist, das ist schon eine ziemlich beeindruckende Atmosphäre", sagt Anne Spiegel.

1995 hatte die UNO das "Weltaktionsprogramm für die Jugend" ins Leben gerufen. Mit ihm sollte auf die Probleme junger Menschen aufmerksam gemacht und Jugendliche zu mehr Teilnahme an der Politik angeregt werden. Mit der Auswertung dieses zehnjährigen Projekts begann im Oktober 2005 die "heiße Woche" für die Jugenddelegierten in New York. Endlich kamen auch sie zum Zuge - und zu Wort. Dass die deutschen Vertreterinnen nicht ans Rednerpult durften, war für Anne Spiegel halb so schlimm: "Die meisten Reden wurden sowieso von der jeweiligen Regierung gegengelesen und zensiert. Was dann von den Jugendlichen vorgetragen wurde, war also ziemlich abgeschwächt." Ihre Meinung wurde sie aber trotzdem los: "Auf informellen Treffen. Oder eben auf dem Gang."

Zwischen Jobmisere und HIV

Was die Jugenddelegierten der verschiedenen Länder vereint, ist die Rolle als Sprachrohr ihrer Generationen. Manche Probleme, auf die sie aufmerksam machen, sind ganz universell, wie etwa die Jugendarbeitslosigkeit. Doch es gibt auch Unterschiede zwischen den Anliegen von deutschen Jugendlichen und beispielsweise denen aus Tansania, betont Anne Spiegel: "In manchen Ländern mangelt es an elementarsten Sachen. Es herrschen Hunger, Durst. Es fehlt die einfachste Bildung. Und auch Probleme wie Aids haben dort ja eine ganz andere Dimension."

Eine Woche lang durften sie ihre Meinungen sagen in der größten internationalen Organisation der Welt. Aber wurde den Jugenddelegierten dort überhaupt zugehört? Anne Spiegel ist realistisch: "Man kann sicherlich nicht sagen, dass man etwas Großes verändern kann. Ich glaube, da braucht man sich keine Illusionen zu machen. Aber trotzdem ist das Projekt eine gute Sache. Eben weil Jugendpolitik bei den Vereinten Nationen unterrepräsentiert ist."

jugenddelegierte aus norwegen bei ihrer rede in der
Jugenddelegierte aus Norwegen bei ihrer RedeBild: DW

"Jugenddelegierte 2006 - keine Minidiplomaten"

Auch im Jahr 2006 sollen wieder junge Menschen zwischen 18 und 25 nach New York geschickt werden: "Keine Leute, die als Mini-Diplomaten rumrennen, sondern junge Leute, die wirklich die Meinung junger Menschen vertreten wollen", betont Anne Spiegel. Neugier und viel Zeit zur Vorbereitung sollten die Bewerber haben. Und einen verständnisvollen Prof: "Bei mir lief die Uni so ziemlich Schmalspur nebendran."

Doch es lohnt sich. Bestimmt auch für die Diplomaten, ist sich Anne Spiegel sicher. Denn schließlich werden Kondome eher selten in der UN-Vollversammlung verteilt: "Wir waren zum Teil etwas unkonventionell. Aber ich glaube, manche empfanden das als ganz willkommene Abwechslung."