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Von Pfarrerin Lucie Panzer, Stuttgart

29. Oktober 2011

Zum Reformationstag: Was heißt glauben?

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Die evangelische Pfarrerin Lucie Panzer, Stuttgart
Lucie PanzerBild: GEP

Martin Luther hat öffentlich protestiert. Am 31. Oktober 1517 in Wittenberg war das und jedes Jahr Ende Oktober feiern Protestanten in Deutschland deshalb den Reformationstag. Der Anlass für Luthers Protest war damals der Handel der Kirche mit der Sündenvergebung. Sündenvergebung gegen Geld – für Luther ging das gar nicht. Damit kam eine Entwicklung in Gang, die ein paar Jahre später dazu führte, dass man Luther aus der damaligen Kirche ausgeschlossen hat. Viele Menschen aber ließen sich nicht beirren. Sie blieben, wie er, überzeugt – Sündenvergebung gegen Geld und vieles andere, was sich an Missständen in der Kirche eingeschlichen hatte: das kann nicht sein. Viele Städte und Gemeinden schlossen sich der neuen Lehre an. Seither gibt es – Gott sei’s geklagt – Katholiken und Protestanten. Die Nachfolger der Menschen, die damals protestiert hatten. Dabei wollte Luther zunächst bloß die Diskussion in Gang bringen und die Verantwortlichen der Kirche zu einer Stellungnahme bewegen.

Luther hat seinen Protest damals aus der Bibel begründet. Es kann nicht sein, hat er gesagt, dass Gott gewissermaßen käuflich ist. Es kann nicht sein, dass man seine Liebe und Zuwendung kaufen kann. Man kann sie nicht kaufen mit Anstrengung und guten Werken. Und auch nicht, quasi ersatzweise, mit Geld. Wer also besonders viel zahlt, der kriegt am Ende den besten Platz im Himmel. Das kann nicht sein, fand Luther. Denn: im Römerbrief des Apostels Paulus hatte er ja gelesen: Nicht einmal Abraham hätte aufgrund seiner eigenen Taten vor Gott bestehen können, denn vor Gott zählt das nicht, was einer sich leisten kann. Sondern: Abraham glaubte an Gott. Damit konnte er vor Gott bestehen. Und das gilt für alle Menschen: „Wir sind überzeugt, dass der Mensch aufgrund des Glaubens vor Gott als gerecht gilt, unabhängig davon, ob er alles richtig macht, also das Gesetz befolgt.“ So hat Luther in seiner Bibelübersetzung die Stelle aus dem Römerbrief wiedergegeben, von der er seinen Protest gelernt hat.

Soll das also heißen: Wenn man felsenfest und auch noch wortwörtlich glaubt was in der Bibel steht – vom ersten bis zum letzten Blatt – dann ist alles in Ordnung für einen evangelischen Christen?

Ich glaube, das ist ein Missverständnis. Jesus nämlich hat ganz anders erklärt, was Glauben bedeutet: Er hat einmal zu einer Frau gesagt: „Dein Glaube ist groß!“ Aber hatte sie ihm etwa das Glaubensbekenntnis vorgesprochen, um zu beweisen, was sie alles glaubt und wie groß ihr Glaube ist? Hat sie nicht. Wahrscheinlich hatte sie sowieso einen ganz anderen Glauben. Sie kam aus Kanaan, da hatten die Leute einen anderen Glauben. Die Frau damals hat „bloß“ um Hilfe für ihre kranke Tochter gebeten.

Die Frau, die damals zu Jesus kam, die hat ihm, oder besser gesagt, dem Gott, für den er redete und handelte, zugetraut, dass er ihr helfen kann. Sie hat erwartet, dass er ihr helfen kann. Vielleicht nicht so, dass die Tochter schlagartig wieder gesund würde. Sie hat gehofft, dass er ihrer Familie und ihrer Tochter helfen wird. Sie hat darauf vertraut, dass Gott es gut machen wird für sie. Das war ihr Glaube. Eigentlich müsste man da wohl Vertrauen sagen. Jesus lobt ihren Glauben und meint ihr Vertrauen auf Gott.

Wir heute verstehen das meistens anders. Wir sagen „Glauben“ und denken an das Glaubensbekenntnis oder an die vielen Geschichten in der Bibel und meinen: Glauben bedeutet, das alles ohne wenn und aber für richtig und wahr halten, was da gesagt ist. Weil sich das leicht vermischt, diese beiden Worte Glauben und Vertrauen, deshalb meinen manche, ein felsenfester, unangefochtener Glaube sei die Voraussetzung dafür, dass einer vor Gott bestehen kann.

So aber meint Jesus das nicht. Auf Gott zu vertrauen: das hilft. Darauf vertrauen, dass er mich nicht im Stich lässt. Nicht wenn es schlimm kommt im Leben. Nicht, wenn das Leben zu Ende geht. Aus solchem Vertrauen kann ich leben: getrost und ruhig. Bis heute.