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Von und über Pflanzen lernen

12. Juni 2011

Botanische Gärten laden nicht nur zum Spaziergang ein, sie sind auch spannende Lernorte. "Bionik - Von Pflanzen lernen für die Technik" lautet deshalb in diesem Jahr auch das Motto der Woche der Botanischen Gärten.

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Nelumbo nucifera nucifera 15975 (Foto: Botanische Gärten Bonn)
Vorbild aus der Natur: die selbstreinigende LotusblumeBild: Botanische Gärten Bonn

Phuong Trinh kommt immer wieder gerne in die Gewächshäuser des Botanischen Gartens. Einen Bananenbaum hätte die vietnamesische Masterstudentin hier im Bonner Universitätsgarten nicht vermutet. Auch die Lotuspflanze ist ihr aus ihrer Heimat bekannt. "Als ich hierher kam, wurde mir warm ums Herz, als ich die Lotuspflanze gesehen habe", erzählt sie. "Hier am Institut haben sie die Charakteristik der Oberfläche der Lotusblätter herausgefunden. Das war für mich neu."

Der Lotuseffekt

Schon seit den 1970er Jahren erforscht Professor Wilhelm Barthlott, Leiter des Nees-Instituts für Biodiversität an der Universität Bonn, mit seinen Studierenden und Doktoranden die Oberfläche der Lotusblätter. Dabei entdeckte er den sogenannten Lotuseffekt. Die Pflanze ist nämlich selbstreinigend. Schmutz bleibt nicht an den Blättern haften, sondern wird mit dem Regen abgespült. Nach dem gleichen Verfahren wurde eine Fassadenfarbe entwickelt, die der Lotusoberfläche nachempfunden ist. "Allein über Lotus sind, würde ich schätzen, drei Doktorarbeiten und vielleicht ein halbes Dutzend Examensarbeiten entstanden", betont Professor Barthlott, denn so ein komplexes Phänomen könne ein einzelner gar nicht mehr bearbeiten.

Der Lotuseffekt ist ein Beispiel aus der Bionik und zeigt, was der Mensch von Pflanzen für die Technik lernen kann. Die Bionik ist diesmal auch Thema der Woche der Botanischen Gärten, die jedes Jahr in Deutschland stattfindet. Im Universitätsgarten Bonn gibt es zu diesem Thema spezielle Schautafeln und Vorträge, die unter anderem den Lotuseffekt erklären.

Praxisübungen im Botanischen Garten

Botanischer Garten Bonn: Studentinnen im systemischen Garten (Foto: DW / Gaby Reucher)
Phuong Trinh (Mitte) macht in Bonn ihren Master in Botanik.Bild: DW / Gaby Reucher

Der Botanische Garten entstand 1818 mit der Gründung der Universität. Der Botaniker und erste Direktor Nees von Esenbeck gestaltete die barocke Gartenanlage am Poppelsdorfer Schloss in einen wissenschaftlichen Garten um. Neben bekannten Forschungsprojekten ist es indirekt auch der Botanische Garten, der Studierende aus dem In- und Ausland nach Bonn lockt.

Phuong Trinh ist vor elf Monaten nach Bonn gekommen, um ihren Master in Botanik zu machen. "Die Masterprogramme sind auf Englisch, und es gibt gute Praxismöglichkeiten. Für mich war das genau richtig." Für die Praxiskurse spielt der Botanische Garten eine große Rolle. Die Studierenden halten sich meist in der sogenannten systemischen Abteilung auf. Hier stehen Pflanzen zusammen, die der gleichen Art angehören, in der Natur aber in verschiedenen Weltregionen beheimatet sein können.

"So ein System gehört zu jedem Universitätsgarten dazu", erläutert Kustos Wolfram Lobin. "Wir haben hier ein recht großes System mit 1200 verschiedenen Arten." Die Studierenden untersuchen Blatt- und Blütenformen und können so die verschiedenen Arten klassifizieren. Weiter bearbeitet werden die Pflanzen dann im Nees-Institut für Biodiversität, denn bestimmte Einzelheiten lassen sich nur unter dem Mikroskop feststellen.

Die Öffentlichkeit für Pflanzenvielfalt sensibilisieren

Drei Institute beschäftigen sich an der Bonner Universität mit Pflanzen. Die Forschungsschwerpunkte sind unterschiedlich und reichen von der Bionik über die Systematik bis hin zu ökophysiologischen Untersuchungen. Früher, so erzählt Wolfram Lobin, habe er als Kustos des Botanischen Gartens auch geforscht und wissenschaftlich gearbeitet. "Heute mache ich viel mehr Öffentlichkeitsarbeit, und die Forschung findet in den Instituten statt." Die Botanischen Gärten stehen nämlich nicht nur Studierenden offen, sondern dienen auch zur Bildung der Öffentlichkeit.

In Botanischen Gärten werden Pflanzen gesammelt und erhalten. Bedrohte Pflanzenarten - hauptsächlich aus der Region - werden vermehrt und am Ursprungsort wieder angepflanzt. Warum die Pflanzen bedroht sind, woher sie stammen und welche Mythologien sich um bestimmte Pflanzen ranken, all das können Besucher bei entsprechenden Führungen und Veranstaltungen erfahren.

Bildung für Nachhaltige Entwicklung

Großes Tropenhaus im Botanischen Garten und Botanischen Museum Berlin-Dahlem (Foto: I. Haas, Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem)
Lernort für Groß und Klein: der Botanische Garten in BerlinBild: I.Haas/Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem

Führungen und Workshops dieser Art gibt es mittlerweile in allen Botanischen Gärten. In Berlin, im Botanischen Garten der Freien Universität, geht man noch einen Schritt weiter. Der Botanische Garten sieht sich als "Lernort für Groß und Klein". In den Bildungsprogrammen geht es darum, den Besuchern Anregungen für eine nachhaltige Lebensweise zu geben, und das bezieht sich nicht nur auf den Schutz der Pflanzen. So werden in den Veranstaltungen der Botanikschule auch ökologische, ökonomische und soziale Aspekte rund um den Pflanzenanbau und -abbau beleuchtet.

"Anhand der Pflanzen können wir den Bezug zu den Lebensräumen aufbauen", erläutert Biologin Gesche Hohlstein, die die Bildungsarbeit koordiniert. Die Besucher lernen zum Beispiel, was fairer Handel bedeutet. "Wie viel verdient überhaupt der, der die Frucht erntet, und der, der sie transportiert? Das sind die Fragen, die wir uns stellen, um auf das Ungleichgewicht in der Gesellschaft hinzuweisen." Für ihre Bildung für Nachhaltige Entwicklung im Botanischen Garten und im Botanischen Museum wurde die Botanikschule in Berlin-Dahlem bereits zwei Mal von der UNESCO ausgezeichnet und sie ist ein besonderes Beispiel dafür, was der Mensch alles von und über Pflanzen lernen kann.

Autorin: Gaby Reucher
Redaktion: Claudia Unseld