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Kalter Krieg um die Krim

Bernd Riegert, Europa-Korrespondent6. März 2014

Europa handelt fürs Erste geschlossen in der Krim-Krise. Wird das Russland beeindrucken oder ist Nachgeben vielleicht besser, fragt Bernd Riegert in seinem Kommentar.

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Bernd Riegert (Foto: DW)

Für die Europäische Union ist es bereits ein Erfolg, dass sie nach dem Krisengipfel zur Ukraine geschlossen auftrat. Einige Regierungschefs aus Mittel- und Osteuropa, deren Länder nahe an der Ukraine liegen oder früher sowjetische Satelliten waren, hätten sich mehr Härte gewünscht. Deutschland und Großbritannien haben der Androhung von Sanktionen zähneknirschend zugestimmt. Man traf sich in der Mitte, jetzt steht der Beschluss, der allerdings nicht mit einem konkreten Ultimatum unterlegt ist. Es bleibt noch viel Platz für Diplomatie und das ist auch gut so.

Denn der eigentliche Spagat, den die EU hinbekommen will, steht ihr noch bevor: Sie will den Staat Ukraine erhalten, Russland zum Rückzug bewegen und gleichzeitig auf keinen Fall bis zur letzten Stufe, einer militärischen Auseinandersetzung, gehen. Das wird nur funktionieren, wenn die EU und die USA gemeinsam auftreten. Da gibt es einige Zweifel, ob die Synchronisation funktioniert, denn der amerikanische Präsident hat bereits Sanktionen verhängt, über die Europa noch nachdenkt.

Diese Sanktionen tun noch nicht weh

Die EU hat die erste Eskalationsstufe bestiegen. Das wird, so fürchte ich, nicht reichen, um Russland und Präsident Putin zum Einlenken zu bewegen. Putin ist noch lange nicht am Ende seiner Möglichkeiten. Das hat er die versammelte EU gleich spüren lassen, als während des Gipfels bekannt wurde, dass das russische Parlament den Anschluss oder Beitritt von abtrünnigen Gebieten erleichtern will. Der Pfad, den die EU jetzt beschritten hat, wird wohl relativ schnell zu spürbaren Wirtschaftssanktionen führen müssen, um Präsident Putin da zu treffen, wo es vielleicht weh tut: Am Geldbeutel. Während die EU noch keine konkreten Wirtschaftssanktionen nennen wollte, deuten die USA schon einmal an, wohin die Reise gehen könnte. Sie prüfen, ob die Lieferung von Flüssiggas nach Europa gesteigert werden kann, um sich von Russlands Exporten abzukoppeln.

Die EU hofft darauf, dass die russische Seite einer wie auch immer gearteten Verhandlungsgruppe zustimmt, um dann eine diplomatische Lösung zu erreichen. Das wird schwer, da Russland die Regierung der Ukraine nicht anerkennt. Das wird schwer, weil Russland absurderweise noch bestreitet, dass es überhaupt Truppen auf die Krim geschickt hat. Wladimir Putin wird die Entschlossenheit und die Glaubwürdigkeit des Westens noch ein Weilchen testen. Nach dem Referendum auf der Krim Mitte März wird er wahrscheinlich dem "Wunsch" der gesteuerten Krim-Regierung entsprechen und die Halbinsel zu ihrem eigenen Schutz aufnehmen. Ich fürchte, die Krim ist für die Ukraine bereits verloren. Jetzt geht es nur noch darum, eine Spaltung des Landes in pro-europäische West-Ukraine und pro-russische Ost-Ukraine zu verhindern. Der Krim-Konflikt wird für viele Jahre ungelöst bleiben. Solche ungelösten Konflikte gibt es in Europa mannigfach: Zypern, Kosovo, Abchasien, Ossetien. Die Umstände sind jeweils andere, irgendwie haben die Diplomaten geschafft, sie so einzufrieren, dass sie zu managen sind.

Nachgeben könnte der beste Weg sein

Die Situation auf der Krim würde sich nur ändern lassen, wenn die westlichen Staaten massiv Militär einsetzten. Aber niemand will einen direkten Waffengang mit der Atommacht riskieren. Das weiß Wladimir Putin natürlich und kann sich die Krisen-Gipfel und ernsten Erklärungen relativ gelassen anschauen.

Ich habe den Kalten Krieg noch miterlebt. Das Blockdenken, das alles lähmte und die Sicht auf die Welt bestimmte. Nach dem Mauerfall und dem Untergang der Sowjetunion hatten die Völker Europas eigentlich gehofft, dass der Kalte Krieg vorbei ist und niemals ein heißer werden könnte. Mich macht sehr nachdenklich, wie schnell wir in die Zeiten der Ost- West-Konfrontation zurückschlittern. Es geht nicht mehr nur um die Krim, sondern wir sind mitten in einer europäischen Krise, vielleicht der tiefsten seit Jahrzehnten. Die neue Konfrontation kann sogar weltweite Auswirkungen haben, weil Russland, die USA und die EU beim Atomprogramm des Iran, in Syrien und bei der Eindämmung Nordkoreas eigentlich zusammenarbeiten müssten.

Kann es wirklich sein, dass die 25 Jahre nach dem Mauerfall geopolitisch einfach zurückgedreht werden? Nein, die Europäer sollten über ihren Schatten springen, das Ego von Wladimir Putin streicheln, ihn zu einem Super-Gipfel einladen und auf höchster Ebene über die Krim-Krise und die Zukunft der Ukraine verhandeln. Nachgeben ist vielleicht der einzige Weg, um noch schlimmere Konsequenzen zu verhindern.