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Tourismus

Thomas Hajduk21. September 2006

Wie kommen Städte an Besucher? Mit dem Versprechen eines perfekten Erlebnisses, hinter dem gutes Marketing und viel Arbeit stecken. Ihr Vorbild: Themenparks á la Disneyland.

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"Was wir von Disneyland lernen können? Gutes Marketing!" (Alexander Tschäppät, Stadtpräsident von Bern)Bild: dpa

Bisher ist Bern die kleine sympathische Hauptstadt der Schweiz gewesen: Reichlich beschenkt von Geographie und Geschichte zog es vor allem inländische Touristen an, die einmal die Bundesstadt sehen wollen. Doch dieses bescheidene Ziel hat sich geändert - Bern hat Fußball, Einstein und Toblerone entdeckt.

"Wir mussten erst ARD und ZDF schauen, um zu wissen, dass das Wunder von Bern bei uns stattgefunden hat", sagte Alexander Tschäppät beim Kongress "Stadt im Wandel". Berns Stadtpräsident machte damit ein Problem vieler Städte aufmerksam: Touristische Attraktionen bleiben unerkannt und damit wichtige Unterscheidungsmerkmale, die das Angebot einer Stadt aus dem Einheitsbrei heben. Im Falle Berns sind das neben dem deutschen Sieg bei der Fußballweltmeisterschaft 1954 Albert Einstein, der hier sieben Jahre lebte und forschte, sowie die weltberühmte Schweizer Schokolade Toblerone, die nur in Bern hergestellt wird.

Themenpark Stadt

Städte für solche Sehenswürdigkeiten zu sensibilisieren und diese geschickt zu vermarkten - das ist die Aufgabe von Emmanuel Mongon. Der nennt sich "Chef-Imagineer" und arbeitet bei dem Pariser Unternehmen Imaginvest, das die Marketingkampagne der Stadt Bern entwickelt hat. Mongon hat ein klares Vorbild: "Disneyland ist ein Muster." Der Franzose verweist auf das Disneyland Resort Paris, den einzigen Disney-Themenpark in Europa. Zwölf Millionen Besucher locke dieser jährlich an (Paris: 20 Millionen), weil er das perfekte Erlebnis und ein Höchstmaß an Freude verspreche. Hinter "the happiest place on earth" - so Disneys Werbespruch - stecke indes viel Arbeit, ein rationaler Prozess, der reproduzierbar sei. Etwa im Städtetourismus.

Bern Altstadt mit Fluss
"Wir sind eine lebendige Stadt, kein Themenpark!" (Alexander Tschäppät)Bild: dpa

Ähnlich wie ein Freizeitpark müsse die Stadt nach Mongon dem Besucher ein unvergessliches Erlebnis bieten. Sie müsse dafür sorgen, dass nicht nur Anziehungspunkte bestehen, sondern das gesamte Rahmenprogramm stimme. Im Falle Berns sind das zum einen die genannten "Alleinstellungsmerkmale" wie Einsteins Wohnung, zum anderen ein umfassendes touristisches Stadtkonzept. So habe man den Bundesplatz vor dem Parlamentsgebäude von dem Parkplatz befreit und eines der weltweit größten Wasserspiele installiert, erklärte Tschäppät: "Das ist das größte Freiluftbad der Schweiz", sagte er im Hinblick auf die Schweizer Schulklassen, die sich lieber zwischen den Fontänen als in politischen Bildungsveranstaltungen tummelten.

Marketing oder Nepp?

Bei so viel Marketing und Modevokabeln kann man misstrauisch werden, ob es um mehr Schein als Sein gehe. Tschäppät beeilte sich dann auch entsprechende Zweifel im Falle Berns zu zerstreuen: "Wir sind eine lebendige Stadt, kein Themenpark!" Die Architektur reiche tatsächlich bis in das 12. Jahrhundert zurück und sei nicht für Touristen nachgebaut worden. Das mag für das glückliche Bern zutreffen. Andere, weniger gesegnete Städte haben aber das Nachsehen. Sie müssen ihre Attraktionen nicht nur finden, sondern erst erfinden. Ob diese Form des Marketings auch zum Wohle des Städtereisenden ist, darüber war auf dem Kongress nichts zu hören.