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Die Wirkung des Interviews

5. Januar 2012

Bundespräsident Wulff wird heftig kritisiert. In einem Fernsehinterview hat er versucht, verlorenes Vertrauen bei den Bürgern zurückzugewinnen. Schaut man ins Internet, muss man feststellen: Das ist ihm nicht gelungen.

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Bundespräsident Christian Wulff geht an einer Deutschlandfahne entlang (Foto: dapd)
Bild: dapd

Vor dem Interview waren die Beliebtheitswerte des Bundespräsidenten im freien Fall. Die repräsentative Umfrage des "ARD-Deutschlandtrends" zeigte, dass die Zustimmung zu Christian Wulff im Lauf der Woche immer weiter gesunken war. Am Montag hatte jeder dritte Befragte einen Rücktritt Wulffs gefordert, am Dienstag waren es bereits 44 Prozent und am Mittwoch, nur Stunden vor dem Fernsehauftritt Wulffs, hatte jeder zweite einen Rücktritt des Bundespräsidenten für richtig gehalten.

Am Mittwoch ist Wulff in die Offensive gegangen und hat sich den Fragen von zwei Fernsehjournalisten gestellt. Konnte er dabei das Vertrauen in sich und seine Amtsführung wieder herstellen? Was denken die Deutschen über Christian Wulff als Bundespräsident? Der Fernsehauftritt des Staatsoberhauptes ist am Donnerstag (05.01.2012) in allen Medien das Thema Nummer Eins. Ein Blick in Internetforen und Blogs legt den Eindruck nahe: Ein Befreiungsschlag war das Interview nicht.

Immer weniger Fans bei Facebook

Auf der Facebook-Seite von Christian Wulff sind bis Donnerstag Mittag zahlreiche Stellungnahmen eingegangen, die in der überwältigenden Mehrheit kritisch sind: Auf einen Wulff-Unterstützer kommen ungefähr neun Wulff-Kritiker. Die Unterstützer des Präsidenten haben sich entweder nur selten zu Wort gemeldet, oder es gibt tatsächlich nicht mehr so viele von ihnen. Viele Facebook-User sind jetzt keine Fans des Präsidenten mehr und urteilen: "Gefällt mir nicht mehr!"

Mann, der im Internet eine Seite Besucht, mit der man blogs erstellen kann (Foto: dpa)
Den Bundespräsidenten bloggen ...Bild: picture-alliance/ dpa

Die Formulierungen auf dem präsidialen Facebook-Konto reichen von "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht mehr" (Albrecht Koch) bis zu "Hallo, Herr Wulff! Wenn Sie Charakter haben, treten Sie zurück!" (Achim Roeser) Ein Post auf der Wulff-Seite fragt nach der Verantwortung der Bundeskanzlerin. Faude Jola schreibt: "Sie (Angela Merkel) hat ihn ausgesucht. Der Wulff hat sich kein bisschen geändert, er war immer so! Sollte nicht eben sie die Konsequenz ihrer Wahl tragen?" Hans-Josef Fischer schreibt dem Bundespräsidenten ins Facebook-Register: "Sie sind nur noch peinlich!" und zieht eine Parallele zum italienischen Skandalpremier Berlusconi: "Jetzt hat Italien auch mal was zum Lachen."

Twitter-Gewitter

Die schnellste, aber auch kürzeste Art, online zu kommunizieren, ist das Twittern, dabei stehen nur 140 Zeichen zur Meinungsäußerung zur Verfügung. Dementsprechend kurz und knapp sind auch die getwitterten Ansichten. Wulff, postet etwa Rudolf Homann, sei "Bundespräsident auf Bewährung", keiner "entschuldige sich öfter". "2012 wird ein gutes Jahr! Deutschland gehen die Komiker nicht aus …" freut sich "Frau_MORB", während Jörg Taus den Präsidenten als "Untoten von Merkels Gnaden" bezeichnet. "pollvote" twitterte diese Kritik am Wulffschen Fernsehauftritt: "Wulff schwamm ja geradezu in Selbstmitleid. Aber er ließ die entscheidenden Fragen offen."

Bundespräsident Christian Wulff (l) im ARD-Studio in Berlin mit den Moderatoren Bettina Schausten und Ulrich Deppendorf (Foto: dpa)
Der Präsident im FernsehstudioBild: picture-alliance/dpa

In der Blog-Gemeinde wird das Fernsehinterview ausführlicher und reflektierter besprochen. Auch hier überwiegen die Meinungen von Usern, die der Bundespräsident nicht hatte überzeugen können. In manchen Blogs findet auch Stilkritik statt. In "maha's blog" etwa wird genau nachgezählt, wie oft Christian Wulff am Mittwoch "man" statt "ich" gesagt hat. Diese sprachliche Unart sei ein Indiz dafür, wie weit sich eine Person selbst darstellt oder eher versucht, sich hinter einer allgemeinen Position zu verstecken. Unter dem Titel "Wulffs Ich" entlarvt Autor Martin Haase unter anderem diesen Satz aus dem Interview: "Durch diese Art des Umgangs mit den Dingen, hat man dem Amt sicher nicht gedient." Denn richtiger Weise hätte es heißen müssen: "… habe ich dem Amt sicher nicht gedient."

Mediale Hetzkampagne?

Titelseiten verschiedener Tageszeitungen (Foto: dapd)
Nur eine Medienkampagne?Bild: dapd

Am Tag nach dem Fernsehauftritt veröffentlichte die ARD eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap. Dabei kommt der Bundespräsident nicht gut weg - 61 Prozent der Befragten sagten, Wulffs Auftritt habe sie nicht überzeugt. 41 Prozent der Bürger sind für einen Rücktritt des Präsidenten, eine Mehrheit von fast 60 Prozent ist dagegen der Ansicht, Christian Wulff habe "eine zweite Chance" verdient. Zwar halten ihn 56 Prozent für nicht glaubwürdig, aber eine ebenso große Gruppe (57 Prozent) hegt dieser Erhebung zufolge den Verdacht, "die Medien wollten Wulff fertig machen".

Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Pia Gram