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Vorhang auf für den Frieden

Rafael Heiling23. Dezember 2004

Schauspielern allein kann keinen Frieden schaffen. Aber es kann bei der Suche nach Lösungen helfen. Deshalb baut das Internationale Theaterinstitut im Sudan eine Schule für Theatermacher aus Krisenregionen auf.

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In Krisenregionen sollen verfeindete Gruppen zusammen Theater spielenBild: AP

Das Theaterinstitut will dafür sorgen, dass Konflikt-Bewältigung reibungsloser über die Bühne geht – "im Sinne der Völkerverständigung", sagt Michael Freundt, stellvertretender Direktor des deutschen ITI-Zentrums. "Wir haben zum Beispiel in Bangladesch mit indischen und pakistanischen Theaterleuten zusammengearbeitet, demnächst arbeiten wir mit Türken und Griechen aus Zypern." Das Projekt läuft unter dem Namen "My unknown Enemy" – mein unbekannter Feind.

Dabei spielen Mitglieder der eigentlich verfeindeten Gruppen zusammen Theater: "Das kann 'Warten auf Godot' sein oder 'Othello'", sagt Freundt. Und weil das gut funktioniert hat, ruft das ITI jetzt in der sudanesischen Hauptstadt Khartoum eine neue Einrichtung ins Leben: Ein regionales Zentrum für Ausbildung, Schulung und Forschung.

Spielend die Lösung suchen

Dörflicher Brunnen in Nordsumatra, Mann beim Trinken
Beim Streit ums Wasser kann eine Theaterszene vielleicht den Streit austrocknenBild: Rüdiger Siebert

Dort sollen Theatermacher unter Anleitung von einem halben Dutzend Lehrern lernen, wie man mit Schauspielszenen für Frieden sorgen kann. Freundt beschreibt die Strategie so: "Man muss den Konflikt thematisieren, dafür eine Szene finden, die spielen und dabei nach Lösungen suchen." Im Dialog komme man eben am ehesten auf Ideen, "dann schreibt man auch schon mal eine Petition".

Bei diesem Konzept habe das ITI sich unter anderem vom "Theatre of the Oppressed" leiten lassen, das ursprünglich aus Brasilien kommt.

Wichtig sei aber auch die gemeinsame Arbeit mit einem Text: "Da fragen sich die Theaterleute eben, was bedeutet das für die Welt, in der ich lebe? Und was können Künstler tun?" Als erster Schritt werden die sudanesischen Teilnehmer zu einem Workshop nach Stuttgart eingeladen. Später sollen auch Theatermacher aus anderen Krisenregionen nach Khartoum kommen können.

Gegen Waffengewalt hilft Theater nicht

Was den Theaterstil angeht, soll sich das Team der Krisentheater-Schule natürlich auf die Konfliktparteien einstellen. Zwar stünden die Bühnen oft einfach in Hinterhöfen, "aber das Theater im Sudan ist gar nicht so viel anders als unseres", sagt Freundt.

Allerdings: Auf den Brettern, die den Frieden bedeuten, lasse sich nicht jede Auseinandersetzung beilegen, betont der ITI-Vizechef. "Voraussetzung ist natürlich, dass es kein gewaltsamer Konflikt ist, der mit Waffen ausgetragen wird." Auch Wirtschaftskrisen würden sich nicht eignen, "weil klar ist, dass das Theater keine ökonomischen Fragen klären kann." Aber den Streit um eine Wasserstelle oder Ähnliches – den könne man durchaus mit Theater lösen.

Schauspiel als Experiment

Flüchtlinge in Darfur
Flüchtlinge im Sudan - bei Waffengewalt führt ein Schauspiel kaum zum FriedenBild: AP

Freundt findet, dass Theatermacher und Schauspieler schon sehr gut geeignet seien, um Konflikte zu entschärfen: "Weil sie nicht immer knallhart die Position ihrer Seite vertreten", sagt er. Sie könnten außerdem problemlos eine Rolle einnehmen und dann durchspielen: Was wäre, wenn? "Man kann Theater als soziales Laboratorium benutzen", erklärt der Schauspielexperte.

Er wehrt sich dagegen, die Theater-Projekte würden für den Frieden keine Rolle spielen. "Es ist nicht so, dass man den Erfolg direkt messen könnte. Aber es wird schon in der Bevölkerung wahrgenommen und ist Anlass für weitere Begegnungen beider Seiten." In Bangladesch zum Beispiel habe das prima funktioniert. Die Theaterleute würden als Multiplikatoren den Willen zur Verständigung mit in ihr Land nehmen.

Und wenn mal keine direkte Lösung herausspringe, dann zumindest eine Frage, sagt Freundt: "Das Theater ermutigt die Leute, nicht alles, was ihnen gesagt wird, wortlos hinzunehmen."